Verliebt euch! Warum wir das Verliebtsein feiern sollten

Ja, Menschen sind auch allein glücklich. Ich habe es immer wieder für ein paar Jahre ausprobiert: in den Pausen als Single, zwischen meinen Beziehungen, in denen ich allein im Kino, im Restaurant, auf Konzerten und im Urlaub war. Ich kann allein Möbel zusammenbauen, Deckenlampen sowie Katzennetze anbringen, und ich habe nebenbei das Alleinsein lieben gelernt. Doch gleichzeitig habe ich auch festgestellt, dass der Sinn meines Lebens ist, nicht nur Freude zu empfinden, sondern diese auch zu teilen. Einen Sonnenuntergang zu sehen macht mich glücklich, doch diesen Moment mit meinem Partner zu teilen, macht mich noch glücklicher. Ist es nicht schön, jemanden zu haben, dem man „Guten Morgen“ sagen und eine „Gute Nacht“ wünschen kann?

Verliebtsein ist wie ein neu entdeckter Song, den man immer wieder hören möchte

Verliebtsein ist wie ein neues Auto, bei dem man sich am Abend schon freut, es morgens wieder fahren zu können. Wie neue Schuhe, die einen den Weg zur Arbeit leichter gehen lassen. Und nein, nicht alles wird irgendwann langweilig und uninteressant, wenn es nicht mehr neu ist. In meine Yogamatte bin ich seit über zehn Jahren verliebt, auch wenn sie bereits auseinanderfällt und ich schon längst eine zweite Matte besitze. Diese Yogamatte ist nicht mehr perfekt, dennoch liebe ich sie.

In meiner Singlezeit hörte ich oft: „Du bist zu verzweifelt!“

In meiner Singlezeit hörte ich oft: „Du bist zu verzweifelt!“, „Du darfst nicht suchen!“, „Du musst dem Universum beweisen, dass du allein sein kannst!“, „Da hast du irgendwas noch nicht gelernt!“ „Hör auf, ihn zu wollen!“, „Du darfst dich nicht immer gleich verlieben“.

Excuse me, was ist daran falsch?

Aus welchem Grund darf ich mir nach über drei Jahren Single-Dasein keinen Mann suchen? Und nebenbei bemerkt, kamen solche Anweisungen zum Teil von Menschen, die selbst in Beziehungen sind und sich auch irgendwann einmal gesucht und gefunden haben. Weitere dieser Ratschläge erhielt ich von Leuten, die gescheiterte Partnerschaften hinter sich haben und wieder bei ihren Eltern eingezogen sind – und noch niemals wirklich allein gelebt haben.

Erzwungenes Alleinsein und Dating-Abstinenz grenzt schon an Selbstkasteiung. 

Mein Wunsch war es, wieder einen Partner zu haben. Wie lange sollte ich dem Universum noch beweisen, dass ich allein sein kann? Sorry, erzwungenes Alleinsein und Dating-Abstinenz grenzt schon an Selbstkasteiung. Das Universum weiß bereits mein ganzes Leben, dass ich sehr gut und angstfrei allein sein kann und im Gegenteil: Oft habe ich mich sogar danach gesehnt, allein zu leben. Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen und habe bereits als Teenager davon geträumt, wie schön es sein müsste, nach einem langen Tag nach Hause zu kommen, seine absolute Ruhe zu haben und ein Vollbad in seinem eigenen Badezimmer zu nehmen – und zwar so lange, wie man möchte. Ich habe auch immer von Reisen geträumt, auf die ich mich allein begebe und bisher fast alle davon umgesetzt.

Menschen wollen Geld, deswegen gehen sie arbeiten. Ich will einen Mann, deswegen date ich.

