Pornosucht – wenn ohne Gangbang nichts mehr geht

„Hi my name is Barbie and today I’m gonna get my ass fucked.“ Froschperspektive. Männer im Kreis um eine junge Schönheit. Wie Tiere, die gleich eine Antilope zerfleischen, die sich willentlich opfert. Pralle Hosen stehen um sie. Dann fängt die Show an. Die Bilder hageln auf mich ein. Ausziehen, Lecken, Blasen, Ficken, Cumshot, Boden, Lecken. Vagina. Gedehnt, gefistet, gefickt. Anal. Aufgerissen, benutzt, abgenutzt. Die Wölfe kennen keine Gnade. Das Finale. Ein junges Reh auf dem Parkett. Sie stolpert und rutscht. Er kommt. Ich komme.

Sexuell aufgeklärt hat mich keiner. Ich habe aber bald eine VHS-Kassette in unserem Wandschrank im Wohnzimmer entdeckt.

Ich erinnere mich noch heute sehr genau an meinen ersten Kontakt mit Pornografie. Damals war das eine Diskette mit einem einzigen Bild drauf. Braunhaarige Schönheit mit prallen Titten vor einer Dschungel Szene. Ich sehe heute noch ihre grünen Augen, wie sie mich lüstern anstarren. Zu der Zeit hatte ich gerade in der Badewanne meiner Oma herausgefunden, dass Shampoo flutscht und aus meinem Penis beim Einschäumen weiße Soße statt schwarzer Kaulquappen kommt. Das hat mich damals echt irritiert. Sexuell aufgeklärt hat mich keiner. Ich habe aber bald eine VHS-Kassette in unserem Wandschrank im Wohnzimmer entdeckt, die meine Mutter in eine schwarze Plastiktüte gewickelt hatte. Seither wusste ich wenigstens, dass der Penis in den Po muss und die weiße Soße ins Gesicht. Damals war ich 12.

Als mein erster Computer nach meiner Kommunion im Zimmer stand, war Filesharing voll im Trend. Die Tore zur Welt der Pornos standen weit offen. Jedes Kilobyte, das ich mit meinem 56k-Modem in stundenlangem Warten heruntergeladen hatte, wurde ungeduldig in der Vorschau vernascht. Abends gab es zum Abschuss noch das Deutsche Sportfernsehen mit der lauwarmen Liebeswerbung und tagsüber haben wir Jungs am Bahnhof in die „Schlüsselloch“ gelinst. Als ich damals die Penthouse-Sammlung meines Onkels im Keller entdeckt habe, war das so, als würde ich einen echten Schatz heben.

Die Mädels in der Schule haben mich nicht wirklich interessiert. Trotzdem waren sie ein großer Bestandteil meiner blühenden Fantasie. Aufgereiht auf einem kleinen Zettel habe ich damals ein Würfelspiel draus gemacht. Auf die Gewinnerin habe ich mir auf dem Klo einen gewichst. Als dann das Internet allmählich schneller wurde und die Downloads nur so flutschten, kannten die Steigerungen keine Limits mehr. Immer öfter hatte ich in der Zeit auch das Gefühl, mich wirklich in die Pornohäschen verliebt zu haben. Amber, Bella, Bobby – euch vergesse ich nie.

Mein erster echter Sex war eine Katastrophe.

Mein erster echter Sex war eine Katastrophe. Die Vorstellung und das Gefühl, was mein Gehirn in über sechs Jahren Hardcore-Konsum antizipierte, hatte mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Unter brutalem Erfolgsdruck und der perfekten Szene im Kopf, fing ich in einer Art Flucht nach vorne an, die Frau zu bearbeiten. Dass mein Schwanz dabei da hängt wie Spaghetti al dente, hatte ich nicht erwartet. Keine zwei Minuten später hat es mich in dieser Silvesternacht ohne Sternregen emotional gesprengt.

Freunde hatte ich damals kaum. Zu der Zeit waren Rocco und Nacho bereits meine besten Kumpels. Von ihnen habe ich die Moves und Stellungen gelernt, die man zum Sex machen braucht. Und sie haben mir zu verstehen gegeben, dass mein Schwanz zu kurz, schief und nicht dick genug ist, um bei Frauen richtig gut anzukommen. Vom Penis-Strecker bis zur Pumpe habe ich bis heute jedes Gerät getestet. Obwohl mein Penis objektiv top ist, kommt er mir trotzdem immer noch zu klein vor. Mein Selbstvertrauen auch.

