Landianas Kampf für eine gerechtere Welt: „Als transsexuelle Frau möchte ich mit meinem Partner in Freiheit leben und lieben“

Es ist Mittwochabend und ich wähle auf meinem Bildschirm „zulassen“ aus, als Landiana den Warteraum des Meetings betritt. Ihr langes braunes Haar fällt ihr in weichen Wellen über die Schulter, sie neigt ihren Kopf zur Seite und strahlt mich an. Der virtuelle Raum füllt sich mit Herzlichkeit und unser Gespräch beginnt. 

Landiana (19) stellt sich mir vor: Sie ist transsexuell, lebt in Stuttgart, liebt Mode und Musik. Was sie außerdem ausmacht, ist ihr Background: Sie ist Deutsch-Thai. Ihre Mutter kommt aus dem Nordosten Thailands dicht an der Grenze zu Laos, ihr Vater ist „urschwäbisch“, sagt sie schmunzelnd. Ebenfalls ein Teil von ihr: ihre große Liebe Milad, mit dem sie seit einem Jahr zusammen ist. Am 11. Mai haben sie Jahrestag.

Aufgewachsen ist Landiana in einer Stadt mit rund 30.000 Einwohner:innen. Dass sie schon als Kind skurrile, extravagante Outfits getragen hat, verkraftet so ein Kleinstadtleben eher schlecht als recht. Als Junge mit High Heels in die Schule zu gehen hat sie aber trotzdem gemacht. „Meine Mitschüler:innen waren relativ entspannt“, meint sie, „und es hat mich auch nicht gejuckt, was die anderen gesagt haben“. Zu sich und ihren Bedürfnissen zu stehen war also schon immer Programm im Leben der 19-Jährigen: „Ich möchte in Freiheit leben und die anderen sollen mich so akzeptieren, wie ich bin.“

Ich möchte in Freiheit leben und die anderen sollen mich so akzeptieren, wie ich bin.

Landiana hat das Glück, dass ihre Eltern sie von Anfang an sehr unterstützen. Egal ob als Junge in Frauenkleidung oder als junge Frau, die beginnt, Hormone zu nehmen, um ihrem Selbstbild, der Person, die sie ist, näher zu kommen – ihr zu entsprechen. 

„Ich habe einfach die besten Eltern der Welt“, erzählt sie mir, ihr Kinn schiebt sie dabei stolz nach vorne – sie scheint ein Stück zu wachsen, etwas mehr Fläche in der Kachel auf meinem Bildschirm einzunehmen. 

Das Outing 

Mit sechzehn hat Landiana sich offiziell geoutet, es erst ihrer Mutter, dann ihrem Vater gesagt – zwei Menschen, die ihr immer den Rücken gestärkt haben: „Ich bin ein Mädchen.“

Für ihre Thai-gebürtige Mutter ist Transsexualität Normalität. Sie hat in Thailand selbst viele Freund:innen, die transsexuell sind, in einem Land, das Transsexualität als das Dritte Geschlecht anerkennt. Nicht ohne Grund gibt es dort so viele transsexuelle Menschen wie in keinem anderen Land der Welt. Landiana hat als Kind sehr viel Zeit in Thailand verbracht. Es hat sie bestärkt zu sehen, dass transsexuelle Menschen keine Kuriosität oder Seltenheit, sondern Normalität, ein vollwertiger Teil der Gesellschaft sein können. 

Für ihre Thai-gebürtige Mutter ist Transsexualität Normalität.

Als sie ihrem Vater erzählt, dass sie zwar in dem Körper eines Jungen steckt, sich aber als Mädchen fühlt, ist der wenig verwundert. Er hat es schon geahnt. Aber nicht nur das. Er unterstützt seine – fortan – Tochter, finanziert ihr auch die Hormone, als sie sich vor etwa einen Jahr für eine hormonelle Behandlung entscheidet. 

