Kann man Glück kaufen? Woher kommt unser Konsumdruck – und wo führt er hin?

Kaufen und Konsumieren als Therapeutikum? Wer kennt es nicht: ob als Belohnung für einen Erfolg oder als Trost bei Frust. Für Konsum gibt es scheinbar immer einen Grund. Dass man sich aber kein dauerhaftes Glück kaufen kann, wissen wir mittlerweile auch… 

“Ich kauf mir was, Kaufen macht so viel Spaß, ich könnte ständig Kaufen geh’n, Kaufen ist wunderschön”. So lautet der Text eines Songs von Herbert Grönemeyer von – Achtung – 1983! Und mal ganz ehrlich, selbst jemand, der/die das Lied nicht kennt, kann sich doch schon auch in diesen Zeilen wiederfinden oder? Also, ich voll. 

Gerade in der Pandemie habe ich wahnsinnig viel online geshoppt. Viele andere Dinge blieben ja nicht übrig, um mir ein gutes Gefühl zu geben.

Mein großes Laster sind Mode – und Hairstylingtools. Kann ich nichts gegen machen, ich liebe beides. Und ja, um das vorneweg zu sagen, ich habe von beidem sehr viel und hatte großen Spaß daran, diese Dinge zu kaufen. Gerade in der Pandemie habe ich wahnsinnig viel online geshoppt. Viele andere Dinge blieben ja nicht übrig, um mir ein gutes Gefühl zu geben.

Macht immer mehr kaufen auch immer glücklicher?

Aber kann man denn wirklich Glück kaufen? Die Antwort ist ein beherztes: Jein. Kaufen und Konsum regen das Belohnungszentrum in Gehirn an, ähnlich wie Drogen oder Sex. Daher wird Kaufen von vielen Menschen – auch von mir! –  mehr oder weniger unbewusst eingesetzt, um die eigene Stimmung zu regulieren: Ich gönn mir was, wenn es mir schlecht geht, das macht mich wieder glücklich. Oder ich belohne mich, wenn ich etwas geschafft habe, denn ich habe mir das gekaufte Glück verdient. Es wäre gelogen, wenn ich das für mich ausschließen würde.

Sobald der kurze Kick vorbei ist, das Produkt in der Tüte und das Geld auf dem Konto des/der Verkäufer:in – lässt das Glücksgefühl schon bald nach.

Aber das Glück durch Kaufen währt in aller Regel meist nur kurz – das weiß man inzwischen leider auch. Sobald der kurze Kick vorbei ist, das Produkt in der Tüte und das Geld auf dem Konto des/der Verkäufer:in – lässt das Glücksgefühl schon bald nach. Dann müssen wir nachlegen, damit das Glück erhalten bleibt. 

Die Lüge vom Mangel

Der Haken daran ist, dass wir das Meiste von dem, was wir aus dem Impuls heraus kaufen, im Prinzip ja gar nicht brauchen. Warum kaufen wir es dann trotzdem? Tatsächlich scheint das irgendwie evolutionsbedingt zu sein: “Glaubt man Evolutionsbiologen, so liegen die Wurzeln für unsere Kaufrausch-Anfälligkeit in der Menschheitsgeschichte. Möglichst viel zusammenzuraffen war eine Erfolgsstrategie, schließlich war der Engpass lange Zeit der Normalfall. Die Jäger und Sammler mussten zugreifen, wenn sich die Gelegenheit bot; „mehr“ bedeutete eigentlich immer „besser“, denn es sicherte das Überleben”, heißt es in der Zeit.

Glaubt man Evolutionsbiologen, so liegen die Wurzeln für unsere Kaufrausch-Anfälligkeit in der Menschheitsgeschichte.

Das wiederum machen sich Werbeschaffende zunutze. Influencer:innen, Werber:innen und Co. reden uns einen Mangel ein, der ja so gar nicht existiert, um uns Dinge zu verkaufen, die wir in den seltensten Fällen wirklich brauchen: die neue Jacke, obwohl ich schon drei Wintermäntel habe, die neue Tasche (hhhhmm, Taschen) oder das weiß ich nicht wievielte Paar Schuhe. 

Das ist jetzt auch erst einmal nichts Verwerfliches, denn so funktioniert die Werbebranche eben und auch die müssen ihr Geld verdienen. 

