Starke Schmerzen an der Vulva – Wir müssen dringend über Vulvodynie sprechen

Triggerwarnungen: Depression, Suizidgedanken

 

„Was ist die Vulva?“, hat mich mal ein männlicher Arzt gefragt. Diese Aussage ist symptomatisch für eine Gesellschaft, in der, obwohl in den letzten Jahren die Aufklärung über die weiblichen reproduktiven Organe und Genitalien zugenommen hat, immer noch viel Unwissenheit über das Thema herrscht.

„Was ist die Vulva?“, hat mich mal ein männlicher Arzt gefragt.

Es geht aber nicht nur darum, dass das bereits vorhandene Wissen sich nur schleppend verbreitet hat, sondern auch, dass es noch viel gibt, dass wir über die weibliche reproduktive Organe nicht wissen. Es gibt zahlreiche Krankheiten bei Menschen mit Vulva, wie Endometriose oder Vaginismus, für die noch keine Heilung im klassischen Sinne gefunden wurden und bei denen sowohl die Diagnosefindung, als auch die Behandlung für die Betroffenen sehr frustrierend verlaufen. Über eine solche Krankheit möchte ich heute berichten.

Was ist Vulvodynie?

„Was ist die Vulva?“, hat mich mal ein männlicher Arzt gefragt, als ich ihm erklärt habe, dass ich an Vulvodynie leide. Dies ist ein Sensibilisierungssyndrom, das sich bei mir durch Brennen, Stechen und Jucken in der Vulva äußert. Es klingt nicht so schlimm und es ist leichter, Brennen, Stechen und Jucken zu lesen, als tatsächlich ständiges Brennen, Stechen und Jucken zu erleben. Schmerzen sind nicht intersubjektiv und nicht mit Worten vermittelbar, daher kann ich nur an die Leserin und an den Leser appellieren, sich vorzustellen, in einem ständigen Schmerzzustand zu leben. In diesem Schmerzzustand werden alltägliche Aktivitäten wie Jeans tragen, sitzen, Fahrrad fahren oder Sex haben zu einer Qual.

Alltägliche Aktivitäten wie Jeans tragen, sitzen, Fahrrad fahren oder Sex haben werden zu einer Qual.

In diesem Schmerzzustand stellen wir uns zudem vor, dass übliche Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen die Schmerzen nicht lindern. Vulvodynie ist eine chronische Schmerzkrankheit, bei der übliche Schmerzmittel nichts bringen. Oft ist es so, dass keine physische Ursache für die Schmerzen gefunden wird – namentlich keine Blasenentzündung oder kein Pilz. Dies bedeutet aber nicht, dass die Schmerzen rein psychisch sind oder, dass diese „nur im Kopf“ der Betroffenen existieren.

Ursachen und Behandlung von Vulvodynie

Die Ursachen für Vulvodynie können vielfältig sein und oft hängen auch andere Organe des Körpers damit zusammen. Mögliche Ursachen können eine Histaminintoleranz, eine Pudendusneuralgie, Lichen sclerosus, ein Reizdarm oder ein hypertoner Beckenboden sein, um nur ein paar zu nennen. Die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen – Gynäkologie, Urologie, Neurologie, Gastroenterologie und Psychotherapie – wird daher oft empfohlen.

Oft sehen Betroffene keine Alternative, als viel Geld für Therapien auszugeben, bei denen kein Erfolg garantiert ist.

Die Realität sieht aber leider anders aus: Nur wenige Ärzt:innen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und die, die es tun und multimodale Therapie anbieten, werden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Oft sehen Betroffene keine Alternative, als viel Geld für Therapien auszugeben, bei denen kein Erfolg garantiert ist.

