Ich bin nicht die stereotype Umweltaktivistin. Ich gehe selten auf Demos, weil mich große Menschenansammlungen zuweilen ängstigen. In Diskussionen vertrete ich meine Meinung und bin trotzdem manchmal konfliktscheu, wenn es ans Eingemachte geht. Ich lebe seit fast vier Jahren zero waste, das heißt, möglichst ohne Plastikmüll und ressourcenschonend. Seit einem Jahr kann ich von diesem einstigen Hobby sogar leben.
Mit Zero Waste Your Life organisiere ich Bildungsangebote für unterschiedliche Menschen und berate Unternehmen und Event-Organisator*innen zu den Themen Zero Waste und Circular Economy. Den Anschub dafür gaben mir unter anderem Programme der EU. Doch darum soll es in diesem Text nicht gehen.
Ich bin nur bedingt politisch aktiv, zumindest nicht in einer Partei. Trotzdem – oder gerade deshalb – gehe ich am 26. Mai wählen. Meine Lieblings-Vorzeige-Klimaschutzaktivistin und Zero-Waste-Girlcrush Milena Glimbowski hat die Motivation dafür neulich gut auf den Punkt gebracht: „Warum ich wähle? Weil das der einfachste und größte Hebel für jede*n Europäer*in ist, was zu ändern.“ Recht hat sie!
Warum ich wähle? Weil das der einfachste und größte Hebel für jede*n Europäer*in ist, was zu ändern.
Wenn ich mit Menschen über meine Abfallvermeidungsbemühungen spreche, kommentieren sie oft: „Was kann ich als einzelne Person schon ändern?“ Meine Antwort lautet dann immer: „eine ganze Menge.“ Wir alle haben als konsumierende Menschen und Bürger*innen dieses Landes, dieser Wirtschaftsregion, dieser Welt einen direkten und indirekten Einfluss auf Politik und Wirtschaft. Unsere Konsum- und Nicht-Konsum-Entscheidungen sind ein Statement. Die Nachfrage reguliert mittelfristig das Angebot – im Supermarkt wie auch in der Politik.
Entscheide ich mich für Plastikstrohhalme im Glas und somit auch in den Ozeanen oder für umweltfreundliche Alternativen? Wähle ich Rassismus und irrationalen Hass oder Weltoffenheit und Bereitschaft für Wandel und Kooperation? Unsere Stimmen zählen.
2014, bei der letzten Europawahl, lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei geringen 43,1 Prozent. Am niedrigsten war die Quote mit 35,3 Prozent bei den 21- bis 24-Jährigen. Dabei sind das die Menschen, die rechnerisch noch am längsten auf diesem Planeten leben werden.
2014 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei geringen 35,3 Prozent bei den 21- bis 24-Jährigen. Dabei sind das die Menschen, die noch am längsten auf diesem Planeten leben werden.
Ich habe den Eindruck, die Europäische Union ist für viele – nicht nur junge – Menschen ein schwer greifbares Konstrukt. Brüssel ist weit weg und die oft recht steif von den Wahlplakaten grinsenden Gesichter erwecken bei den wenigsten persönliche Sympathien. Dabei ist die EU mehr als irgendein Parlament im Ursprungsland der Fritten. Sie ist auch die größte direktgewählte, überstaatliche Versammlung der Welt – die Bürger*innenvertretung der Menschen auf diesem Kontinent. How cool is that?
Wer sich online, privat, auf Demos oder sonst wo über den Status Quo dieser Gesellschaft echauffiert, hat nur eine echte Wahl: wählen gehen. Geht ins Wahllokal oder schickt noch bis zum 24. Mai eure Briefwahlunterlagen (die könnt ihr hier mit drei Klicks online beantragen) ab. Egal, auf welchem Weg: Wählt.
Egal, auf welchem Weg: Wählt.
Falls es euch noch nicht bewusst war: Die Europäische Union kann mehr als ihr denkt. Sie ermöglicht mit dem Erasmus-Programm jährlich mehreren hundertausenden Menschen – Studierenden, Auszubildenden, Jugendlichen und Erwachsenen – wertvolle Auslandsaufenthalte.
Als langjährige Trainerin für interkulturelle Kompetenz weiß ich: Die Begegnung und der Austausch mit Menschen unterschiedlicher Herkunft ist der Schlüssel für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft und für die Förderung starker Persönlichkeiten.
Die EU kann noch mehr: Sie hat – und auch das ist vielen nicht bewusst – Einfluss auf fast all unsere Lebensbereiche. Sie reguliert die gute Trinkwasserqualität und sorgt für Datensicherheit in ihren Mitgliedsstaaten. Mit großen Summen werden Landwirtschaft, Kunst, Kultur, Bildung und Forschung gefördert. Es kommt noch besser: Mit Richtlinien wie jener gegen Einwegplastik; sagt sie dem jährlich rund 26 Millionen Tonnen schwerem Plastikmüllberg den Kampf an.
Es liegt an jeder*m Einzelnen von uns, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt ein Zeichen an Politik und Wirtschaft zu senden.
Knapp 40 Prozent aller Gesetze in Deutschland haben ihren Ursprung in der EU. Wer möchte, dass sich gesellschaftspolitisch und in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Naturschutz in dieser Region und weltweit etwas tut, kann sich am 26. Mai dafür stark machen.
Es liegt an jeder*m Einzelnen von uns, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung zu nehmen, das heißt im Kleinen unnötige Verpackungsmaterialien abzulehnen und ein Zeichen an Politik und Wirtschaft zu senden.
Vor allem bedeutet Verantwortung zu übernehmen, die Chancen der Europäischen Gemeinschaft zu erkennen: Freizügigkeit und gemeinsame Wirtschaftsräume, gemeinsame Lösungen finden für weltweite Migrationsbewegungen und die Umweltkrise. Das klingt nicht nur einfach – es ist auch so. Wer die Gesellschaft und die Welt, in der wir leben, mitgestalten will, geht am 26. Mai wählen.