Von der Angst, nicht geliebt zu werden

Sie hüpft freudestrahlend durch das Zimmer, geht zum Fenster und schaut zu der Stelle, an dem gerade noch sein Auto stand. Sie konnte es kaum glauben: Sie hatten sich geküsst. Dass er direkt mehr wollte, hätte sie ahnen lassen müssen, in welche Richtung ihre Geschichte gehen würde. Aber sie konnte nicht anders, sie dachte nur an diesen einen schönen Moment, der in ihrem Kopf zu so viel mehr führen würde.

Sie dachte nicht daran, dass sie fast fünf Monate später in ihrem Auto sitzen könnte, mit Tränen überströmt. Der Verursacher dieser Tränen war nicht der besagte Typ, dessen Auto zuvor nur ein paar Meter entfernt gestanden hatte. Die Ursache für ihre Tränen fand sie bei sich. Sie war nämlich nicht wütend und enttäuscht von diesem Typen, dessen Absichten von vornherein klar waren. Sie war wütend auf sich und auf ihren Kopf, der sich ausmalte wie der besagte Typ eine Spielküche aus Holz für ihre gemeinsamen Kinder bauen würde.

Sie war sauer, weil sie bis zu diesem Heulkrampf nicht einsehen konnte oder wollte, dass es niemals eine gemeinsame Zukunft für sie beide geben würde.

Sie hasste sich dafür, dass dieser Typ ihr so naheging. Dass sie sich so lange hatte einbilden können, dass der Typ Gefühle für sie entwickeln würde.

Wie konnte ihr Kopf das zulassen? Warum hatte sie so hohe Erwartungen an sich selbst? Sie hasste sich dafür, dass dieser Typ ihr so naheging. Dass sie sich so lange hatte einbilden können, dass der Typ Gefühle für sie entwickeln würde. Dass ihre Seele sie nicht gewarnt hatte und vor allem, dass sie das alles zuließ. Dass sie zuließ, dass sich der Typ nur bei ihr meldete, wenn er Sex wollte oder einen Rat, ein paar tröstende Worte. Sie fühlte sich benutzt, wollte diese wenigen Minuten Glückseligkeit, die sie immer noch ab und zu bei ihm spürte, aber nicht aufgeben.

Sie war sauer auf sich, weil sie wusste, dass sie etwas Besseres verdient hatte, aber das trotzdem mit sich machen ließ. Sie war zu feige, um die Wahrheit zu sagen, aus Angst, dass die gemeinsamen Stunden dann vorbei wären. Sie wären auf jeden Fall vorbei. Vorbei, weil ihn seine letzte Beziehung immer noch beschäftigte. Sein Herz war nicht frei. Ihres schon. Aber so ist es doch meistens. Eine*r liebt immer mehr.

Wieso liebt immer eine*r mehr?

Wenn er mehr liebt, fühlt sie nicht genug, um sich auf ihn einzulassen. Und wenn sie mehr liebt, dann war der Typ unerreichbar und wertschätzte nicht, was er an ihr hatte. So oder so eine aussichtslose Situation. Sie war immer eine so starke Person. Weshalb wird sie bei Typen zu einer kleinen, grauen Maus, die sich zurücknimmt und darauf achtet, nicht zu extrem zu sein, um ihm zu gefallen? Warum kann sie nicht von Anfang an wissen, was sie will und das auch formulieren? In ihr schlummert eine unsagbare Angst, nicht geliebt zu werden.

Und statt sich selbst zu hassen, beschließt sie, ausnahmsweise diese kleine Figur in ihrem Kopf zu hassen, die für all ihre Gedanken verantwortlich ist und sie immer wieder zu einer kleinen Frau macht, die sie nicht ist.

Darum nimmt sie sich zurück, ist nicht sie selbst, um dem Typen zu gefallen und geliebt zu werden. Sie weiß, dass sie über diesen Weg eigentlich gar nicht geliebt werden möchte, aber ein bisschen falsche Liebe empfindet sie als besser als gar keine Liebe. Dieser Satz ist so falsch, es zerreißt sie beinahe. Aber so fühlt sie. Und sie kann nichts dafür. Und statt sich selbst zu hassen, beschließt sie, ausnahmsweise diese kleine Figur in ihrem Kopf zu hassen, die für all ihre Gedanken verantwortlich ist und sie immer wieder zu einer kleinen Frau macht, die sie nicht ist.

