Toxische Quotes auf Instagram: Warum du genau aufpassen solltest, welche Klischees du in deiner Story teilst

“Women like rough sex, not rough relationships you f***ing assholes.” 

Auf diese witzige Instaquote stieß ich heute früh in meinem Feed. Wow, sogar jetzt gerade beim abtippen, habe ich sofort gemerkt, okay, das ist irgendwie nicht okay so. Aber als der lockere Spruch hinterlegt mit sanftem baby-blau auf meiner Timeline auftauchte, war das zugegebenermaßen nicht mein erster Gedanke.

Vielmehr habe ich geschmunzelt und gleich mal den „In deiner Story teilen“-Button gedrückt, um meine Follower an dem Witz teilhaben zu lassen. Beim zweiten Mal lesen, bevor ich die Story losschickte, fiel mit dann immerhin auf: Naja, okay vielleicht stehen nicht alle auf harten Sex…. Und ich fügte ein kleines Sternchen mit einem *some ein.

Doch in diesem Moment – und vielleicht lag es daran, dass zeitgleich das Koffein vom ersten Morgen-Kaffe eingeschossen ist – begann mein Kopf zu arbeiten. Der kleine Satz dort in meinem Display brachte mich immer mehr zum Grübeln.

Warum liken wir eine Instaquote?

 Zuerst einmal: Warum triggern mich Sprüche wie dieser oder ähnliche? Vermutlich, weil viele Aspekte auf mich als individuelles Massenprodukt der Erziehung und Popkultur der 90er und 00er Jahre zutreffen. Ich bin eine Cis-Frau und identifiziere mich mit „Women“ und ja, ich mag auch mal harten Sex.

Ich bin eine Cis-Frau und identifiziere mich mit „Women“ und ja, ich mag auch mal harten Sex.

Auch komplizierte, raue Beziehungen sind mit bekannt, sowohl aus eigener Erfahrung, als auch aus meinem Umfeld. Jemanden, der oder die sich in meinem Wertesystem falsch oder unfair verhält und einer Partnerperson das Leben schwer macht, als „fucking asshole“ zu bezeichnen – ja, da kann ich doch nur zustimmen! Auf den ersten Blick trifft der obige Satz also richtig schön in Schwarze.

Typisch Instaquote streichelt sie über alle Narben, die mal ein blöder Kerl auf meinem Frauenherz hinterlassen hat und spielt mit meinen Lieblingsfreunden: Sarkasmus und Gossensprache.

Vorurteile und Trüffelpommes

Schauen wir uns die Aussage aber genauer an. Das erste toxische Vorurteil, das auch für mich schnell erkennbar war, ist: Frauen stehen auf harten Sex. Punkt. Aussage. So ist das nämlich. Vielleicht hat man zu diesem Vorschlaghammer eine gewisse anfängliche Distanz, weil er natürlich nicht so brachial wie in unserer Muttersprache zuschlägt. Aber das steht da nun mal.

Leider ist es nicht nur Unsinn, sondern auch ein gefährliches Lauffeuer, dass sich in unserer Kultur leider längst verbreitet hat. Versteht mich nicht falsch. Ich finde harten Sex toll und genieße ihn vielleicht sogar öfter oder intensiver als der Durchschnitt.

Aber obwohl ich mehr Fesseln und Schlaginstrumente besitze als ein bayrischer Vollzugsbeamter, finde ich harten Sex nicht ausschließlich gut.

Aber obwohl ich mehr Fesseln und Schlaginstrumente besitze als ein bayrischer Vollzugsbeamter, finde ich harten Sex nicht ausschließlich gut. Damit bin ich nicht alleine.

Erst einmal muss man zwischen Personen mit kinky Vorlieben und extremen, eingefleischten Sadomasochisten unterscheiden. Erstere sind – kaum zu glauben – die größere Gruppe. Eine kinky Vorliebe zu haben schließt nicht aus, auch klassische Sexualpraktiken genießen zu wollen.

Immer noch nicht verstanden? Stellt es euch so vor: Ich liebe Trüffelpommes. Ich könnte sie dauernd essen. In jedem Steakhause suche ich auf der Karte nach Trüffelpommes. Aber esse ich jeden Tag Trüffelpommes, zum Frühstück, Mittag- und Abendessen? Nein! Weil ich dann nämlich erstens sehr zunehmen und krank werden würde und zweitens, weil ich eben auch Sushi liebe. Und Schokolade. Und Nudelsuppe.

