Meine Bindungsangst und ich – eine Liebesgeschichte

Nach meiner gescheiterten Beziehung zu meinem Exfreund, in der ich viele Tränen vergossen und meine Stimmbänder sehr auf die Probe gestellt habe, wollte ich endlich einen netten Mann kennenlernen und kein Arschloch mehr daten. Zumindest dachte ich das.

Ganz lange, eigentlich noch bis vor ca. 4 Monaten, habe ich nicht verstanden, warum ich keinen netten Partner finde, warum ich immer nur auf die Bad Guys stehe, warum ich mich in jemanden verknalle, der nichts Ernstes mit mir möchte, und warum ich die, die mich wollen, nicht will. Sobald ich einen Mann kennenlerne (bei einer Party oder über Online-Dating-Plattformen) und interessiert an ihm bin und mir nach der Phase des Kennenlernens vorstellen kann, dass mit ihm mehr als eine Affäre entstehen könnte, will der Mann keine Bindung und möchte nur eine spaßige Zeit mit mir verbringen. Oder aber er ist so ein verkorkstes Arschloch und möchte sich binden, nur um mich dann nach und nach klein zu machen, damit er sich größer fühlt.

Ich habe ich die Entscheidung, ob daraus mehr wird, immer in die Hände des Mannes gelegt.

Meistens laufen meine Affären über ein paar Wochen und Monate (mal intensiver mit jedem Tag Kontakt, mal nicht so intensiv) und verlaufen sich dann wieder. Wenn ich einen Mann will, wenn mir jemand gefällt, wenn ich mich verliebe, habe ich die Entscheidung, ob daraus mehr wird, auch immer in die Hände des Mannes gelegt. Die Männer, denen ich hinterhergelaufen bin, mit denen ich mir den Neujahrskuss an Silvester und einen gemeinsamen Urlaub ausgemalt habe, wollten aber keine ernsthafte Beziehung mit mir.

Was mache ich falsch?

Daraus habe ich geschlossen, dass ich irgendetwas falsch mache, dass ich nicht sexy genug bin, nicht künstlerisch begabt genug, nicht lustig genug – und so mein Selbstbewusstsein ziemlich nach unten gedrückt. Das Ding ist aber, dass nicht er die Entscheidung getroffen hat, dass er speziell mit mir keine Beziehung möchte und deshalb aus uns nichts Ernstes geworden ist.

In dem Moment, als ich mir diesen Typen ausgesucht habe, habe ich mich gegen eine Beziehung entschieden.

In dem Moment, als ich mir diesen Typen ausgesucht habe bzw. auf seinen Flirt angesprungen bin, mich für diesen Mann interessiert habe, habe ich mich gegen eine Beziehung entschieden. Oder, anders gesagt, war ich auf der sicheren Seite und es würde zu keiner Beziehung kommen, ich würde keine ernsthafte Bindung zu einem Mann eingehen. Wie ich jetzt weiß. Und Männer, die eine Beziehung mit mir hätten eingehen wollen, waren mir dann doch zu nett, zu lieb, zu zu zu.

Ich habe mich immer in Männer verknallt, die mir von Anfang an signalisiert haben, dass sie keine Beziehung suchen. Trotz dieser Signale, oder aber genau wegen dieser Signale, habe ich mich jedes Mal hineingestürzt, hatte Schmetterlinge im Bauch, konnte an nichts anderes denken, hatte erhofft, dass wir bald ein Paar werden würden. Ich habe mich von Beginn an, als ich auf seinen Flirt angesprungen bin, gegen eine Beziehung entschieden. Aus meiner Bindungsangst heraus.

Ich habe mich immer in Männer verknallt, die mir von Anfang an signalisiert haben, dass sie keine Beziehung suchen.

Meine Bindungsangst hat dafür gesorgt, dass ich sämtliche Signale der Männer verdrängt habe und (oberflächlich) gehofft hatte, dass aus mir und ihm mehr entstehen würde. Dem war aber nicht so. Weil wir mit Sicherheit auch gar nicht zusammengepasst hätten, weil wir für eine Beziehung überhaupt nicht so harmoniert haben, weil er nicht meinen Wertvorstellungen entsprochen hat. Aber ich habe mich genau deshalb in diese Männer verliebt und konnte die „Schuld“ an meinem Singledasein auf die bösen Männer, die mich ja nicht wollen, schieben.