15 Jahre und viele Einsichten später hat sich das nicht zu 100% geändert. Das Gehirn ist ein furchtbares Ding mit unfassbarer Disziplin. Wie ein guter Dealer kümmert es sich treu darum, mich bei Laune zu halten. Bei Pornografie ist das ein ordentlicher Schuss Dopamin und Melatonin im Nachgang. Glück und Entspannung – was sonst will der Mann? Wie bei einem pawlowschen Hund geht heute noch beim Startton meines Laptops der Speichelfluss los. Jedes Öffnen eines Tabs im Browser ist mit dem Gedanken verbunden, schnell mal „Teen Assfuck“ in Google einzutippen. Nur mal gucken, was da so kommt. Mein Gehirn hat gelernt, was mich schnell glücklich macht und die Regeln in meine neuronalen Bahnen gemeißelt.

Das skurrile? Nur wenige Pornosüchtige fühlen sich süchtig.

Was nach dem Schuss jedoch kommt, ist das Gegenteil von Glück. Scham, Schuld, Depression. Das wahre Leben vermeiden für den flüchtigen Augenblick. Klingt wie Drogen und ist auch so. Das Skurrile? Nur wenige Pornosüchtige fühlen sich süchtig. Das liegt daran, dass die Droge nicht illegal und das Bedürfnis ein natürliches ist. Die Kombination aus Hormon und Instinkt macht die Sache so pervers. Die Wahrheit ist wie bei jeder harten Droge, die abhängig macht. Das High von heute ist das Down von morgen. Darüber reden will kaum ein Mann. Wer damit aufhören will, fühlt sich wie ein Crack-Süchtiger, dem die Pfeife an den Körper gewachsen ist.

Ich hole mir eigentlich keinen auf Statistiken runter, aber die sind schon echt geil: Jede Minute werden online ca. 2 Millionen Sex-Clips angeschaut. 30% aller Anfragen im Internet drehen sich um Pornografie. Hat die Männerwelt ein Problem? Nein, das gehört doch dazu! Genauso wie der Dopaminrausch im Gehirn, der danach dafür sorgt, dass wir das Interesse an unserem Partner verlieren, Frauen wie ein Stück Fleisch behandeln und dann auf der Schlachtbank keinen mehr hochkriegen.

Pornos gibt es doch schon immer? Ja, das stimmt. Genauer gesagt seit den alten Griechen. Jedoch nicht 2 Millionen Clips pro Minute, kein Gangbang, Deepthroat, Humiliation, Bukkake und andere Perversionen. Nicht immer und überall verfügbar. In den 1920ern haben sich Männer auf ein nacktes Bein einen gewichst. Heute muss schon wenigstens ein Gangbang drin sein. Männern, die Härteres gewohnt sind, bleibt nur die Steigerung, um den gleichen Kick zu erlangen. Unser Gehirn braucht immer mehr. Meins brauchte es lange Zeit auch.

Anfangs auf Pornos verzichten ist wie ein Heroinentzug.

Mit Pornosucht aufhören ist wie mit Fresssucht aufhören. Es geht nicht darum, nie mehr etwas zu essen. Es geht darum, gesünder zu essen. Bei Pornos heißt das „gesunde Masturbation“. Mal ganz ohne Video und Fantasie, mal mit schönen, ästhetisch anspruchsvollen Filmen mit Respekt und Leidenschaft für das andere Geschlecht. Anfangs auf Pornos verzichten ist wie ein Heroinentzug und dein Gehirn spielt tatsächlich eine Zeit lang verrückt.

Wenn man jedoch stand hält und eine Weile gesundes Masturbieren betreibt, kommt das Gefühl für den eigenen Körper und die Lust zurück. Früher hätte ich gesagt, dass sich echter Sex nie so gut anfühlen kann, wie ordentlich auf einen Porno zu wichsen. Das kann ich heute nicht mehr bestätigen. Man bekommt mit gesunder Masturbation die geilsten Orgasmen seines Lebens. Mit sich selbst und mit anderen. Und dann wird das Leben so richtig porno.

Dieser Text erschien zuerst auf lvstprinzip.de.

Pascal Gabriel ist Unternehmer, Coach und Gestalttherapeut in München. Nach über 15 Jahren Pornosucht hat er auf seinen eigenen Weg die Pornos besiegt. Sein Wissen über die Sucht teilt in seinem kommenden Buch DOPE – Weg von Pornos, rein in’s porno Leben. Dort fasst er seine Einsichten, den Prozess und die nötige Philosophie auf dem Weg zusammen.

Headerfoto: Sexy Pärchen im Bett via Shutterstock.com! (Sexy-Times-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

1 Comment

  • Hey, mich würde ja mal interessieren ob dieses „NoFap“ hilfreich ist um von den Pornos wegzukommen. Oder ob man einfach „nur“ ohne Pornos masturbieren sollte. Und was ist mit „Erotik-Bilder“? Also Frauen in Bikini und lasziver Pose?

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