Manchmal möchte ich auch gar nichts essen, weil ich überhaupt keinen Hunger habe. Da könnten dann die trüffeligsten Luxuskartoffeln aus ganz München um’s Eck gucken und ich würde sie einfach stehen lassen. Okay, zugegeben, damit das passiert, müsste ich schon an einer schweren Magen-Darm-Grippe leiden, aber: ES KÖNNTE SEIN!!!

Woher kommt diese Instaquote?

Damit ist also klar: Nein, nicht alle Frauen, auch nicht die versautesten Luder unter uns, stehen immer und ausschließlich auf harten Sex. Aussagen wie die in unserer Instaquote verbreiten allerdings diese Annahme. Wenn Männer also dauernd in allen Filmen, Social Media, Spotify und Co. damit vollgespammt werden, dass sie doch eine Frau beim Sex bitte schön behandeln sollen wie alte Kartonagen, dann ist unvermeidlich, dass sich das festsetzt.

Zumal es ja nicht nur die Männer sind, die auf diese Weise beeinflusst werden, sondern auch wir Frauen. Es ist quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Zumal es ja nicht nur die Männer sind, die auf diese Weise beeinflusst werden, sondern auch wir Frauen. Es ist quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung.

„Peppermint, feel ihre Lippen, zieh‘ an ihren Haaren, intensive Gefühle“

(Zitat aus dem Song „Peppermint“ von Nummer 1 Rapper Luciano)

Nehmen wir an, der Jerome setzt diese Empfehlung in die Tat um. Die an den Haaren gezogene Dilara hat natürlich auch „365-Tage“ gesehen und weiß, Dank Instagram, dass ja ganz viele liebende Männer mit Rolex ihre Frauen liebevoll-fest am Arsch packen. Also ist scheinbar alles super, niemand sagt was.

Dass Jerome denkt: Wie feste zieh ich hier eigentlich, ihr Kopf biegt sich ja schon ganz schön nach hinten, bleibt genauso ein Tabu wie Dilaras Schmerzen, die sie noch einen Tag später hat, wenn sie sich einen Zopf bindet.

Im schlimmsten Fall machen beide damit so weiter, bis einer endlich mal den Mund aufmacht oder das Feuer der Leidenschaft abgeschwollen ist und Jerome sich nicht mehr „so viel Mühe“ im Bett gibt.

Ich möchte also nicht den Männern allein Schuld an dem Klischee „Frauen mögen harten Sex“ geben. Es ist natürlich auch Aufgabe der Frauen, den Mund aufzumachen und zu sagen, was gut ist und was definitiv nicht.

Trotzdem können weder Medien und Popkultur noch Peer-Group-Pressure eine Entschuldigung dafür sein, seinen Menschenverstand beim Sex auszuschalten.

Trotzdem können weder Medien und Popkultur noch Peer-Group-Pressure eine Entschuldigung dafür sein, seinen Menschenverstand beim Sex auszuschalten. Auch wenn eine Frau dir nicht vorher genau erklärt wo und wie feste sie angefasst werden will und dir keine Liste mit präferierten Sexualpraktiken aushändigt, kann ein Mann nachfragen.

Falls er das als unsexy oder gar unangenehm empfindet – bei Gott, ist es nicht, es ist sooooo sexy – kann er auch geschickt nachfühlen. Sich langsam steigern und Reaktionen abwarten. Das macht einen guten Liebhaber aus und nicht, wie oft er dir beim Vorspiel auf den Arsch klatscht.

Frauen oder auch: Schmuddelige Sex-Ungeheuer!

Kaum zu glauben. Doch nach so viel Aufklärungsbedarf, aber in der Instaquote „Women like rough sex“ versteckt sich noch eine weitere Kleinigkeit, die mich ein bisschen nervt. Überall heißt es nämlich immer „Frauen stehen darauf…“. In den Medien sind es meisten die Frauen, die auf Fotos in Leder-Lingerie und Katzenmaske posieren.

Funfact: Wenn es nur die Frauen wären, die auf den ganzen Schmuddelkram stehen würden, wäre das Internet sicher nicht so überschwemmt davon.

