Sendepause: Wie unser Abstand mir Klarheit verschuf

Trennungen sind scheiße.

Selbst wenn sie nur von zeitweiliger Dauer sind. M. meinte, es wäre doch nicht schlecht, bis zu den Semesterferien im Januar eine Pause einzulegen. Schließlich hatte er ebendiese Situation schon in seinem Erfahrungsrepertoire: Eine gute Freundin (ich) beginnt Gefühle für ihn zu entwickeln, er jedoch nicht. Schließlich verfügt er über diesen magischen Schalter, der Gefühle an und auszuschalten vermag. Ich verfüge über diesen … nicht. Nicht einmal ansatzweise. Auch wenn ich es mir probiert habe einzureden. Wir gehen also auf Sendepause.

Unsere Freundschaft baute von Anfang an auf Gemeinsamkeiten auf. Wir waren im selben Alter, kamen aus der gleichen Stadt und wollten beruflich in der Kreativbranche Fuß fassen. Ich wurde durch Instagram auf ihn aufmerksam und kontaktierte ihn.

Nach einem ersten gemeinsamen Filmprojekt über 900km Distanz trafen wir uns schließlich das erste Mal. Siehe da, er wollte sich von seiner Freundin trennen. Ja ich gebe zu, da hatte ich insgeheim meine Chance gewittert. Das musste ich mir auch selbst erst einmal eingestehen.

Erste Erfahrungen und schlechte Gefühle

Einen Monat später fuhr ich dann nach Berlin zu Besuch. Wir hatten Sex. Davor klärten wir deutlich, dass wir dies beide ohne Gefühle taten. Schupps die wupps waren wir also bei Freundschaft Plus gelandet.

Für mich war es das erste Mal. Ich hatte zu lange gewartet und wollte endlich mit jemandem die Erfahrung machen, den ich mochte und dem ich vertraute. M. schien mir dafür eine gute Möglichkeit. Heute sehe ich, dass ich öfter in unserer Freundschaft über meine eigenen Grenzen gegangen bin. Wenn man jedoch jung ist, will man diese wohl manchmal ausloten. Vor allem wenn man das Gefühl hat, Nachholbedarf zu haben.

Danach schrieben wir viel über Sex und (seine) Dates. Schrieben teilweise stundenlang – Nacktbilder seinerseits inklusive.

Danach schrieben wir viel über Sex und (seine) Dates. Schrieben teilweise stundenlang – Nacktbilder seinerseits inklusive. Sie sollten mir mit meiner eigenen Sexualität helfen, dabei waren sie wohl eher eine Selbstbestätigung für ihn. Für ihn war es klar, dass wir nur befreundet waren, und mir war dies auch bewusst. Doch die ständigen Nachrichten und das Sexting machten mich emotional abhängig von ihm. Ich wollte diese Nähe haben, die mir durch die permanenten Chats suggeriert wurde.

Heute weiß ich, dass ich nicht wirklich in ihn verliebt war. Es war viel mehr ein Wunsch nach Zugehörigkeit und Nähe, die er in mir weckte (genau wie S. davor). Wenn ich dann in schwachen Momenten das Instagram Profil von seiner Ex J. anschaute, wurde mir meistens ziemlich übel.

Sie hatten sich zwar getrennt, doch nach ihren Stories trafen sie sich immer noch eng und regelmäßig. Immer mehr Pärchen-Fotos tauchten auf. Ich sagte davon nichts, denn ich hatte Angst, die Freundschaft zu verlieren. Dennoch, ich war eifersüchtig und fühlte mich mies.

Ich hatte permanent das Gefühl, nicht wichtig genug zu sein und dass er mich nicht sehen wollte. Ich kannte das nur zu gut aus meiner Kindheit und Jugend. Es mag ein Klischee sein, dass unsere Kindheit uns auch im späteren Leben prägt. Doch manche Klischees sind bewahrheiten sich.

Die Nachrichten seinerseits ließen auf sich warten. Ich interpretierte mit meinen Freundinnen was das Zeug hielt. Überraschung: Missverständnisse in Sicht!