Gesellschaftsspiel Beziehung

Ich bin 28, habe studiert, eine eigene Wohnung und einen guten Job, aber keinen Freund. Die Gesellschaft und das nähere Umfeld sehen vor allem den letzten Punkt. Du hast zu hohe Ansprüche, du bist zu klug, du stehst nur auf Arschlöcher usw. Das sind die Entschuldigen, die sich die Außenwelt auf dein Single-Dasein zusammenreimt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der von einer Frau erwartet wird, einen Partner zu haben.

Denn wir leben noch in einer Gesellschaft in der von einer Frau erwartet wird, einen Partner zu haben. Kann es aber sein, dass eine Frau Single sein möchte? Dass sie Erfahrungen sammeln möchte, dass sie sich selbst und ihre Bedürfnisse kennen lernen möchte? Die Antwort ist ja, ja, ja! Diese Erkenntnis hatte ich selbst erst vor kurzem.

Ich habe mich mein Leben lang von der Außenwelt beeinflussen lassen, habe meine Einstellung und Wünsche danach gerichtet, was von mir verlangt wurde, was in der Gesellschaft als „normal“ angesehen wird und war nicht mutig genug in mich rein zu hören. Was will eigentlich ich? Und viel wichtiger: Wer bin ich eigentlich?

Was will eigentlich ich? Und viel wichtiger: Wer bin ich eigentlich?

Solange ich keine Beziehung mit mir selbst führe, kann ich auch keine Beziehung mit einer anderen Person führen. Deshalb hat sich die sogenannte Bindungsangst eingeschaltet. Ich war noch nicht bereit für eine ernsthafte Bindung, ich musste zuerst Glaubenssätze und Muster auflösen und mich endlich mit mir und meinen Wünschen beschäftigen. Dazu hat mich meine Bindungsangst, besser gesagt mein Unterbewusstsein, gedrängt.

Was ist Bindungsangst also? Heute würde ich sagen, Bindungsangst ist die Innere Stimme, die dir sagt, dass du noch nicht dazu bereit bist, dich einer anderen Person anzuvertrauen, dich einer anderen Person zu öffnen, weil du selbst noch nicht weißt, wer du eigentlich bist. Bindungsangst ist ein Tool, das unser Unterbewusstsein kreiert um uns zu provozieren, näher hinzuschauen und zu unserem wahren Kern vorzudringen.

Solange ich keine Beziehung mit mir selbst führe, kann ich auch keine Beziehung mit einer anderen Person führen.

Und sobald wir beginnen, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen, bewusst zu sehen welche Interessen, welche guten aber auch schlechten Eigenschaften man hat, worauf man Wert legt, was einem wichtig im Umgang mit der eigenen Person ist, welche sexuellen Vorlieben man hat, wie man als Partner sein möchte und welcher Partner zu einem passt, lernen wir plötzlich keine Arschlöcher und Trophäensammler mehr kennen. Sondern einen netten Mann, der Beziehungspotenzial hat und zu einem passt.

Und es stellt sich heraus, dass die sogenannten Arschlöcher, die sich optisch zu mir hingezogen gefühlt haben und auf Spaß aus waren, eigentlich keine Arschlöcher sind. Ich habe ganz lange nicht gewusst, dass ich noch nicht bereit für eine Bindung war und auch wenn ich das selbst nicht gewusst habe, habe ich das ausgestrahlt und so Männer angezogen, die keine Bindung wollten.

Lea ist always on the bright side of life. Zumindest versuchet sie das. Das Leben ist zu kurz für Energieräuber, „das schaff ich doch eh nie“-Einstellungen, Schwarzmalerei und Hoffnungslosigkeit. Sie ist ein sehr fröhlicher Mensch, philosophiert gerne bei einem (oder mehreren ;)) Glas Wein über den Sinn des Lebens, liebt es, sich auszupowern, isst gern in guter Gesellschaft, aber auch mal gern allein mit einem guten Buch oder in der Natur bei ihrem täglichen Hundespaziergang mit der liebsten Hündin „Alma“ und Musik im Ohr.

Headerfoto: Stockfoto von Elena Helade/Shutterstock. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

2 Comments

  • Ich habe das Thema Bindungsangst auch in die Hand genommen und dazu ein Coaching gemacht. Wie schön, dass dir das bewusst ist. So viele Menschen laufen jahrzehntelang durchs Leben, ohne zu wissen, warum Beziehungen nicht klappen oder nicht erfüllt sind. Ich mag bewusste Menschen wie dich!

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