Content Note: Tod, Trauer, Krebs
Vielleicht macht mich alles, was funkelt, glitzert und blitzt, deshalb so glücklich und zufrieden, weil es mich für einen Moment an den schönsten Tag und Geburtstag meines Lebens erinnert. An meinen Zwölften…
Es war kalt und regnete im Dezember, es war kurz vor Weihnachten. Unsere Wohnung war halbwegs dekoriert und Mama hatte sich über den von uns schrecklich bunt geschmückten Tannenbaum lustig gemacht. Weil er unendlich hässlich war, bleibt er in diesem Jahr so, anstatt des klassischen weißen Weihnachtsschmucks, der eigentlich ihr Liebling war. Am 15. Dezember wachte ich auf und freute mich. Ich war allein zu Hause, aber das war nicht schlimm, weil Mama heute kam.
Mama kam zurück, jedoch sah sie nicht mehr gleich aus: Sie hatte eine Brust weniger.
Mama kam aus dem Krankenhaus endlich nach Hause. Mama kam zurück, jedoch sah sie nicht mehr gleich aus: Sie hatte eine Brust weniger. Das war keine Überraschung, ich hatte sie im Krankenhaus besucht und da hatte sie es mir gezeigt. Sie fühlte sich nicht wohl und war traurig über ihr verlorenes Körperteil, doch ich fand das halb so schlimm „Du bist wunderschön und es fällt keinem auf“, sagte ich. Sie lachte und erklärte mir, dass wenn alles abgeheilt sein wird, sie ihre Brust wieder aufbauen lassen würde, damit sie wieder vollkommen sei. Für mich war sie das aber immer, vollkommen.
Sie hatte sich kurz vor der OP dazu entschieden, die ganze linke Brust abnehmen zu lassen, um sicherzustellen, dass alle bösartigen Zellen entnommen wurden. Es stellte sich später heraus, dass viel mehr bösartig befallen war, als angenommen. Das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht und ich freute mich einfach, dass wir es für den Augenblick geschafft hatten. Mama kam gesund wieder.
Ich freute mich so sehr, dass ich aus dem Küchenfenster blickte, seit der Sekunde, in der mein Vater losgefahren war, um meine Mama abzuholen.
Ich freute mich so sehr, dass ich aus dem Küchenfenster blickte, seit der Sekunde, in der mein Vater losgefahren war, um meine Mama abzuholen. Nach zwei Stunden aus dem Fenster gucken und etwas Blödeln mit meinem Bruder, sah ich unser Auto. Mama war da, Papa stieg aus, holte ihre Tasche, half ihr und gleichzeitig trug er noch ein großes Geschenk. Mein Geschenk, den Kleiderschrank, den ich zuvor im neusten Barbie-Film gesehen hatte.
Alles, was man in diesen kleinen pinken Plastikschrank steckte, kam mit Glitzer übersäht wieder heraus. Nichts bleibt unversehrt, auch die ganze Umgebung glitzerte danach… Das hatten sich meine Eltern anders vorgestellt, doch ich war begeistert. Ich hatte Mama und meinen kleinen Zauberschrank, in den ich sie am liebsten gesteckt hätte, damit sie nicht mehr so erschöpft, traurig und krank aussah.
Ich hatte Mama und meinen kleinen Zauberschrank, in den ich sie am liebsten gesteckt hätte, damit sie nicht mehr so erschöpft, traurig und krank aussah.
Aber Mama würde jetzt wieder gesund werden, wir hatten es geschafft und ich hatte für den Moment alles, was ich wollte: Mama, Papa, meinen Bruder Julian und meinen Schrank, mit dem alles so schön funkelte. Alles war danach besser. Es ging bergauf. Doch dass wir noch viel tiefer fallen würden, wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Wie auch? Das kleine Schränkchen ist leider keine Zeitreisemaschine, so sehr ich mir das heute auch wünschte.
Deswegen liegt der kleine glitzernde Kleiderschrank heute mit 24 Jahren noch immer unter meinem Bett. Er liegt in einer Kiste mit Puppen, mit denen ich früher gespielt habe, alle sind voll mit Glitzer und einige haben keine Haare, so wie meine Mama. Deshalb hatten ein paar der Puppen ihre Haare von mir geschnitten bekommen. Mama fragte mich damals nach dem Grund und ich antwortete: „Weil kurze Haare auch schön sind und man die eh nicht braucht“. Ich liebe meine Mama, doch sie ist nicht mehr da. Aber der Schrank ist es und er funkelt weiterhin wie vor zwölf Jahren.