Irgendwann platzte dann der Knoten. Ich schrieb ihm von meinen Gefühlen und dass ich nicht wisse, wie wir zueinander stünden. Über die Art und das Ausmaß meiner Gefühle war ich mir selbst nicht im Klaren. Ich war verwirrt. Die Nachrichten seinerseits ließen auf sich warten. Ich interpretierte mit meinen Freundinnen was das Zeug hielt. Überraschung: Missverständnisse in Sicht!

In einer Sprachnachricht bezeichnete ich unsere Freundschaft als toxisch. M. meinte, dann könnte ich ja nun „detoxen“. Da haben wir alle mal gelacht.

Von Exfreundinnen und Prioritäten

Männern scheint es nicht so viel auszumachen, auf Abstand zu gehen. Dabei trat M. von Anfang an als feministisch, anti-sexistisch, Schwiegermutters Liebling auf. Wir Frauen stehen bekanntlich auf nette Kerle. Vor allem auf solche, mit denen wir gut reden können.

Er sagte, ich sei momentan nicht Priorität 1 in seinem Leben. Autsch. Da waren noch seine erste Freundin und seine Ex J., mit der er Dinge klären musste. Klar, verstehe ich (wirklich) und merkte gleichzeitig: Du tust mir nicht gut.

Ich fragte mich, ob ich mich wirklich in dieses chaotische Beziehungsgeflecht begeben möchte. Ob ich in einer Freundschaft sein möchte, in die ich zu viel investiere und projiziere und in der mein Gegenüber mich nur als eine von vielen ansieht. Die Antwort ist Nein.

Hätte ich doch meinen Mund gehalten. Dann hätten wir einfach weitergemacht wie bisher

Es fällt mir schwer auf Abstand zu gehen, denn die Sorge vor dem kompletten Kontaktverlust bereitet mir Unbehagen und triggerte alte Wunden. Öfters dachte ich: „Hätte ich doch meinen Mund gehalten. Dann hätten wir einfach weitergemacht wie bisher.“ Doch die Illusionen sind dahin und es ist nun an mir, mich zu distanzieren und M. in einem neueren und  nicht-rosaroteren Licht zu sehen: mit dem Blick einer platonischen Freundin, die sich auch darin nicht mehr Tiefe erhofft.

Noch zu Beginn unserer Sendepause überlegte ich mir, was ich ihm schreiben könnte, wenn diese Zeit vorüber sei. Es sollte etwas cooles und lockeres sein. Schließlich hätte MIR diese Pause gar nichts ausgemacht. Absolut niente. Ich wäre komplett Zen damit gewesen. Klar oder?

Hier mal ein kleiner Entwurf:

  1. an toter Fisch.
  2. an toter Fisch.

Ist eine Kommunikationsaufnahme in nordische Gewässer wieder möglich?

Bitte. Um. Signal. Pieps.

Ich gebe zu: Ich habe mehrere schlaflose Nächte an dieser Nachricht gefeilt.

Wenn M. sich schon selbst als emotional toter Fisch bezeichnet, dann darf ich dies wohl auch in der Nachricht verwenden oder?

Noch befinde ich mich in unserer Kontaktpause. Überraschenderweise tut sie mir gut.

Noch befinde ich mich in unserer Kontaktpause. Überraschenderweise tut sie mir gut. Mein Kopf fühlt sich freier an, weil ich nicht permanent auf seine Nachrichten antworten muss. Ich spüre mich selbst mehr. Trotzdem hoffe ich, dass wir auf eine gute Art befreundet sein können. Das Potential dazu habe ich noch nicht aus dem Blick verloren.

Phine, war schon immer eine kreativ-verspielte und nachdenkliche Person. Kein Wunder, dass sie ihre Gedanken auf möglichst bunte Weise zu Papier zu bringen versucht. Ansonsten macht sie sich die Welt, widde widde wie sie ihr gefällt und genießt das Leben in ihrer roten Hängematte.

Headerfoto: Maria Orlova (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Puh… und ja, ich kenne das und auch „hätte ich mal meinen Mund gehalten…“ so eine, auch ungewollte, Sendepause ist gut, gut um zu reflektieren, ob man das so will. Ich habe da nein zu mir gesagt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.