Bierbauch-Body-Positivity, Politik auf Instagram und prickelnde Erotik | Ein Gespräch mit Robert Lindemann

Als ich mich in unser Zoom-Meeting einwähle, ist Robert Lindemann bereits da. Sehen kann ich ihn noch nicht, dafür aber die vielen schönen Zimmerpflanzen im Hintergrund, die ich ausgiebig bewundere. Mit einem gut gelaunten „Moin!“ begrüßt mich Robert schließlich und zeigt mir, noch bevor ich ihn auf seinen coolen, hellblauen Nagellack ansprechen kann, seine Avocadopflanze auf der anderen Zimmerseite. Er erklärt mir, dass Avocadopflanzen nach 15 Jahren zum ersten Mal Früchte tragen. Seine Pflanzen wird das vermutlich nicht tun, sinnieren wir kurz – schon zwei Avocados verbrauchen nämlich leider 1000 Liter Wasser. Schön aussehen tut die Pflanze aber, finde ich. 

Robert ist stets in Bewegung, gestikuliert, lacht. 

Robert ist stets in Bewegung, er spielt mit seinem Kugelschreiber, gestikuliert, lacht, dreht sich auf dem Stuhl. Ich habe sofort das Gefühl, dass wir ein sehr lebhaftes Gespräch führen werden. Mit Robert zu sprechen, fühlt sich dynamisch und natürlich an, fast so, als würde er mir wirklich gegenübersitzen. 

Schnauzer, Vokuhila und Nagellack

Robert Lindemann fällt auf: Er zeigt sich oft fast nackt auf Instagram – und ist dabei nicht-normschön. Was ihn ja irgendwie umso schöner macht. Robert ist so Typ 80er Jahre, zumindest, was sein Äußeres betrifft. Als solcher wird er auch regelmäßig als Schauspieler für Werbespots gebucht. Er trägt einen kleinen Schnauzer und Vokuhila, zu dem ihn damals seine Ex-Freundin überredete – eine Idee, von der sein Friseur zunächst überhaupt nicht begeistert war. Der hatte sich nämlich geschworen, niemals irgendjemandem einen Vokuhila zu schneiden. „Aber er hat es getan?“, frage ich. „Er hat es getan“, bestätigt mir Robert, der seinen Style mittlerweile richtig gerne mag und auch gar nicht wüsste, wie er seine Haare sonst tragen sollte. 

Heute passe die Farbe seiner Nägel eher nicht so zum Outfit, aber eigentlich achte er immer darauf. 

Als ich ihn endlich auf seinen hellblauen Nagellack anspreche, erzählt er mir, dass er sich noch gar nicht lange die Nägel lackiere, aber auch, dass es ihm richtig gut gefalle. Heute passe die Farbe eher nicht so zum Outfit, aber eigentlich wolle er immer darauf achten, dass Nägel und Kleidung farblich zusammenpassen. Das ist wahres Commitment, das ich nur bewundern kann! 

Mit Chefredakteurin Amelie im Zoom-Interview.

Who is Robert Lindemann? 

Ich kenne Robert Lindemann noch nicht allzu lange, aber meine im gegenteil-Kollegin Anni hat sich vor ein paar Monaten schockverliebt, als sie ihn auf Instagram entdeckte – und hat den Rest des Teams damit angesteckt. Auf Instagram macht Robert Comedy und teilt politische Inhalte „auf einer Metaebene“, wie er es später formulieren wird. Aber Robert macht noch viel mehr: Er ist Videograf, Fotograf, Schauspieler, Podcaster und Erotik-Kalendermodel. Ich will von Robert wissen, wie er sich selbst bezeichnen würde, und ob er sich als Influencer sieht. 

„Ich bin gerade noch in einer Findungsphase.“

„Ich bin gerade noch in einer Findungsphase“, erklärt er mir mit einem Grinsen und ich kann das sehr gut nachvollziehen. Aber er habe schon immer gewusst, dass er lieber vor als hinter der Kamera stehe. „Ich war früher schon auch der Klassenclown, der viel Aufmerksamkeit bekommen hat“, fügt er hinzu, und ich muss lachen, denn genau den Eindruck habe ich in den ersten fünf Minuten unseres Gesprächs bereits bekommen. Influencer sei er aber keiner, vielleicht höchstens ein „Mikro-Influencer“. Positiv beeinflussen tut er die über 23 000 Menschen, die ihm auf Instagram folgen, mit seinen Inhalten nämlich durchaus. 

„Als weißer cis-Mann bin ich von Rassismus nicht betroffen, aber ich fühle Betroffenheit.“

Schließlich thematisiert Robert immer wieder Politisches auf überspitzte und lustige Art. „Auf jeden Fall bin ich politisch“, bestätigt er mir. „Manche Themen sind aber so komplex, da täte es uns allen mal gut, eine Nacht darüber zu schlafen, bevor wir dazu etwas posten“, meint Robert. Andere Themen hingegen scheinen ihn so zu beschäftigen, dass er sich unbedingt dazu positionieren möchte. Er sehe da eine gewisse Verantwortung. „Als weißer cis-Mann bin ich von Rassismus nicht betroffen, aber ich fühle Betroffenheit“, begründet er, warum ihm so wichtig ist, sich gegen Rassismus, Polizeigewalt und Verschwörungsglaube auszusprechen. 

