Unterdrückte Gefühle – wenn Wut nicht ausbrechen darf

Jeden Tag seit 25 Jahren, vielleicht auch erst seit 22 Jahren – sie kann sich an ihre eigene Kindheit nicht mehr wirklich erinnern – ist sie wütend. Wütend über das Wetter, wütend über ihren Job, wütend über die dämlichen Menschen, die sich so sehr über alles andere stellen und das Wesentliche dabei eigentlich vergessen. Wütend über die Politik und wütend über…

Worüber denn eigentlich? Wütend über die Wut in ihr und wütend, weil sie nicht einfach auf alles scheißen kann. Und immer wieder, wenn diese Wut über die Menschen, das Leben und über sich selbst aufkommt, dann ist sie wütend über ihre Wut.

Und immer wieder, wenn diese Wut über die Menschen, das Leben und über sich selbst aufkommt, dann ist sie wütend über ihre Wut.

Wieso ist sie so wütend? Wieso kann diese Wut nicht einfach verpuffen und sich Bahn in eine permanente Leichtigkeit schlagen? Wieso kann ihre Wut nicht einfach Teil eines anderen Daseins sein?

Woher kommst du, liebe Wut?

Sie erinnert sich daran, dass sie schon als Kind übermäßig wütend war. Sie hat sich über ihren Bruder geärgert, darüber, dass sie nicht mitspielen durfte, dass sie zu klein und jung war. Darüber, dass sie nicht all das ausprobieren konnte, was sie eigentlich wollte. Darüber, dass einfach nicht so viel Geld da war. Darüber, dass ihre Eltern entweder schwiegen oder eben alles als schlecht und schwer betrachteten.

Sie erinnert sich daran, dass sie schon als Kind übermäßig wütend war. Sie hat sich über ihren Bruder geärgert, darüber, dass sie nicht mitspielen durfte, dass sie zu klein und jung war.

Sie ärgerte sich, aber sprach es nicht aus. Sie vergrub ihre Wut in ihr und brachte sie nicht zum Ausdruck. Sie schwieg und ich schweigt bis heute.

Und jetzt hat sie den Salat. Aus unterdrückter Wut ist eine Depression geworden, die immer und immer wieder ihre Bahnen schlägt. Im Fachjargon würde man wahrscheinlich von einer leichten Depression sprechen, denn sie kann immer noch ihren Alltag bewältigen – oder sie tut eben einfach so.

Von außen betrachtet sieht man ihr diese Wut nicht an, denn sie überspielt sie mit frecher Ironie, sie ist häufig glücklich, zufrieden, sie lacht viel, ist gesellig und gerne unter Leuten. Und trotzdem ist neben einer gewissen Melancholie die Depression ihr treuer Begleiter. Und das liegt nicht nur an der unterdrückten Wut, sondern auch an vielerlei anderer unterdrückter Gefühle und Bedürfnisse.

Sie tut alles, was andere von ihr erwarten könnten.

Überangepasst – ein weiterer Begriff, der wohl auch gut zu ihr passen würde. Sie tut alles, was andere von ihr erwarten könnten. Sie tut das, was sie denkt, was andere wollen, was sie brauchen, all das, damit es anderen gut geht. Sie lebt ein Leben, was sich nicht wie ihr Eigenes anfühlt. Es aber ist. Ein eigenes Grab, was von außen aber gar nicht so aussieht.

Eine gefühlte und ständige Fremdbestimmung, die sich in der Sucht nach Freiheit Bahn schlägt, die aber ein selbst gebauter Käfig ist. Denn es wäre doch ein Leichtes, einfach NEIN zu dieser Wut, zu dieser Anpassung zu sagen und all die Dinge zu tun, die sie will. Oder?

Die Wut loswerden: So einfach ist das eben nicht!

Pustekuchen. Ein Teufelskreis, den sie nicht durchbrechen kann, denn rational kann sie reflektieren, schimpfen, ändern wollen. Aber ihr Kopf, ihr Herz, ihr Unbewusstes kommt nicht hinterher. Alleine schafft sie es nicht. Und das macht sie wütend. So unfassbar wütend.

Eigentlich weiß niemand, wie es ihr wirklich geht.

Das Wissen darüber, dass sie sich immer und immer wieder im Kreis drehen wird. Dass sie so ist, wie sie ist. Dass sie nur sehr langsam Fortschritte macht. Und dass eigentlich niemand weiß, wie es ihr wirklich geht.

Es ist schön, dass sie das alles weiß. Es ist schön, dass sie sich kennt. Und dass sie trotz dieser Wut so weit gekommen ist und da steht, wo sie jetzt steht. Dass sie ihren Alltag (er-)schafft und sich selbst tragen kann. Dass sie den Kampf in ihr übersteht und wenigstens nach außen eine stolze, starke und oft auch wütende Frau ist. Und trotzdem möchte sie es gerne anders. Und deswegen holt sie sich Hilfe. Und du?

Coco ist Coach und Autorin, Anfang 30 und sie liebt das Meer. Mit ihrer Arbeit möchte sie sich für psychische Gesundheit einsetzen, den Blick für das Wesentliche schärfen und Lebens- und Liebesgeschichten erzählen. mehr zu ihr findet Ihr auf ihrem Instagram Account.

Headerfoto: Tima Miroshnichenko (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

 

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