Eigentlich wollten wir nur Herr der Ringe schauen. Gute Freunde waren wir schon seit langer Zeit und du warst umso entsetzter, dass ich deine Lieblingsfilme nicht kannte. Also trafen wir uns nach der Schule, um einen dreistündigen Film nach dem nächsten zu sehen. Du warst einer meiner besten Freunde und als wir beide uns immer näher zusammenrückend auf dem Sofa wiederfanden, war das eine Wendung, mit der ich nie gerechnet hätte.
Plötzlich suchte ich deine Nähe. Wollte in deinen Armen sein und nicht am anderen Ende der Couch sitzen. So fanden sich unsere Hände, Arme, Beine und schließlich unsere Lippen. Unglaublich unerfahren und zaghaft, schön, wie merkwürdig. Ein erster Kuss für uns beide. Ohne es jemals geplant oder ein starkes Gefühl füreinander gehabt zu haben, waren aus zwei guten Freunden wir geworden.
Nur eine Reinfallbeziehung
Eine „Reinfall-Beziehung“ wie ich lange danach noch gesagt habe. Eine Beziehung, in die wir beide einfach reingerutscht sind, weil unsere Hände sich zu gut und unsere Lippen sich so richtig ineinander anfühlten. Charakterlich wusste aber keiner so genau, ob das jetzt wirklich passt. Ob unsere Vorstellung von Liebe dieselbe ist, unsere Herzen im gleichen Takt schlagen und ob für den einen das „Ich liebe dich“ erst nach ein paar Monaten ausgesprochen werden kann, während der andere damit beim dritten Date herausplatzt.
Somit wich das anfängliche Gefühl der Geborgenheit und Richtigkeit dem der falschen Erwartungen. Gleichermaßen entfernten wir uns voneinander. Keiner fand den Mut oder den Elan, die Beziehung wieder in die ehemalige Spur zu lenken und so wurden aus wir wieder du und ich. Nur diesmal waren wir keine Freunde mehr.
Keiner fand den Mut oder den Elan, die Beziehung wieder in die ehemalige Spur zu lenken und so wurden aus wir wieder du und ich. Nur diesmal waren wir keine Freunde mehr.
Lange danach hatte ich noch mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Schuldgefühlen mir selbst gegenüber. Nie zuvor war ich sowas wie verliebt gewesen und hatte immer von „dem Einen“ geträumt. Einer Romanze mit einem Jungen, der mich so sehr liebt, dass er alles für mich und ich alles für ihn tun würde. Ohne Fehler. Eine zweimonatige „Reinfall-Beziehung“, die genauso schnell angefangen wie beendet war, hatte in keiner Weise auf meinem Plan gestanden.
Statt lange in eine Person verliebt gewesen zu sein und dann beim ersten Kuss während eines Sonnenuntergangs aus allen Wolken zu fallen, war ich zwar gefallen, aber nicht in die Arme einer Person, die an meiner Seite bleiben würde. Stattdessen war da nur der harte Boden der Tatsachen und die Scherben unserer Freundschaft.
Ein zweites Mal bist es du
Viel Zeit verging bevor wir wieder anfingen miteinander zu sprechen. Doch an irgendeinem Punkt stimmte es einfach wieder zwischen uns. Aus anfänglichen zarten Kontakt entwickelte sich wieder Vertrauen und schließlich unsere verloren geglaubte Freundschaft zurück. Ein Verhältnis besser als je zuvor. Deine Aufmerksamkeit mir gegenüber wurde stärker. Du begleitetest mich nachts nach Hause und nahmst mich wieder in deine Arme. Ich versuchte dir auszuweichen – unsicher gegenüber deiner Intention und zu beschäftigt mit einem Kopf gefüllt von familiärer Probleme.
Doch unsere Hände fanden wieder zusammen, die nach der langen Zeit noch besser ineinanderpassten als zuvor. Deine Hände waren es, die mir jegliche Vorsicht nahmen. Meine Sorge um unsere Freundschaft und meiner nach wie vor bestehenden Hoffnung auf „den Einen“ verschwammen, bis nur noch ein Gedanke jegliche Zurückhaltung übermannte: Deine Lippen auf meinen. Das Zusammenfinden unserer Hände, Arme, Beine.
Geborgenheit, Nähe, Begierde. So sind aus dir und mir wieder wir geworden. Wenngleich nur im Verborgenen. Unsere Körper wollen einander, ziehen einander an und aus. Doch sicher ist noch immer nicht, ob das auch auf unsere Persönlichkeiten zutrifft. Ob eine Beziehung das Richtige wieder auseinander statt zueinander bringen würde. Eine Beziehung, die sowieso weder du noch ich wollen. Falscher Zeitpunkt, Ort, andere Probleme, die schon zu viel unserer Gefühlswelt einnehmen.
Unsere Seifenblase
Doch du gibst dein Bestes, mir auf deine Art alles zu geben und ich kann nicht anders, als dir mein Herz zu öffnen. Mit jeder Berührung und jedem Kompliment brichst du meine sorgsam aufgebaute Mauer. Mehr und mehr Gefühl liegt in jeder meiner Berührung und in meinem Blick. Doch Aussprechen kann ich es nicht. Aus Angst, dass unsere Seifenblase aus Nähe zerplatzen könnte und ich wieder auf einem viel zu harten Boden lande.
Und selbst wenn in deinem Bauch dasselbe Kribbeln herrscht und du dich – genauso wie ich mich – einer Beziehung stellen würdest, könnte sich die Seifenblase genauso gut wieder auflösen. Beim ersten Mal hat es schließlich auch nicht gehalten. Doch viel Zeit ist seitdem vergangen und in deinen Armen zu liegen fühlt sich zu gut an, um damit je wieder aufzuhören.
Headerfoto: Joanna Nix-Walkup via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild zugeschnitten.) Danke dafür!