Ja, Frauen, das sind wirklich versaute Monster, die mögen es hart. Die haben ganz exotische Fantasien, setzten sich Katzenöhrchen auf, tragen sexy Schulmädchen-Outfits und wackeln mit dem Arsch auf Tiktok. Funfact: Wenn es nur die Frauen wären, die auf den ganzen Schmuddelkram stehen würden, wäre das Internet sicher nicht so überschwemmt davon.

Der Rough-Sex-Hype funktioniert, weil alle Geschlechter diese Tendenzen entwickeln können. Es sind nicht nur die Frauen, die sich „Spank me“ auf die Arschbacken tätowieren lassen. Es sind genauso die Männer, die das sehen und sich denken „Boah, was ne geile Sau! Das mach ich, keine Sorge, Baby!“

Unsere Quote bezieht sich jedoch ausschließlich auf Frauen. Wir sind also die kinky Monster, während die tugendhaften Kavaliere, die sich unserer verdorbenen Seelen annehmen, nur unsere verkommenen Bedürfnisse pflichtbewusst erfüllen? Ich glaube nicht.

Den ersten Teil dieser Quote habe ich für euch bereits geschlachtet, zerlegt, filetiert und inklusive Trüffelpommes serviert. Spätestens nach dem Komma ist es Zeit, das Stamement „Women like rough sex, not rough relationships you fucking assholes.” von allen Seiten zu betrachten.

Ich übersetze mal kurz für den heteronormativen Cis-Mann: Fick sie ordentlich, statt sie in einer Beziehung unglücklich zu machen.

Frauen mögen etwas, okay abgehakt. Was sie nicht mögen sind „rough relationships“. Moment, ich übersetze mal kurz für den heteronormativen Cis-Mann: Fick sie ordentlich, statt sie in einer Beziehung unglücklich zu machen. Daraus könnten zwei Annahmen resultieren.

Zum einen: Erfüllender Sex und eine glückliche Beziehung sind nicht miteinander vereinbar. Mist. Des Weiteren verleitet die Aussage und auch mein überspitzer Übersetzungsvorschlag dazu, die Verantwortung für eine glückliche Beziehung in die Hände einer männlichen Partnerperson zu legen. Damit kommen wir zu einem meiner Meinung nach riesigen Problem in unserer Gesellschaft.

Einseitige Gleichberechtigung

Der Mann soll die Frau glücklich machen. Klingt gut oder? Ja, wahrscheinlich, weil du das hier gerade als Frau liest. Okay, dann so rum: Frauen sollen ihre Männer glücklich machen. Irgendwie nicht mehr so geil? Komisch. Dabei haben wir einfach nur die Akteure vertauscht. Und so, liebe Damen und Herren, funktionieren toxische Rollenbilder.

Natürlich, wenn wir die zwei Sätze mehr als einmal lesen, kurz innehalten und nachdenken, ist daran wenig toxisch. Das möchte ich auch nicht behaupten, denn im Grunde ist es ein schöner gegenseitiger Anspruch, sich in einer Partnerschaft glücklich zu machen.

Toxisch ist viel mehr, was wir in die jeweiligen Aussagen hineininterpretieren. Jemanden glücklich zu machen, ist in vielen Fällen nicht so ganz klar definiert.

Toxisch ist viel mehr, was wir in die jeweiligen Aussagen hineininterpretieren. Jemanden glücklich zu machen, ist in vielen Fällen nicht so ganz klar definiert. Mache ich jemanden einfach nur etwas glücklicher, als er/sie vorher schon war? Bin ich die Kirsche auf dem schmackhaften Eisbecher seines/ihres Lebens?

Oder bedeutet glücklich machen, der Existenz des Anderen überhaupt erst einen Sinn zu geben, mich um die Person zu kümmern und Glück herzustellen, wo vorher keines oder nur wenig war? Letzteres sollte jedoch niemals die Aufgabe einer anderen Person sein, außer vielleicht eures Therapeuten.

Genauso ist es, liebe Damen, nicht die Aufgabe eines Mannes, euch auf Händen durchs Leben zu tragen wie ein rohes Ei. Zumindest nicht dauerhaft. Kein Ei hat etwas gegen ein paar Streicheleinheiten, einen Ausflug ins Lieblingsrestaurant oder einen kleinen Urlaub.

Aber ein eigenständiger, erwachsener Mann sollte besseres zu tun haben, als euch durchgehend zu verhätscheln. Ebenso wie ihr besseres zu tun habt, als Euren Mann den ganzen Tag zu verwöhnen.