Der Schreibprozess ist häufig ein Weg der Selbsttherapie, sie schreibt, um sich besser zu fühlen, um ihre Seele zu entlasten. Aber heute vor dem Laptop ist ihr das einfach nicht möglich. Sie weiß nicht weiter. Wenn ihr also Ratschläge, Gedanken oder Erfahrungen habt, die euch in ähnliche Situationen versetzen, schreibt sie auf und teilt sie mit ihr. Sie würde sich sehr freuen. Und die Figur in ihrem Kopf auch.

Unsere Autorin möchte anonym bleiben.

Headerbild: Joanna Nix-Walkup via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!

12 Comments

  • Buchtipp: warum wir uns immer in den falschen verlieben – amir levine
    Hat mein datingleben nachhaltig verbessert und ich versteh mich und die männer nun besser. Aber es triggert, denn die wahrheit tut weh.

  • Wenn das Selbstwertgefühl in frühester Kindheit nie aufgebaut oder zerstört wurde, kann es kein Partner, keine Liebe der Welt wieder reparieren.

    Es gibt gute Therapien für so ein Problem!

  • Ich bin in einer ähnlichen Situation und versuche das hier: Erstmal den Druck rausnehmen. Jede*r kann mal auf etwas vermeintlich vielversprechendes reinfallen. Und andersrum kann es schwerfallen, zu kommunizieren, dass man vielleicht nicht so viel Gefühl empfindet wie das Gegenüber.
    Dann die Gefühle angucken, beobachten. Nicht werten. Vor allem keine Angst davor haben, dass sie einen kaputt machen oder ähnliches. Wir fühlen in diesem Moment halt so, man kann es erstmal nur annehmen. Mit Krampf irgendwas ändern zu wollen führt nur dazu, dass uns die Stimme im Kopf wieder fertigmacht, weil wir so nicht weiterkommen. Und nie weiterkommen werden.
    Außerdem kann man versuchen, sich daran zu erinnern, was man bereits in sich trägt. Und was für eine tolle Person man ist. Und das solche Erfahrungen nicht als Niederlage zu sehen sind, sondern als Spiegel. Das Leben möchte uns damit vielleicht sagen, dass wir uns selbst erstmal genug sein sollten und können! Und dass wir das Ganze nicht im Außen suchen müssen. Das ist der härteste Teil, finde ich. Aber auch ziemlich wichtig. Was will man mit jemandem in einer Beziehung, bei dem man das Gefühl hat, sich ständig zusammenreißen zu müssen, Angst hat, zu viel zu sein? Das klingt so banal, aber ich glaube im Unterbewusstsein ist doch meistens klar, dass das zu nichts führt. Es fällt nur schwer, sich das selbst einzugestehen. Weil dann die Angst vor dem Alleinsein kommt. Die aber gar nicht so ein großes Monster ist, wie sie auf dem ersten Blick scheint.
    Und das letzte: nicht zu hart zu sich selbst sein.

  • Ich glaube es geht in gewisser Weise darum herauszufinden was man selber möchte. Wenn man so einen märchebnprinzen liebt, der unerreichbar scheint, den man mehr möchte als er einen selbst, dann kann er immer der märchenprinz bleiben. Man kann in seiner rosa Welt bleiben und irgendwie auch in einer Welt von oberflächlichkeiten in der man gar nicht richtig ehrlich sein muss. Der andere interessiert sich ja eh nicht so für einen. Das ist ja auch ganz angenehm wenn man sich selbst nicht so interessant findet. Ich glaube eine andere Beziehung, eine auf Augenhöhe und mit ehrlichem Interesse sich mit allen Facetten kennen zu lernen über eine sehr lange Zeit, die braucht viel mehr Mut, auch sich selbst zu begegnen. Ich dachte ich hätte so eine Beziehung schon einmal geführt, aber ich glaube ich habe selbst gar nicht gemerkt wie sehr ich mich verstellt habe für den anderen bis es vorbei war. Ich glaube so eine Größe zu haben sich nicht zu verstellen aus Angst den anderen zu verlieten ist verdammt schwierig und deswegen dürfen wir nicht so streng mit uns sein. In einer welt mit so wenig liebe und unsicherheiten finde ich es nur allzu verständlich nach liebe zu suchen, auch wenn es nur die „falsche“ ist. Aber vielleicht haben wir ja irgendwann einfach keine Lust mehr auf die falsche. Vielleicht finden wir irgendwann heraus, dass wir selbst uns genügen und alle die nicht sehen was für tolle Menschen wir sind einfach uns nicht mehr interessieren. Vielleicht..

