„Schatz, ich hab Migräne, heute nicht!“ – ein Satz, der in Filmen nur von einer Frau kommen kann. „Sex ist mir im Moment einfach nicht wichtig, es ist mir gerade alles zu viel.“ – ein Satz, der von meinem Freund kommt. Er tut weh. „Ich krieg einfach keinen mehr hoch!“ – ein Satz, den er mir auf meine Vorwürfe im Streit entgegenbrüllt. Er tut noch mehr weh!
Wir sind seit etwa eineinhalb Jahren zusammen, haben schon seit Beginn an zusammengewohnt. Anfangs hatten wir unglaublich viel Sex. Unglaublich guten Sex. Er wurde von Mal zu Mal besser. Wir haben so ziemlich jeden Tag miteinander geschlafen, im Urlaub zweimal am Tag, unser Rekord lag bei fünfmal am Tag! Wir waren verrückt nacheinander.
Meine ständigen Blasenentzündungen diagnostizierte mein Arzt tadelnd mit „Honeymoon-Krankheit“. (Beim Geschlechtsverkehr gelangen Bakterien in die Blase – Abhilfe schafft übrigens sofortiges urinieren nach dem Akt – für alle ebenfalls Geplagten).
Es war mir egal, ich war verliebt, ich genoss die Nähe, die wir hatten. Wir erfüllten uns jeden unserer Wünsche und per WhatsApp sagte er mir: „Das ist der beste Sex, den ich je hatte.“ Das tat gut! Oftmals verwechselte er es wohl mit Liebe, wenn er hinzufügte: „Du bist die Richtige!“ Das tat noch besser!
Wir kannten uns schon ein paar Jahre, bevor wir zusammenkamen und ich wusste, dass diesem Mann Sex wichtig war. Ständig machte er Anspielungen und hatte ein Faible für schwarze Leggings oder Strumpfhosen. Als wir uns nach einiger Zeit wieder trafen – beide frisch getrennt – verwunderte es mich umso mehr, als er mir erzählte, dass der Hauptgrund, warum seine Exfreundin in verlassen hatte, fehlender Sex war.
Ein halbes Jahr lang hat er sie nicht angerührt, danach noch mal ein halbes Jahr. Ein Jahr ohne Sex (einmal ist keinmal)! Ich dachte mir, sie sei vielleicht prüde oder vögeln mit ihr schlicht langweilig gewesen, zudem hatte sie ganz schön zugenommen. Dass das Problem an meinem Freund lag, konnte ich mir zu dieser Zeit irgendwie noch nicht vorstellen.
Als er zwei Wochen geschäftlich verreist war, empfang mein iPhone kein einziges Penisbild.
Trotzdem hatte ich die Sorge immer im Hinterkopf. Schliefen wir mal ein paar Tage nicht miteinander, dachte ich daran und hatte Angst, er könnte auch die Lust auf mich verlieren. Es gab Anzeichen: Als er zwei Wochen geschäftlich verreist war, empfang mein iPhone kein einziges Penisbild, wie sonst immer, wenn wir mehr als zwei Tage getrennt voneinander waren.
Erst am Tag vor seiner Rückkehr fing unser „Telefon-Sex“ an. Als wir uns endlich wieder in die Arme schlossen, verführte er mich schon im Flur. Beinahe eine Stunde waren wir mit uns beschäftigt und versicherten uns immer wieder, wie sehr wir uns liebten.
EIGENWERBUNGDas war das letzte Mal, dass wir „richtigen“ Sex hatten. Es ist nun fünf Monate her. Seitdem ging die Initiative, wenn dann, von mir aus und meistens war es auch nur ein kurzes Vergnügen … Es gibt viel Streit seitdem. Er meint, am Streit liegt es, dass er keine Lust mehr hat. Ich meine, es gibt den Streit, weil er keine Lust mehr hat. Die Henne und das Ei.
Seitdem bin ich viel leichter reizbar, viel schneller frustriert und sehr nahe am Wasser gebaut. Ich fühle mich schlicht ungeliebt. Zurückgestoßen. Wie benutzt und weggeworfen. Verschmäht. Unattraktiv.
Wenn ich mit meinen Freundinnen darüber spreche, steigern sie mein Leiden noch mit ihren Reaktionen. „Das ist doch nicht normal!“, „Wir schlafen auch nicht mehr so häufig miteinander, aber das liegt daran, dass ich keine Lust habe, er würde am liebsten immer.“
Wieso ist es so normal, dass Frau keine Lust hat und Mann immer wollen muss?
In meinem Bekanntenkreis kenne ich drei Paare bei denen er nicht (so oft) will. Drei! Immerhin, so wenig ist das gar nicht. Die Dunkelziffer muss deutlich höher liegen! Warum spricht dann keiner darüber? Warum ist es so peinlich für eine Frau, wenn ein Mann nicht jedes Mal geil auf sie ist, wenn sie nackt vor ihm steht? Wieso bezieht sie es auf sich? Darauf, dass sie nicht mehr anziehend ist?
Männer denken wohl kaum so! Wenn die Frau nicht mehr will, zweifelt er nicht an sich selbst. Oder vielleicht doch? Es kommt mir jedenfalls so vor, als würde die weibliche Unlust eher als etwas Natürliches hingenommen. Derweil ist sie das nicht – ganz und gar nicht!
Googelt man das Problem, scheint es ein häufiger verbreitetes Phänomen zu sein. In den verschiedensten Brigitte- und Elitepartner-Foren lassen sich die amüsantesten Diskussionen mitverfolgen. Amüsant, wenn man es distanziert lesen könnte. Ich als „Betroffene“ bekomme beim Lesen Bauchweh.
