„Bio ist mir zu teuer“: Warum euer Kaufverhalten viel mehr mit Prioritäten als mit dem Preis zu tun hat

Bio ist dir nicht zu teuer, es ist dir nicht so wichtig. Und deshalb steht es auf deiner Prioritätenliste weit unten, sodass ganz viel anderes VOR bio kommt und deshalb am Ende nur noch Geld für die billige Discounterwurst übrig ist.

Okay. Wow. Pauschalisierend, vage. Irgendwie nicht ganz korrekt und bitterböse. Gebe ich zu. Deswegen bitte weiterlesen. Ich führe es aus.

Es ist so. Ich bin wütend. Wütend darüber, dass sich der Verantwortung für persönliche Entscheidungen entzogen wird. Ich halte es nicht mehr aus, gutheißen zu müssen, wenn Menschen sich drücken vor den Themen, die uns alle angehen, zum Beispiel dem Klimawandel.

Eigentlich müssten wir im Anbetracht der Lage endlich von Klimakatastrophe sprechen. Von Wandel zu sprechen ist eigentlich geschmacklos. Alles wandelt sich. Das relativiert den Ernst der Lage.

Eigentlich müssten wir im Anbetracht der Lage endlich von Klimakatastrophe sprechen. Denn so sieht es aus. Von „Wandel“ zu sprechen ist eigentlich geschmacklos. Alles wandelt sich. Das relativiert den Ernst der Lage. Eine sich wandelnde Zeit, wandelnde Trends. Die Thematik des Klimas kann nicht in dieser Kategorie miteinsortiert vor sich hinschlummern. Nennen wir das Kind beim Namen! Die Klimakatastrophe äußert sich bereits jetzt.

Und die konventionelle Landwirtschaft trägt ihren großen Teil dazu bei. Vergiftete Böden durch chemisch-synthetische Pestizide wie Glyphosat. Artensterben. Massentierhaltung. Monokulturen – ausgelaugte Böden.

Es geht mir um diese ätzende Gleichgültigkeit, hinter der sich eigentlich die Unsicherheit verbirgt, Verantwortung für eigene Entscheidungen und das jeweilige Handeln zu übernehmen.

Es liegt nicht am Preis, sondern an deinen persönlichen Entscheidungen.

Ich möchte eines direkt klarstellen: Ich richte mich hiermit nicht an Menschen, die sich wirklich keine ökologisch produzierten Lebensmittel leisten können. Es geht mir um all die, die in ihrer privilegierten Blase über den nächsten Australientrip nachdenken oder sich mit Entscheidungsproblemen bezüglich der Wahl ihres neuen Smartphones herumschlagen und überhaupt nicht bemerken, was sie mit „Bio ist mir zu teuer“ eigentlich sagen.

Und ich möchte niemanden für seine persönlichen Entscheidungen verurteilen. Jede:r hat seine:ihre individuelle Entscheidungsfreiheit. Und das ist natürlich auch gut so!

Das suggeriert, dass bio A) (zu) teuer wäre und B), dass du es dir nicht leisten könntest. Fakt ist aber, dass du es dir wahrscheinlich nicht leisten willst.

Es geht mir einfach nur darum, sich bewusst zu machen, dass wir mit den Entscheidungen, die wir treffen, automatisch Prioritäten setzen. Und ich finde, zu diesen Prioritäten sollten wir dann auch stehen. Und eben nicht in der Familie, im Freundeskreis oder bei der Arbeit unter Kolleg:innen die Realität verdrehen aka „Bio ist mir zu teuer“.

Das suggeriert nämlich, dass bio A) (zu) teuer wäre und B), dass du es dir nicht leisten könntest. Fakt ist aber, dass du es dir wahrscheinlich nicht leisten willst. Das verurteile ich nicht, auch ich treffe Entscheidungen, die moralisch gesehen aus den Augen anderer betrachtet sicher nicht immer ethisch zu vertreten sind.

Das ist menschlich. Das ist okay. Aber entscheidend ist, zu getroffenen Entscheidungen zu stehen, weil sonst Realitäten verdreht werden und dazu beigetragen wird, dass sich diese verdrehten Realitäten in immer mehr Köpfen festsetzen.

Ein bisschen mehr Ehrlichkeit mit dir selbst, bitte.

Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Die verdrehte Realität ist hier, dass die Aussage „Bio ist mir zu teuer“ in keiner Relation zu den tatsächlichen Preisen ökologisch produzierter Lebensmittel steht. Es ist lediglich eine Frage der Priorisierung, da es auf die Perspektive ankommt. Mit einem Einkommen, welches es einem möglich macht, weit über die Grundbedürfnisse hinaus über Geld zu verfügen, ist es mehr als absurd zu meinen, dass bio nicht bezahlbar wäre.