Aus welchem Grund sollte ich also etwas verdrängen und nicht wollen, was ich jedoch in mein Leben einladen möchte und haben will? Es soll sogar Menschen geben, die Lotto spielen, weil sie Geld wollen. Ich gönne jedem seinen Lottogewinn, wenn das Geld die Person wirklich glücklich macht. Ich hingegen würde jedoch immer die Liebe wählen. Aber gut, wenn diese Lotto-Menschen bereits Milliardäre wären, würden sie kein Lotto spielen. Menschen wollen Geld, deswegen gehen sie arbeiten. Ich wollte einen Mann, deswegen habe ich mich auf Dates begeben – und das war auch Arbeit. Arbeit ist oft negativ behaftet, doch für mich ist Arbeit ein Ort, an dem ich meine Fähigkeiten einsetzen kann und mich darüber freue, wenn die Dinge gut werden, wenn ein Artikel veröffentlicht wird, wenn ein Projekt abgeschlossen ist, wenn ich Lob und Dankbarkeit erhalte. Arbeit ist auch Gemeinschaft sowie schlicht Beschäftigung und Erfüllung, meistens sogar sinnvoll und am Ende des Monats gehaltvoll.

Warum sollte man sich selbst belügen und seine Gefühle unterdrücken?

Zurück zum Verlieben: Warum sollte man sich selbst belügen und seine Gefühle unterdrücken?
Finde ich diesen einen Mann aus vielen Gründen gut, freue mich einfach darüber, dass er mir gefällt. Aus welchem Grund soll ich ihn nicht weiter treffen und kennenlernen wollen? Das ergibt für mich keinen Sinn.

Lieber tausend Mal das Herz brechen lassen, als sich niemals zu verlieben

Ich behaupte ja, Leute zu kennen, die noch niemals verliebt waren oder die Verliebtsein als ein zutiefst verletzendes Gefühl verdrängt haben. Doch ich darf alles (und besonders, wenn ich es will). Verlieben ist nichts, was man steuern, was man ein- oder ausschalten kann. Es passiert oder es passiert nicht. Es kommt und es geht oder es bleibt und entwickelt sich zu Liebe.

Verliebt sein ist auch keine Schwäche, es ist eine Stärke – vor allem, wenn man zu seinen Gefühlen steht. Verlieben ist jedoch nicht das ursprüngliche Ziel, sondern lieben. Verlieben ist nur eine Vorstufe. Cameron Diaz sagte einst in einem Interview, dass sie sich lieber tausend Mal das Herz brechen ließe, als sich niemals zu verlieben. Das sehe ich genauso: Ich gehe lieber raus in die Welt, um Erfahrungen zu sammeln und riskiere es lieber, von Menschen verletzt oder enttäuscht zu werden, als in Sicherheit zu Hause zu sitzen und mein Leben zu verpassen.

Ich riskiere es lieber, verletzt zu werden, als in Sicherheit zu Hause zu sitzen und mein Leben zu verpassen.

Verlieben ist etwas, das man immer feiern sollte, weil es nicht jeden Tag passiert. Ich freue mich, wenn ich mich verliebe – auch wenn ich noch nicht weiß, ob es auf Gegenseitigkeit beruht.
Oft hätte ich mir gewünscht, mich sofort zu verlieben, weil ich einen Mann kennengelernt habe, der alles (und noch mehr, aber am Ende dann doch zu viel) mitbrachte, was ich mir wünschte. Doch es war kein Funke übergesprungen. Die Anziehung hat einfach gefehlt.
Ich bin dankbar für all die Erfahrungen und empfinde Demut vor meiner Zeit als Single. Diese Zeit hat mich gefordert, aber auch erfüllt. Ich begab mich mit Fröhlichkeit im Herzen auf den Weg.

Vor einem halben Jahr haben wir uns gefunden und er ist beeindruckt – nicht nur von mir, sondern auch von meinem Werkzeugkoffer.

Annie Sattler wurde in den 1980er Jahren in Düsseldorf geboren und lebt heute in Berlin. Nach ihrem Debütroman „Café oder Liebe“ (2016) ist „Kein Date ohne Katastrophe“ (2021) ihre zweite literarische Veröffentlichung. Über die Ironie und Poesie des Lebens sowie über ihrer Wahlheimat Berlin schreibt Annie Sattler auf ihrem Blog als „Die Distanzette“. Mehr von Annie gibt es auch auf Instagram.

Headerfoto: Ivan Samkov (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Ich habe mich noch nie so richtig verliebt (für einen Monat in der 5. Klasse und noch einmal mit 20, aber sozusagen 2 Jahre zu spät), aber habe auch Angst davor. Ich glaube, ich stimme Cameron da nicht zu.

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