Da ist er wieder. Einer dieser Momente, in denen sich tausend Gedanken überschlagen und Worte sich in meinem Hinterkopf zu einem Fließtext formen. Wie oft schon habe ich in diesen Momenten gedacht: “Hätte ich doch jetzt nur etwas zu schreiben!”, “Ach, ich schreibe es einfach später auf!” oder “Das ist mir jetzt zu anstrengend.”.
Hinzu kamen die Zweifel, ob es überhaupt jemanden interessieren würde, was ich zu sagen habe. Oder ob ich auf den einen oder die andere vielleicht irgendwie überheblich wirken könnte. Meistens habe ich diese innere Stimme dann unterdrückt, die jetzt immer lauter wird und mir die Worte diktiert, die ich in diesem Moment tippe. Denn damit ist jetzt endgültig Schluss!
Aber es soll hier jetzt auch eigentlich gar nicht um mich gehen. Sondern um ein Thema, das mir schon länger im Kopf herumschwirrt, das in meinem Freundeskreis allgegenwärtig zu sein scheint und über das ich mich schon einige Male mit anderen ausgetauscht habe.
… Kinder sterben in Flüchtlingslagern, Tiere werden brutal abgeschlachtet und der US Präsident ist ein orangener gemeingefährlicher Clown. In Polen werden LGBTQ+ People unterdrückt, im Libanon explodiert u.a. ein halber Hafen …
In welcher Situation wir uns alle gerade befinden, brauche ich ja wohl nicht mehr zu erwähnen, aber falls sich bei manchen schon die Verdrängung breit gemacht haben sollte, hier eine kleine Zusammenfassung zur Erinnerung, ‘in no particular order’:
Frauen kämpfen gegen (häusliche) Gewalt, Ungleichheit im Job und Catcalling auf der Straße. Kinder sterben in Geflüchtetenlagern, Tiere werden brutal abgeschlachtet und der US-Präsident ist ein orangener gemeingefährlicher Clown. In Polen werden LGBTQ+-People unterdrückt, im Libanon explodiert u.a. ein halber Hafen, BIPoC gehen gegen Polizeigewalt auf die Straße, jede Stunde nimmt sich in Deutschland jemand das Leben, uvm. – Ihr merkt, die Liste ist endlos! Und ach ja, schon von diesem Covid gehört?
Ihr seht, worauf ich hinaus will …
„Nicht schon wieder“, denkt ihr euch jetzt, “noch so eine, die meint, über all die Missstände in unserer Welt aufklären zu müssen.” Keine Sorge, das ist nicht meine Absicht, das können andere viel besser als ich. Ich bin eher eine von euch, eine Konsumentin, die genau wie ihr über sämtliche Medien über all diese Dinge stolpert und manchmal auch einfach überfordert ist.
Viele in meinem Alter haben mit psychischen Problemen zu kämpfen, gehen in Therapie und/oder versuchen sich mit einer Mischung aus Meditation, Yoga und Bingewatching bei Netflix & Co, irgendwie über Wasser zu halten. Und dabei sind wir auch noch so verdammt privilegiert, nur über diese Dinge zu lesen, von ihnen zu hören und über sie zu sprechen.
Egal welche Gedanken wir uns machen, die Hauptsache ist, wir machen uns welche
Gleichzeitig fühlen wir uns machtlos, hilflos, nutzlos und hinzu kommt meistens auch noch ein schlechtes Gewissen, weil wir uns schlecht fühlen, obwohl es anderen ja noch viel schlechter geht als uns und unsere Probleme dagegen wie ein Witz aussehen. Bei all diesen Gefühlen kann man schon mal den Überblick verlieren und sich hier und da fragen, wie man dabei nicht völlig durchdrehen soll und wie andere das eigentlich machen. Einfach so weitermachen, ohne dabei nach links und rechts zu schauen?
Lasst euch an dieser Stelle jetzt mal eines gesagt sein: Es ist, völlig normal, sich so zu fühlen und es ist, okay sich so zu fühlen. Es wird Tage geben, an denen du voller Energie und Hoffnung bist, an denen du Dinge anpacken und dich irgendwie einbringen willst, um zu helfen. Und sei es nur mit Hilfe einer Instastory oder einer 15 €-Spende, weil du im letzten Monat mal wieder zu viel Geld für Nonsens ausgegeben hast.
Es wird aber auch Tage geben, an denen bist du wie paralysiert, du fragst dich, wo das alles noch hinführen soll, denkst, dieser Welt ist nicht mehr zu helfen und dass es doch eh alles keinen Sinn mehr hat.