Von der Medizin allein gelassen

Viele Betroffene fühlen sich mit dieser Krankheit allein gelassen und sehen sich gezwungen, selbst viel Geld in Salben und Medikamente reinzustecken, die sie durch eigene Recherche gefunden haben. Dies geschieht aus dem Grund, dass Ärzt:innen oft überfragt sind und keine geeigneten Medikamente verschreiben können. Zusätzlich sind die Wartezeiten bei Fachärzt:innen selbst mit einer Überweisung ziemlich lang. In dieser Zeit leiden die Betroffenen weiter, da der Zugriff auf rezeptfreie Schmerzmittel keine Wirkung aufzeigt.

Leider ist es heutzutage noch so, dass die Behandlung einer Vulvodynie oft zur Eigenverantwortung der betroffenen Person wird.

Leider ist es heutzutage noch so, dass die Behandlung einer Vulvodynie oft zur Eigenverantwortung der betroffenen Person wird. Die Suche nach einem passenden Arzt oder einer passenden Ärztin gestaltet sich frustrierend, langwierig und oft ergebnislos, vor allem für auf dem Land Lebende. Um die Schmerzen zu lindern, recherchieren Erkrankte selbst, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und machen auf eigene Initiative diverse Tests (z.B. zur Histaminintoleranz) ohne ärztliche Unterstützung und Orientierung. Dies kann sehr belastend sein. Und es ist wieder leichter, belastend zu lesen, als belastet zu sein.

Gesellschaftliches Tabuthema

Vulvodynie ist in unserer Gesellschaft leider noch Tabuthema und viele Menschen sind noch überfordert, wenn sie mit Angelegenheiten der Vulva, geschweige denn Krankheiten, konfrontiert werden. Zu dieser Schwierigkeit, mit anderen darüber reden zu können, kommt der einschränkende Charakter der Krankheit dazu. Viele Aktivitäten sind nicht mehr möglich, was zur Isolierung, Depression und Selbstmordgedanken führen kann.

Ich konnte nichts mehr genießen, da die Schmerzen mir immer in den Weg gekommen sind.

Ich selbst hatte mit Selbstmordgedanken zu kämpfen, da ich das Gefühl hatte, dass mein Leben zu Ende war. Ich konnte nichts mehr genießen, da die Schmerzen mir immer in den Weg gekommen sind. Das Leben war für mich ein Lollipop, das aber in Plastik gehüllt war: Ich konnte das Leben nicht schmecken, denn es gab ständig etwas, das mich daran gehindert hat.

Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für Vulvodynie!

Betroffene von Vulvodynie sind nicht nur Patient:innen, sondern auch und vor allem Menschen. Leider fühlen sich viele von ihren Ärzt:innen nicht ernst genommen und finden wenig Verständnis für ihre Schmerzen, sodass das Vertrauen in Ärzt:innen immer weiter sinkt. Mit diesem Beitrag will ich darauf aufmerksam machen, dass Vulvodynie eine schreckliche Krankheit ist. Aber es ist möglich, das Leben vieler Menschen (5-10% aller Frauen sind je nach Studie betroffen), die an Vulvodynie leiden, zu erleichtern. Der erste Schritt ist, eine größere Aufmerksamkeit für die Krankheit zu bekommen.

Der erste Schritt ist, eine größere Aufmerksamkeit für die Krankheit zu bekommen.

Es ist nicht nur wichtig, dass Ärzt:innen mehr über die Krankheit und über eine mögliche Behandlung informiert sind, sondern auch, dass die Öffentlichkeit diese kennt. Somit kann diese dafür sorgen, dass ein breiteres Interesse darüber entsteht und schließlich mehr darüber geforscht wird.

„Was ist die Vulva?“, sollten wir alle uns also fragen. „Was ist die Vulva, was ist Vulvodynie, was ist Vaginismus, was ist Endometriose?“. Denn nur durch wahres Interesse werden wir diese Krankheiten besiegen können.

Quinde ist das Pseudonym einer Autorin, die am liebsten Literatur zu feministischen und gesellschaftskritischen Themen schreibt. Sie fühlt sich am wohlsten mit einem Buch in der Hand, sei es eines, das sie liest, oder eines, das sie schreibt.

Headerfoto: cottonbro studio (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.