Da ist von jahrelanger Abstinenz die Rede, von abgeblockten Verführungsversuchen in Reizwäsche, von Zweckbeziehung und vor allem von Trennung! „Mach Schluss!“, wird den verschmähten Frauen dort geraten. „Der betrügt dich doch sicher mit einer anderen!“ und „Willst du ein Leben lang auf ein erfülltes Sexleben verzichten?“
Nein! Natürlich nicht, aber ich liebe meinen Freund und möchte mich nicht trennen. Dass er mich betrügt, bezweifle ich, allerdings weiß ich durch das Stalking seines Internetverlaufs, dass Sex sehr wohl noch eine große Rolle für ihn spielt. Jetzt halt in Form von Pornos. Auch dieses Ausgeschlossen-sein tut weh!
Wie wichtig ist Sex in einer ansonsten gut laufenden Beziehung?
Mein Freund ist selbstständig, er führt ein Restaurant, das nicht läuft, zudem hat er einige Schulden und noch hundert andere Baustellen und Business-Ideen. Es lastet ein großer Druck auf ihm, nachts knirscht er mit den Zähnen.
Ich kann verstehen, wenn ihn das alles überfordert. Wir verstehen uns sehr gut, sind auf derselben Wellenlänge, haben dieselben Wertvorstellungen und ähnliche Ziele im Leben. Das möchte ich nicht aufgeben!
Aber was soll ich machen? Ihn zum Psychologen schicken? Zum Urologen? Oder eine Paartherapie beginnen? Ausflüge in die Natur planen, wie es die Therapeuten in den Internetforen vorschlagen? Ihn mit Dessous überraschen? Oder wenn er heimkommt, es mir vor seinen Augen selber machen? Mir ist das zu erniedrigend.
Ich staune nur ungläubig als auch unbefriedigt über die Statistik, dass der Durchschnittsdeutsche etwa 130 Mal Sex pro Jahr hat.
Headerfoto: Tätowierter Mann via Shutterstock.com. Danke dafür! („Körperliches“-Button hinzugefügt.)
Vielleicht bringen euch hier die Einsichten von John Gray in seinen Büchern Beyond Mars and Venus sowie Mars and Venus in the Bedroom weiter.
Ich muss stark davon ausgehen, dass die Statistik quatsch ist, 130 mal Sex pro Jahr, das wäre ja jeder dritte Tag. Ich kenne kein Paar, das über Jahre hinweg derart ausdauernd körperliche Liebe praktiziert. Wenn die ersten Kinder im Haus leben ist es bei den meisten Paaren sowieso fast vollständig vorbei.
Ein Tabubruch ist es übrigens für beide Seiten, welcher Mann erzählt schon offen vor den Nachbarn auf der Straße, dass seine Freundin kein Interesse mehr an seinem Körper hat?
Aber darf es denn nicht normal sein, dass auch Männer mal keine Lust auf Sex haben? Das wird vermutlich nicht an der Partnerin liegen – aber privater Stress führt dazu, dass man sich nicht mehr entspannen kann. Keine Entspannung, keine Erotik.
Vielleicht fällt es auch ihm schwer, keine Lust mehr auf Sex zu haben und das offen auzusprechen. Hier wäre es jetzt schön gewesen, wenn im Artikel jemand mit fachlichem Hintergrund (bspw. ein/e Therapeutin) einen Hinweis gegeben hätte, wie man das am Besten anspricht.
Ich bin in genau der gleichen Situation. Mein Freund hat einen neuen Job angefangen, seit dem läuft gar nichts mehr im Bett. Jeder Versuch von mir wird abgewiegelt. Auf Nachfrage, woran es liegt, sagt er „Weiß nicht.“ Wenn ich die fehlende Lust mit dem Job in Verbindung bringe sagt er „Kann gut sein.“ Reden hilft also nicht wirklich. das schlimme ist, dass wir diese Situation schon zwei mal hatten. Einmal über 4 Wochen hinweg, nach meinem Versuch darüber zu sprechen kam von ihm der Gedanke, Schluss zu machen. Haben wir dann natürlich aber doch nicht, weil das eigentlich keiner wollte. Das Problem hatte sich dann mit einem aufregendem Date außerhalb der vier Wände seines Zimmers erübrigt.
Das zweite mal hat er seine Masterarbeit geschrieben, da bin ich gar nicht erst darauf eingegangen, dass wir Flaute haben. Nach Abgabe der Arbeit ging es dann auch langsam wieder bergauf.
Seit seinem neuen Job vor gut sechs Wochen herrscht jetzt auch wieder frostige Kälte. Sex gibts keinen mehr, wir machen nichts außergewöhnliches mehr zusammen weil er sich von der Arbeit erholen will und verbringen unsere zwei bis drei gemeinsamen Abende im Bett beim Serien schauen, wo er immer als erstes einschläft. Wenn ich versuche, ihn rumzukriegen blockt er ab, sagt er sei müde oder etwas ähnliches. Ich weiß wirklich nicht wie ich damit umgehen soll.
Deine Worte spiegeln eins zu eins auch meine aktuelle Situation wieder! Ich bin auch absolut ratlos und am Ende… diese Flaute zieht sich jetzt schon fast übers ganze Jahr… das letzte mal miteinander geschlafen haben wir vor 2 Monaten und das war für mich nicht wirklich prickelnd, weil ich immer im Hinterkopf habe: „Ihm muss es gefallen! Vielleicht läuft es dann wieder!“
Mitte 20, über ein Jahr zusammen und so ein Sexleben.. so habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt:(
Ich bin neugierig… wie ging es denn bei dir aus? @carolin