Ich möchte hiermit meine Wut in ein Plädoyer zu mehr Mut verwandeln.

Dann sagt auch: „Bio ist mir nicht so wichtig.“ Oder: „Bio einzukaufen ist nicht meine Priorität.“

Traut euch; habt den Mut, eurer eigenen Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Wenn euch etwas stört, dann sagt dies und pflichtet anderen Menschen nicht bei, nur damit sie sich besser fühlen. Auch, wenn es die:der beste Freund:in ist. Und seid mutig, euch eurer Prioritäten bewusst zu werden, sie euch vor Augen zu führen und dies dann nach außen auch klar zu vertreten.

Dann sagt auch: „Bio ist mir nicht so wichtig.“ Oder: „Bio einzukaufen ist nicht meine Priorität.“ Aber es passt nicht zusammen, sich über den schlechten Zustand der Erde zu beklagen und sich Sorgen über die Zukunft der nächsten Generationen zu machen und auf der anderen Seite zu sagen, dass bio zu teuer wäre.

Individuelles Kaufverhalten zählt mehr als viele denken!

Ja, bio hat seinen Preis. Und oftmals ist es im Vergleich zu konventionellen Produkten höherpreisig. Und warum ist das so? Weil konventionelle Landwirtschaft immer noch subventioniert wird. Es ist also vor allem auch ein politisches Thema. Aber wenn bio von Verbraucher:innen nicht endlich mehr nachgefragt wird, scheint es für Politiker:innen auch keinen Anlass zu geben, dies zu ändern.

Veränderung von unten nach oben ist durch individuelles Kaufverhalten möglich. Nur dass Menschen, die sich bio wirklich nicht leisten können, bei dieser Veränderung nicht mitwirken können. Es kommt also gerade auf die Menschen an, die es sich theoretisch leisten können!

Obendrein ist eine solche Aussage Menschen gegenüber, die sich bio nicht leisten können also auch ignorant und arrogant. Menschen, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, haben überhaupt nicht den Entscheidungsspielraum, ob sie bio einkaufen möchten oder nicht. Diese Frage stellt sich für sie schlichtweg nicht. Für sie ist bio tatsächlich zu teuer.

Lasst uns nicht gleichgültig mit unserer Zukunft umgehen. Lasst uns achtsam miteinander leben, immer wieder in Austausch miteinander kommen.

Es liegt an all den Menschen, die sich keine Sorgen darüber machen müssen, ob sie ihre Miete nächsten Monat noch bezahlen können, oder ob sie sich eine warme Winterjacke leisten können. All diejenigen, die keine Existenzprobleme haben, sondern eher Luxusprobleme, wie: „Oh, mit der Sauna und dem Pool im Garten haben wir uns leider doch ein bisschen verkalkuliert. Diesen Monat müssen wir mal ein bisschen sparen. An Weihnachten gibt’s dieses Jahr einfach mal ein bisschen weniger als sonst.“

Lasst uns nicht gleichgültig mit unserer Zukunft umgehen. Lasst uns achtsam miteinander leben, immer wieder in Austausch miteinander kommen. Jede:r kann seinen:ihren Beitrag leisten. Ein klein wenig Verantwortung übernehmen. Die Grenzen eines:r jeden achten, aber dennoch Klartext reden zu dürfen, ist so wichtig.

Unbequem sein, den Finger auch mal in die Wunde halten. Wenn wir nur lieb und nett alles abnicken, nehmen wir anderen Menschen und letztendlich auch uns selbst die Chance, über uns hinauszuwachsen.

Und nur, wenn wir uns damit auseinandersetzen, wofür wir stehen und wofür wir stehen wollen, können wir im Austausch mit anderen auch immer wieder dazu kommen, unsere Meinungen und Entscheidungen und damit einhergehenden Prioritätensetzungen zu überdenken und zu ändern.

Zum Schluss an dieser Stelle noch ein passendes Statement von der Biolebensmittelmarke Sonnentor: „Bio kostet vielleicht ein paar Cent mehr, dafür kostet es uns nicht die Welt.“

Chiara ist 23 Jahre alt und studiert Soziale Arbeit in Köln. Sie ist ein absolutes Energiebündel und lässt sich für so ziemlich alles begeistern, was nach Fortschritt für ein „gutes Leben für alle“ klingt. Wenn sie nicht gerade mit ihren Lieblingsmenschen über Gott und die Welt philosophiert, schreibt sie leidenschaftlich gern Prosa, tanzt, oder steckt ihre Nase in verstaubte oder brandaktuelle Literatur, je nachdem.

Headerfoto: Joshua Rawson-Harris via Unsplash. („Heal the World“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

 

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