Safari der literarischen Herzen – Behind Berlin’s Books

Auf unserer wöchentlichen Buch-Safari, wie wir sie mittlerweile liebevoll nennen, stoßen wir manchmal auf die interessantesten Menschen. Eigentlich sogar immer. Dabei kommt es dann auch schon mal vor, dass wir auf besondere Sprachbarrieren treffen. Das Schöne an Berlin ist ja, dass seine Bewohner von überall her kommen. Genauso wie auch unser New Yorker Jake, der zwar ausgezeichnet Deutsch spricht, sich aber selbst nicht immer sicher in seiner Ausdrucksweise fühlt. Tja, Überwindung hilft. Und etwas, das wir uns bei jeder Runde vornehmen, ist, dass, ganz egal wen wir treffen, wir uns Zeit nehmen wollen, solange derjenige mit uns sprechen möchte.

Als wir am Bahnsteig Charlottenburg auf einen Mann treffen, der ein Heftchen liest und eine große Tüte zwischen seinen Beinen platziert hat, wissen wir noch nicht, dass wir mit ihm nicht so gut sprechen werden können. Aber ganz ehrlich, nur weil man nicht dieselbe Sprache spricht, heißt es ja noch lange nicht, dass man sich nicht auch unterhalten kann!

Thai Guy

Ähnlicher Annahme ist auch der Mann auf der Sitzbank. Er findet es zwar erst mal super eigenartig, dass irgendjemand Interesse daran hat, was er denn da liest, aber schon nach ein paar Minuten finden wir eine super Ebene, miteinander zu kommunizieren: Schlagwörter auf Deutsch, Englisch, Thai, gepaart mit vielen Gesten. Läuft bei uns!

Aus Thailand stammt nämlich dieser nette 45-Jährige, genauer aus Bangkok. Bevor wir ihn ansprachen, las er in einem Lady Kim-Pong Comic, den er von einem Freund geschenkt bekommen hatte. Er ist gerade auf dem Weg in das Restaurant, in dem er arbeitet. Nichts an diesem Gespräch erschien uns mühevoll und am Ende bekamen wir die exakt selben Hintergründe wie von jedem anderen auch. Auf Wiedersehen, Goodbye, Laa goon nakha!

quer thai

„Herr Joseph Giebenrath, Zwischenhändler und Agent, zeichnete sich durch keinerlei Vorzüge oder Eigenheiten vor seinen Mitbürgern aus.“ Erkennt jemand diesen ersten Satz? Die nächste Lesende unserer Buch-Safari ganz sicher. In der S7 treffen wir auf die junge Frau, die in ihren Händen kein unbedeutenderes Buch als Mr. Hermann Hesses Unterm Rad hält. Jenes Büchlein, in dem der Autor eigene leidvolle Erfahrung aus der Schulzeit verarbeitet hat. Eben auch jenes Büchlein mit dem Schüler noch heute gerne im Unterricht gequält werden. Umso besser also, dass die 25-jährige Texterin aus Freiburg der Geschichte um Sohnemann Hans Giebenrath nochmal eine Chance geben will.

Eigentlich war es sogar ein göttlicher Zufall, denn das Buch hatte sie in einer Kirche unter der Bank gefunden. Halleluja! In diesem Fall mochten wir aber nicht nur die Anekdote, sondern auch die Frau selbst. Tatsächlich sind wir mit ihr dann ein paar Stationen mehr gefahren, einfach weil sie so unglaublich sympathisch war.

church girl

Auch wenn man es bei der Momentaufnahme nicht sehen kann, aber ihr dürft uns glauben, dass die Frau beim Erzählen ganz viel gelächelt hat. Wir haben ihr deswegen am Ende auch etwas versprochen. Kommen wir also zu der wirklich wichtigen Frage: Wer hat den Hesse unter die Kirchenbank gelegt?

Genauer Fundort ist die Stadtkirche Neustrelitz. Herzchen, bitte melde dich doch.

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JACOB, diese “ex-corporate drone”, ist ein gebürtiger New Yorker, der in den letzten zehn Jahren in Montréal, Peking und Berlin gelebt hat. Er liebt Menschen in der Realität und auf Fotos und hat immer einen Finger auf dem Auslöser, manchmal merkt man's nur nicht. Wenn er nicht hinter der Kamera ist, steht er am Herd oder hat sein Gesicht in einem Teller.
JUDITH malt gerne Mandalas, will sich demnächst einen Plattenspieler kaufen und ist eine waschechte Buchhändlerin. Sie studierte in Berlin Literaturwissenschaften und Publizistik und ist als Autorin und Texterin tätig. Den Kleinen Prinzen findet sie scheiße und auf ihrem Grabstein möchte sie mal „Books were her Mission“ zu stehen haben. Hier werkelt sie unter anderem an Bock auf Lesen und Wenn du mich fragst.

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