Aber egal welche Gedanken du auch haben magst, ein Gutes hat es: Du hast Gedanken dazu! Es gibt leider immer noch sehr viele Leute da draußen, die entweder bewusst oder unbewusst die Augen davor verschließen, die sich ablenken oder schlicht und einfach genug eigene Probleme haben. Und versteh mich jetzt nicht falsch – auch das ist völlig okay! Manchmal geht es eben auch einfach nicht anders, jede*r so, wie er*sie kann.
Aber vielleicht hast du dich ja – so wie ich – auch schon mal gefragt, ob diese Probleme eigentlich immer häufiger und schlimmer werden. Ob früher nicht irgendwie doch alles besser war. Oder ob sich unsere Eltern nie Gedanken über Burnouts oder Depressionen machen mussten. Die Antwort lautet: Nein!
Es wird Tage geben, an denen bist du wie paralysiert, du fragst dich, wo das alles noch hinführen soll, denkst, dieser Welt ist nicht mehr zu helfen und dass es doch eh alles keinen Sinn mehr hat.
Mag sein, dass vieles, was heute in aller Munde ist, in früheren Generationen weniger Thema war. Das liegt aber neben gesellschaftlicher Tabus und Unwissenheit an einem ganz entscheidenden Faktor: dem Internet. Internet bedeutet Informationsaustausch und dieser wird durch die Sozialen Medien noch beschleunigt.
Was man heute einfach googeln kann, um sich von x verschiedenen Personen eine Meinung einzuholen, wurde früher in Omas Lexikon von 1800 nachgeschlagen und wenn bis dato noch kein renommierter Wissenschaftler etwas Fundamentales dazu aufgeschrieben hatte, war es schlicht und einfach nicht existent.
Doch das Wort „Weltschmerz“ gewinnt nicht umsonst gerade auch im englischen Sprachgebrauch, neben „Fernweh“ und „Wanderlust“, an Popularität. Wir alle spüren es immer mehr, vor allem natürlich seit der Pandemie, die uns über Kontinente hinweg verbindet. Weil es etwas ist, das wir alle zur gleichen Zeit erleben. Und auch wenn es sich scheiße anfühlt, es wird allerhöchste Zeit!
Seit der Pandemie spüren wir den Weltschmerz, der uns alle verbindet
Das Ego hat ausgedient, was jetzt wirklich zählt, ist das WIR. Und mit Wir meine ich uns alle. Alle, die wir so oft vergessen, weil wir denken, dass wir eh nichts für sie tun können. Und alle, die wir verabscheuen, weil wir ihnen die Schuld zuschreiben an den Zuständen unserer Welt (*cough* millionaires, I’m looking at you *cough*).
Worauf ich eigentlich hinaus will: Mach’ dich nicht verrückt! Atme einmal tief ein und aus. Genau jetzt. Schau dich um. Versuch dich, auf die Dinge zu konzentrieren, für die du dankbar bist. (Glaub mir, wenn du in der Position bist, das hier zu lesen, dann gibt’s da ne Menge!)
Lausche ab und zu deinen eigenen Gedanken. Egal ob sie positiv oder negativ sind. Wenn du dich mal scheiße fühlst, fühl dich scheiße! Schrei es raus, wenn’s sein muss. Heul’ mal wieder richtig drauf los! Und wenn du dich gut fühlst, genieße es. Nutze es, wenn dir danach ist und wenn nicht, dann fühl es einfach und zwar so richtig! Gib es weiter an jemanden, der sich gerade weniger gut fühlt. Und wenn es nur mit einer Nachricht ist, dass du gerade an ihn*sie denken musstest.
Du musst nicht gleich die ganze Welt retten. Sorry, aber du bist nicht Superwoman und auch nicht Superman. Und nein, Batman bist du auch nicht. Setze einen Fuß vor den anderen und Schritt für Schritt trägst du deinen Teil dazu bei, dass es in Zukunft hoffentlich alles wieder ein bisschen besser wird. Zumindest bis die Aliens kommen, um uns zu retten. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema.
Anm. d. Red.: Wir finden es wichtig, einzelne Perspektiven von Betroffenen und die damit verbundenen Belastungen in der Corona-Pandemie zu zeigen. Wir sind alle auf unsere ganz persönliche Weise betroffen. Die meisten Maßnahmen sind aus unserer Sicht berechtigt und notwenig, um die Pandemie einzudämmen – auch wenn das Einhalten schwerfällt. Alle Artikel zum Thema Corona findest du hier.
Headerbild: isaiah thomas via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!