Minimalismus als Luxus

Inzwischen gibt es aber auch seit einigen Jahren eine gegenläufige Bewegung: der neue Minimalismus. Bei Instagram sieht man immer mehr Menschen, die in spartanisch (aber teuer!) eingerichteten Wohnungen sitzen und nur wenig (aber teure und schöne)Kleidung besitzen. Ist das besser? Auch hier muss ich als Konsumopfer mit einem Jein antworten. Natürlich ist weniger manchmal mehr, aber auch diesen Minimalismus und die damit einhergehende Fokussierung auf einige wenige Gegenstände muss man sich erst einmal leisten können. 

Natürlich ist weniger manchmal mehr, aber auch diesen Minimalismus und die damit einhergehende Fokussierung auf einige wenige Gegenstände muss man sich erst einmal leisten können. 

Der Neue Minimalismus ist eine genauso privilegierte Position wie überbordendes Kaufen und Konsumieren. Denn nur, weil man weniger kauft, heißt das nicht zwangsläufig, dass man auch weniger Geld ausgibt. Fünf T-Shirts für je 70 Euro sind nicht für jede:n die wirtschaftlichere Entscheidung. 

Warum sollte man sich nur fünf T-Shirts für 350 Euro kaufen, wenn man sich auch fünf wesentlich günstigere Shirts für 50 Euro kaufen kann? Oder eben 35 Shirts für 350 Euro? Und nicht immer sind die teuren Sachen unter besseren Bedingungen hergestellt als die Günstigen. 

Die Konsequenzen vom gekauften Glück

Aber natürlich hat unser Kauf- und Konsumverhalten auch weiterreichende Auswirkungen als nur die Einflussnahme auf unseren Kontostand. Durch unseren Konsum von Fast Fashion beispielsweise unterstützen wir die Ausbeutung von Menschen und Kindern in ärmeren Ländern. Verpackungen und anderes Plastikgedöns schwimmt im Meer herum verschmutzt den Lebensraum von zig Millionen Tieren im Meer – und auch an Land. 

Globale Transporte über Land, Luft und Wasser lassen die CO2-Emissionen im wahrsten Sinne in den Himmel schießen und sorgen für den rasant voranschreitenden Klimawandel. Da nützen auch das Verkaufen von ausrangierten Klamotten auf Vinted und Co. oder Kleiderspenden an Geflüchtete nicht viel. Vor allen Dingen nicht, wenn man das Geld dann wieder in neue Klamotten steckt – been there, done that, too. 

Das sind die Kehrseiten unseres gekauften Glücks. Ja, das zu hören, macht keinen Spaß. Aber Fakt ist: Diese Konsequenzen sind da, sie sind real und sie wachsen uns nicht erst seit gestern über den Kopf.

Das sind die Kehrseiten unseres gekauften Glücks. Ja, das zu hören, macht keinen Spaß. Ich weiß das, auch ich ignoriere das leider manchmal und kaufe trotzdem. Aber Fakt ist: Diese Konsequenzen sind da, sie sind real und sie wachsen uns nicht erst seit gestern über den Kopf. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir in Zukunft genauer hinsehen, was wir kaufen. 

Reduce, Reuse, Recycle

Es ist an der Zeit, unsere Kauf- und Konsumentscheidungen bewusster zu tätigen und uns wirklich ernsthaft zu fragen: Brauche ich das oder will ich das gerade einfach nur haben? Hab ich nicht vielleicht schon so etwas Ähnliches? Muss das wirklich ersetzt werden oder ist das noch gut? Kann ich das, was ich gerne hätte, vielleicht irgendwo gebraucht kaufen? Dann wäre das nämlich zumindest schon einmal im Umlauf und es kommt nichts Neues dazu. 

Neues zu kaufen ist jetzt erstmal per se nichts Schlechtes, aber wir sollten aufhören, unsere Stimmung damit zu regulieren.

Neues zu kaufen ist jetzt erstmal per se nichts Schlechtes, aber wir sollten aufhören, unsere Stimmung damit zu regulieren. Denn das Glück durch Kaufen und Konsum hat nur eine geringe Halbwertszeit, aber die Auswirkungen sind langfristig schädlich für viele Menschen und die Umwelt. Und wenn man sich das vor Augen hält, machen schnelles Kaufen und allzu starker Konsum nicht mehr ganz so glücklich.

Headerfoto: Ron Lach (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

LINDA hat an Heiligabend Geburtstag, kommt aus dem Rheinland, ist aber im Herzen Hamburgerin. Sie hat Literatur in Bonn und Hamburg studiert und mit einer Arbeit über die Liebe abgeschlossen. Für die Liebe ist sie auch nach Berlin gezogen. Bei im gegenteil liest sie deswegen auch Liebesbriefe und sorgt dafür, dass diese hübsch gemacht sind für dieses Internetz.

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