Toxische Relationship Goals

Lasst uns Gleichberechtigung in einer Partnerschaft nicht verwechseln mit: Ich benehme mich so, wie ich will und du kannst das natürlich auch, aber nur, solange du meine One-Man-Show nicht störst. Und bitte verwöhn mich so gut du kannst, sei romantisch, nicht so ein Macho, zeig ab und zu deine weiche Seite, sei aufmerksam und sensibel – aber erwarte bloß nicht dasselbe von mir! Ich bin eine Frau, ich muss schließlich in einer Beziehung für mich selbst einstehen und stets Wert darauflegen, nicht zu kurz zu kommen.

Das ist keine Gleichberechtigung, das ist Bullshit.

Das ist keine Gleichberechtigung, das ist Bullshit.

Plötzlich ist eine ganz normale Beziehung, ohne gemeinsames Frühstück auf den Malediven und Verlobungsring in Paris, aber dafür mit Eifersucht, Streit wegen Geld und unterschiedlichen Familienidealen – rough.

Ich verrate euch etwas: Eine Beziehung ist hin und wieder hart. Es ist nun mal schwierig, wenn zwei Menschen täglich miteinander interagieren. Wenn Gefühle im Spiel sind, nicht nur die zueinander, sondern auch die zu allen anderen Menschen im Umfeld. Das Leben ist manchmal scheiße. Darin stimmt ihr mit sicher zu.

Wieso also darf eine Partnerschaft nicht auch mal scheiße sein? Weil wir dann nichts auf Instagram posten können, die Quote nicht passt und wir zuhause bleiben während der/die Andere Spaß mit Freunden hat? Weil wir dann vor unseren Freunden und Familien zugeben müssen, dass es gerade halt nicht so toll läuft? Oder der Schwiegersohn heute nicht mit zum Abendessen kommt?

Ist Harmonie denn wirklich der einzige Parameter für Glück?

Ist Harmonie denn wirklich der einzige Parameter für Glück? Vermutlich nicht, denn sonst gäbe es keine On-Off-Beziehungen, Menschen, die zu ihren Ex-Partner:innen zurückkehren oder dieses eine Paar, dass jeder kennt. Die zwei, die sich permanent zoffen, aber trotzdem seit Jahren zusammen und irgendwie trotz allem ganz glücklich sind.

Quote widerlegt – Ein Fazit

Zurück zu unserer Quote. Grundsätzlich wird hier also ein vermutlich männlich gelesenes, sogenanntes „fucking Arschloch“ dafür verantwortlich gemacht, dass eine Beziehung unschön ist. Kann sein, muss aber nicht. Ich stimme zu: Frauen und ziemlich viele andere Menschen wünschen sich eine schöne Beziehung.

Eine schöne Beziehung kann man aber nicht einfach suchen und sich hineinfallen lassen, wie in einen billigen Sitzsack.

Diese kann man aber nicht einfach suchen und sich hineinfallen lassen, wie in einen billigen Sitzsack. Einfach ausharren und „Arschloch“ rufen, sobald einem mal der Fuß einschläft. Man könnte sich auch vorher schon mal anders hinsetzten – oder den Mund aufmachen.

Resümee: Was haben wir also bei der Analyse der witzig gemeinten kleinen Quote „Women like rough sex, not rough relationships you fucking assholes“ gelernt? Ich fasse zusammen:

Der Wunsch nach hartem Sex kann uns alle betreffen – muss aber nicht. Daher ist es nicht in Ordnung (oder besser gesagt ein absoluter Hurensohn-Move) diesen Wunsch einfach anzunehmen. Und: Für eine bequeme Beziehung ist leider mehr als ein „fucking Arschloch“ zuständig. 

Kitteh ist genau wie ihr Name: verspielt und witzig, aber auch bissig. Sie hat eine Schwäche für Kitsch-Romane, aber auch für Thriller, Lack, Leder und Deutsch-Rap. Während sie auf Instagram meist nur Bilder teilt, zeigt sie auf Twitter, dass sie auch mit Worten umgehen kann. Seit über 5 Jahren ist sie in der BDSM- und Fetischszene unterwegs, so wurden Tabuthemen und deren Protagonist:innen zu ihren besten Freund:innen. Seit 2020 teilt sie ihre Erfahrungen als freie Autorin oder auf ihrem Blog „Zartbitternacht“.

Headerfoto: Ron Lach (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

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