Vereint im Tanz schweben wir im Takt unserer Herzen

Ich fühle mich fehl am Platz, bin ein Eindringling wider Willen. Eigentlich sollte ich mich um diese Zeit bettfertig machen, stattdessen wurde ich dazu genötigt, diesen Hauch von Nichts anzuziehen und die Haare hochzustecken. „Das wird ihm gefallen. Du wirst ihm gefallen.“ Niemand scheint davon überzeugt zu sein, dass ich mir selbst vollkommen genügen mag. Dass es keinen „Er“ braucht. Eine „Sie“ übrigens auch nicht, nur fürs Protokoll.

Unauffällig bewege ich mich Richtung luxuriöser Küchenzeile und lasse mich anschließend in einen der Loungesessel nieder. Mit unbeteiligter Miene halte ich einen Drink in der Hand, checke das Handy und setze alles daran, dass die Mauer nicht eingerissen wird. Mein Schutzwall vor der realen Welt, mit all ihren erdrückenden Problemen.

Fast bemerke ich nicht, wie mir erneut eingeschenkt wird. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, nicht angesprochen zu werden. Keinen Korb verteilen zu müssen. Unwirsch sehe ich hoch und setze zu meiner Standard-Antwort auf unerwünschte Anmachversuche an.

Auf einmal bist da du und eine magnetische Anziehung zwischen uns …

Und dann lege ich eine Vollbremsung hin. Das Funkeln in deinen Augen lässt mir keine andere Wahl. Ich bin gefangen in diesem Augenblick. Unserem Moment. Sekunden, die im Zeitraffer an uns vorbeiziehen. Zwischen uns ein Magnetfeld, das immer stärker auf die Regeln der Physik besteht. Zwei Pole, die sich anziehen. Du und ich.

Meine Mundwinkel heben sich. Du sagst etwas, doch ich kann deine Worte nicht verstehen. Im Grunde genommen ist es egal, was du sagst. Ich nehme nur noch Schwingungen wahr. Vibes, die von tiefer, nicht zu erklärender Verbundenheit erzählen und großes Glück versprechen. Vibes gespickt mit sexuellen Versprechungen, die mich bis in die Zehenspitzen elektrisieren.

Du zeigst auf die improvisierte Tanzfläche und lächelst mich an. Einen Wimpernschlag später stellen wir mein Glas und deine Sektflasche auf einen Beistelltisch.

Mit großen Schritten schreitest du voran und ich folge dir. Erschaudere wohlig, als du nach meiner Hand greifst. Genieße, wie wir miteinander verschmelzen. Eine Einheit bilden, die in einer fließenden Bewegung über das Parkett schwebt. Ich war noch nie eine begnadete Tänzerin, doch du lässt mich gut aussehen. Im Takt unserer Herzen wirbelst du uns von A nach B und wieder zurück.

Ich war noch nie eine begnadete Tänzerin, doch du lässt mich gut aussehen. Im Takt unseres Herzens wirbelst du uns von A nach B und wieder zurück.

Drehung für Drehung fällt Ballast von mir ab. Meine Vergangenheit. Die dunklen Erinnerungen. Es ist wie Fliegen. Schwerelos, mühelos und dem Himmel so nah. Fröhlich lache ich auf, fühle mich in deinen Armen sicher und geborgen. Nach so langer Zeit habe ich endlich mein Zuhause gefunden.

Dich. Teil meiner Selbst, Teil meines Universums.

Wir halten an und du schenkst mir einen dieser wundervollen Augenblicke, in denen die Welt still zu stehen scheint und es nichts Wichtigeres gibt als wir zwei zusammen im Hier und Jetzt. Sachte streichst du an meinen Armen entlang. Dein Atem streift meinen Hals, ehe deine Lippen sich sanft auf meine legen und mich zu neuem Leben erwecken.

„Hey, Schlafmütze. Die Party ist vorbei. Ich habe uns ein Taxi bestellt. Es tut mir so leid, dass er nicht aufgetaucht ist. Komm, hoch mit dir!“ Ich blinzele und halte das Gefühl von eben fest. Ich bin nicht länger allein. Du bist da draußen, irgendwo. Verbunden mit meinem Herzen. Unser Atem und unsere Gedanken sind im Gleichklang. Ich kann es fühlen.

Zwei Pole, die sich anziehen.

Du und ich.

Für immer.

Tanzen und Schreiben. Zwei Leidenschaften, die sich in Veros Texten stets vereinen. Mit drei besuchte sie ihre erste Ballettstunde, mit Mitte zwanzig veröffentlichte sie ihren ersten (Tanz-) Roman. Wer mehr erfahren möchte, kann hier mal vorbeischauen.

Headerbild: Anthony Tran via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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