Retrospektiv sieht Landiana ihr Outing als einen enorm wichtigen Schritt an: „Ich habe gemerkt, dass ich dadurch dann auch endgültig angekommen bin und endgültig akzeptiert wurde.“

Landiana in ihrem Element. Foto: Josi | Mit Redakteurin Nika im Zoom-Interview.
Landiana strahlt die meiste Zeit, während sie mir von ihrem Leben erzählt und ihre Geschichte mit mir teilt. Wir lachen viel, gestikulieren wild. Es gibt aber auch Phasen ihrer Kindheit und Jugend, von denen sie mit ernster Stimme berichtet – von schmerzhaften Erfahrungen, die tief sitzen. 

Es gibt aber auch Phasen ihrer Kindheit und Jugend, von denen sie mir ernster Stimme berichtet – von schmerzhaften Erfahrungen, die tief sitzen.

In ihrer späten Kindheit erfährt Landiana häusliche Gewalt in der erweiterten Familie. Sie wird nicht akzeptiert, weil sie zu weiblich, zu „weich“ ist. Ihr Bruder interessiert sich für Autos und Motorräder, Landiana mag Lady Gaga und Barbies. Gewalt soll ihr helfen, sich stattdessen stark und „männlich“ zu verhalten, ein richtiger Junge zu sein. Kraft, ihren Weg trotz allem weiter zu gehen, findet sie neben ihren Eltern auch bei ihrer besten Freundin, und in den schönen Künsten. 

Kraftquellen und Inspiration

Landianas Vater ist sehr musikalisch und spielt in einer Band, Landiana selbst spielt Klavier und Gitarre und kann dort ihre Kreativität zum Ausdruck bringen. Die Musik ist ein Medium für ihre Gefühle, ein Teil ihrer Identität und Quelle für Inspiration. 

Landiana schaut bewundernd zu ihren Idolen auf, darunter David Bowie, Lana Del Ray und Lady Gaga. Songtexte geben ihr Kraft: „I’m beautiful in my way – cause I was born this way“, zählt dabei zu einem ihrer absoluten Favoriten. Musik hat sie seit jeher im Leben begleitet und sie stärker und selbstbewusster gemacht, ihr Kraft und Kreativität gespendet. „Musik ist einfach das Beste im Leben“ sagt sie und lächelt selig – natürlich dicht gefolgt von ihrem Milad. 

Songtexte geben ihr Kraft: ‚I’m beautiful in my way – cause I was born this way‘, zählt dabei zu einem ihrer absoluten Favoriten.

Landiana und ihre große Liebe Milad. Foto: Olga Geiger

Körperliches 

Jeder Mensch, der Hormone zur Körperangleichung nimmt, nimmt diese in der Regel für immer und leidet permanent unter Nebenwirkungen. Landiana hat mir ihre Hormonpräparate gezeigt und mir von Müdigkeitserscheinungen und Angstzuständen erzählt. Die sind am Anfang wohl besonders stark, aber man gewöhne sich schon dran. Für mich klingt das nach einem ziemlich hohen Preis, ich kann mir aber auch nicht vorstellen, wie unheimlich groß die Motivation sein muss.

Ihren „Zaubertrick“ nennt Landiana die Präparate. Dank denen wachsen ihre Haare schneller, ihr Gesicht ist schmaler geworden und weibliche Rundungen machen sich, vor allem an der Brust, langsam deutlich bemerkbar. 

Jeder Mensch, der Hormone zur Körperangleichung nimmt, nimmt diese in der Regel für immer und leidet permanent unter Nebenwirkungen.

Ob sie sich für einen operativen Eingriff entscheiden wird, weiß sie noch nicht sicher, aber vermutlich eher nicht. So eine OP ist aufwändig und unwiderruflich. „Für zum Beispiel Bikinis gibt es auch andere Lösungen und zum Glück gibt es hier gar keinen Strand und in Thailand am Strand ist es völlig egal.“ Landiana ist stolz auf ihren Körper und mag es auch, sich von anderen zu unterscheidenden. „Operiert wäre ich einfach eine normale Frau, so bin ich eine besondere Frau.“

Operiert wäre ich einfach eine normale Frau, so bin ich eine besondere Frau.