Foto: Deichbrand/ Chap Chaplin

Männlichkeit, Körperbild und Vorbilder 

Weil ich für im gegenteil schon viel über Männlichkeit geschrieben habe – und Robert ein ziemlich cooler Mann zu sein scheint, möchte ich unbedingt auch mit ihm darüber sprechen. Robert erzählt mir, dass er von Frauen großgezogen wurde. Seine Eltern trennten sich früh und er wuchs mit seiner Mutter, Tante und Cousine auf – das habe ihn in seinem Menschen-, Männer- und Frauenbild durchaus sehr geprägt. Junge Männer brauchen unbedingt mehr gesunde Vorbilder, finde ich, und es ist richtig cool, zu hören, dass Roberts Vorbilder unter anderem die großartigen Frauen in seinem Leben sind. Sieht sich Robert Lindemann selbst als Vorbild, besonders für andere Männer? 

Was Roberts Einstellung zu seinem Körper angeht, ist er ein absolutes Vorbild – auch für mich als Frau. 

„Ich glaube, ich könnte ein Vorbild sein, aber ich weiß gar nicht, ob ich das will.“ Damit gehe ja besonders auf Social Media viel Verantwortung einher, auch er verhalte sich schließlich mal weniger vorbildlich. Zumindest, was Roberts Einstellung und Umgang mit seinem Körper angeht, ist er ein echt gutes Vorbild – auch für mich als Frau. 

„Ich fühle mich einfach wohl in meinem Körper und mag meinen Bierbauch richtig gerne.“

„Ich fühle mich einfach wohl in meinem Körper und mag meinen Bierbauch richtig gerne. Klar denke ich manchmal, er könnte ein bisschen weniger sein, aber ich würde ihn nicht missen wollen.“ Aus diesem Grund hat Robert ursprünglich damit angefangen, sich freizügiger auf Social Media zu zeigen. Erst später sei „dieser Body Positivity-Aspekt“ dazu gekommen, der Wunsch, andere zu ermutigen, sich doch auch einfach so zu zeigen, wie sie sind. Er denke aber auch, als Mann sei es leichter, sich in einem nicht-normschönen Körper fast nackt zu präsentieren. Ich stimme ihm zu – und trotzdem gibt es nur sehr wenige Männer, die diesen Schritt überhaupt gehen. 

Prickelnde Erotik mit Robert Lindemann

Umso wichtiger, dass Robert Lindemann das macht, was er macht. Er scheint sich leicht bekleidet so wohl zu fühlen, dass er sich bereits zum vierten Mal für seinen Jahreskalender erotisch ablichten ließ. Er greift neben sich und gibt mir einen ersten kleinen Einblick in die neueste Ausgabe für das Jahr 2023. Der Robert Lindemann Erotik-Kalender ist Roberts Herzensprojekt, zu dem es eher durch Zufall kam: Bei Film- oder Videoaufnahmen sei er manchmal als Lichtdouble eingesprungen und schon bald machte er sich dann mit Fotograf:innen einen Spaß daraus, erotische Aufnahmen von sich zu machen. Ganz nackt würde Robert sich aber nicht zeigen wollen. 

Ganz nackt würde Robert sich nicht zeigen wollen.

Der erste Kalender war nur als Geschenk für Familie, Freund:innen und Kund:innen gedacht gewesen. Doch auf die Nachfrage seiner Instagram-Community hin, bot er die nächsten Kalender in seinem Shop zum Verkauf an, wobei er stets einen Teil der Einnahmen spendet. Das Feedback darauf ist fast durchweg positiv – so positiv, dass er heute mit einem professionellen Vertrieb arbeitet. Die wenigen negativen Rückmeldungen seien Nachrichten von Männern, die sich wohl mit Abbildungen eines nackten Mannes unwohl fühlten. Vielleicht schwingt da aber auch ein wenig Neid mit – schließlich schafft es Robert, einer neuen Männlichkeit Sichtbarkeit zu verleihen und macht damit dieses Instagram und diese Welt ein ganzes Stückchen besser. 

Vielen Dank für deine Zeit und unser schönes Gespräch, Robert Lindemann! 

Fotos: Verena Knemeyer

Falls du auch Lust auf Roberts prickelnde Erotik auf 14 DIN A4 Seiten hast und eine gute Sache unterstützen möchtest, findest du seinen Kalender für 2023 hier im Shop. Er hat dafür mit sechs verschiedenen Fotograf:innen in fünf Ländern zusammengearbeitet – und was sollen wir sagen? Es hat sich absolut gelohnt! (reine Freundschaftswerbung)

Headerfoto: Patrick Schwalb (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

Amelie Fischer (sie/ihr) sieht das Politische in den ganz großen und den ganz kleinen Dingen. Sie spricht und schreibt am liebsten über globale Ungerechtigkeiten, Machtstrukturen, intersektionalen Feminismus und die Liebe, immer die Liebe. Um ein wenig Leichtigkeit in den Weltschmerz zu bringen, den sie oft fühlt, liest sie für ihr Leben gerne Romance Novels. Aber nur zu Recherchezwecken, versteht sich! Denn auch die Liebe ist höchstpolitisch. Mehr von Amelie gibt es auf Instagram.

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