    • Liebe Mira, ich hoffe wirklich sehr, dass wir alle das an einem bestimmten Punkt in unserem Leben herausfinden! Vielen Dank für deine Worte.

  • Das Gefühl kommt mir vertraut vor – Selbstliebe ist anstrengende Arbeit! Und der kleinen falschen Liebe aus dem Weg zu gehen, lerne ich auch noch. Ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, diesen Angeboten aus dem Weg zu gehen. Ich genieße die Liebe meiner Familie, meiner Freund*innen. Ich achte darauf, was mich im kleinen glücklich macht. Es kommen auch schlechte Tage, aber da lerne ich mittlerweile mit anderen drüber zu sprechen, damit diese Leere nicht zunimmt. Auch mit einem Coaching habe ich angefangen. Das „Selbstwert-Training„ ist schon anstrengend, aber auch spannend und es bringt sogar Spaß. Warum, wieso, weshalb es aufgebaut bzw trainiert werden muss, ist eine andere Frage. Ich drücke uns die Daumen, dass wir es schaffen und uns selbst glauben können, wenn wir sagen, dass wir es wert sind, geliebt zu werden! 💕

  • Ich kenne das. Zum Glück von einer Zeit, die hinter mir liegt. Manchmal creepen diese Gedanken zurück und ich bin noch nicht wieder vollkommen in der Selbstliebe, dem Selbstwertgefühl und dem Selbstbewusstsein.
    Aber: ruhig mal einen Mutausbruch haben 😊. Was soll schon passieren, wenn man sagt, was man will und der andere will nicht? Ja, dann will er halt nicht.

    Ich fänd es übrigens sehr nett, wenn hier mehr Texte aus männlicher Perspektive veröffentlicht werden würden.

  • Everybody says „say something“ but we live in a world where it seems better to hide intense emotions. Why are we not able to be that type of honest and authentic? Is that too idealistic? Just once id just like to be my real fluffy, emotional, overthinking, anxious Self, without this strange beat in chest while I write „I’m fine“ cause I know you would leave for the truth.
    Also schweige ich lieber, um „geliebt“ zu werden anstatt zu sprechen und im Zweifel allein zu sein.

  • Ganz ganz dringend am Selbstwertgefühl arbeiten, bitte! ♥
    Über Coaching, Bücher, Selbsthilfe, Therapie – es gibt viele Möglichkeiten….
    Sei es dir selbst wert! ♥

  • Ich fühle mit dir. Das wichtigste im Leben ist sich nie selbst zu verlieren.

    Ich habe beispielsweise so sehr an uns geglaubt, leider war ich damit die ganze Zeit allein. Ich war mir sicher es kann gut werden zwischen uns.
    Aber nichts im Leben passiert ohne Grund. Man muss harte, steinige Wege gehen, Umwege in Kauf nehmen, um den richtigen Weg zu finden.
    Vertraue dem Leben, dass es den richtigen für uns bereit hält. Der Weg ist manchmal kein gemeinsamer.

  • Mir geht es genauso und ich denke ganz vielen anderen auch. Ich habe auch so eine kleine Disneyprinzessin im Kopf die sich immer alles schön ausmalt. Leider trifft sie nicht auf die Prinzen,sondern immer auf die Esel die sie nicht werschätzen. Mittlerweile ist es noch schlimmer,weil ich offen kommuniziere wie ich fühle,aber das scheint niemanden zu interessieren. Kopf hoch,du bist nicht alleine und irgendwann passt es oder auch nicht und dann ist genug Selbstliebe für dich da.

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