Und außerdem geht es auch einfach niemanden etwas an. Es ist und bleibt ihre Privatsphäre. Fragen und Unsicherheiten in Bezug auf ihren Körper haben vielmehr etwas mit Unsicherheiten innerhalb der Gesellschaft zu tun und nichts mit ihrem Körper an sich. 

Zukunft: Träume und Visionen

Landiana hat klare Vorstellungen was ihre Zukunft anbelangt. Für sich ganz persönlich, aber auch für sich als transsexueller Mensch innerhalb unserer Gesellschaft. 

Beruflich würde sie sehr gerne etwas mit Kunst und Mode machen: Modedesign zum Beispiel. „Leidenschaft geht vor“, erklärt sie mir und eine Verbindung aus Mode, Performance, Ästhetik und Business wäre da genau das Richtige. Außerdem könnte sie dort ihrer Kreativität freien Lauf lassen und sowohl die schlimmen, als auch die guten Seiten des Lebens abbilden.

Modeln ist Landianas Leidenschaft. Foto: Josi
Allgemein ist es Landiana wichtig, dass Transsexualität endlich wirklich normalisiert wird. „Viele leben in einer Blase, in der sie glauben, die Welt sei offen und voller Akzeptanz“, sagt sie. Dem ist aber nicht so. 

Viele leben in einer Blase, in der sie glauben, die Welt sei offen und voller Akzeptanz.

Immer wieder wird sie mit LGTBQ+-Hass konfrontiert, „schwul“ ist immer noch für viele ein Schimpfwort und die Rechte von LGTBQ+-Menschen schwinden in vielen Ländern wie beispielsweise in Tschechien, Polen oder Ungarn immer weiter. Regenbogenfarben dürfen nicht nur ein Trend sein, da stehen Leben dahinter, Menschen, die jeden Tag für ihre Identität, ihre Daseinsberechtigung kämpfen müssen. 

Es gibt täglich so viele Menschen, die sich outen. Dem gegenüber stehen aber auch etliche, die das aus Angst vor Gewalt und Diskriminierung nicht tun. Das muss sich ändern. Landiana möchte eine Stimme sein für diese Menschen, mit denen sie diese gemeinsame Erfahrung teilt. Sie hofft, eines Tages andere so zu inspirieren, wie ihre Vorbilder sie inspiriert haben – stark und einzigartig Möglichkeiten aufzuzeigen und Mut zu machen. 

Es gibt täglich so viele Menschen, die sich outen. Dem gegenüber stehen aber auch etliche, die das aus Angst vor Gewalt und Diskriminierung nicht tun.

Ihre Transsexualität ist Teil von Landiana, ein Teil, auf den sie sehr stolz ist. Trotzdem würde sie sich wünschen, dass sie nicht nur als die „transsexuelle Frau“ gesehen wird, sondern einfach als eine Frau. Nicht immer einer stigmatisierten Minderheit anzugehören, sondern – vielleicht ein bisschen wie in Thailand – ein Recht darauf zu haben, ein vollwertig anerkannter, respektierter Teil der Gesellschaft zu sein. 

„Tomorrow belong to those who can hear it coming“ ist ebenfalls ein Zitat, das für Landiana eine große Bedeutung hat. Sie hat Visionen, Ziele und Träume. Möchte für eine gerechtere Zukunft kämpfen und sich nicht einschüchtern lassen von Vorurteilen und veralteten Strukturen. Das Wichtigste heute, wofür wir uns einsetzten sollten, findet Landiana, ist die Freiheit. Die Freiheit zu lieben, wen man möchte, und zu sein, wer man wirklich ist.

Mehr von Landiana gibt es auf ihrem Instagramprofil.

Headerfoto: Josi. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

 

Nika liebt das Meer und frischen Wind in ihren Segeln. Besonders angetan haben es ihr außerdem Schweden und das Schreiben über aktuelle Themen, irrwitzige Gedanken und aufrichtige Gefühle, vor allem natürlich für die Redaktion von im gegenteil. An einem perfekten Geburtstag gibt es bei ihr Nudelsuppe von ihrem Opa und Vanillepudding von ihrer Oma.

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