Mein spiritueller Hamster

Ich lebe in einer Beziehung. Mit Leia. Leia hat schöne, rote Haare, ein paar Gramm zu viel auf den Rippen und immer kalte Füße. Sie verschläft den ganzen Tag, ich muss also kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich tagsüber arbeite und sie alleine lasse. Abends wacht sie auf, reckt und streckt sich erst einmal genüsslich und gähnt herzhaft. Und dann möchte sie Aufmerksamkeit. Sie ist so planbar, wie ein Hamster eben sein kann. Stellt keine Ansprüche, so lange immer genug zu fressen da ist und sie ihre Streicheleinheiten bekommt. Ich wusste bis dato nicht, dass Hamster auch kuscheln, Leia fordert das nachdrücklich ein, indem sie demonstrativ am Fenster ihres Terrariums hockt und mich mit ihren großen Knopfaugen anstiert. Ich kann mich unmöglich konzentrieren, wenn sie das tut. Ich nehme sie dann heraus und wir schmusen. Ich wünschte, alle Frauen wären so einfach wie Leia. Und mit einfach meine ich in diesem Kontext einen Zustand der Klarheit: Ich weiß genau, was ich will. Und was mir zusteht.

Seit ich etwas unfreiwillig wieder Single geworden bin, komme ich nicht umhin, mich immer wieder zu fragen, warum sich Männlein und Weiblein das Leben gegenseitig so schwer machen. Wer seine Stichproben in den klassischen Habitaten wie Fitnessstudio und Club oder Bar zieht, müsste sich als stiller Beobachter die Stirn wundklatschen: Alle wollen das eine, aber sie wollen nicht, dass der jeweils andere sieht, dass man es will.

Leia wuchtet gerade ihren fülligen Hintern auf eines der Häuschen in ihrem Terrarium, weil sie die Gänseblümchen, die ich zuvor für sie gesammelt und dort hingelegt habe, gefunden hat und nun hingebungsvoll schmatzend verspeist. Habt ihr mal einen Goldhamster gesehen, der in seinen beiden Pfoten eine Gänseblume hält und Stück für Stück die Blütenblätter abzupft? Danach könnt Ihr glücklich sterben.

Wir könnten so viel vom Hamster lernen. Hamster wissen, was sie wollen: Fressen, Schlafen, ab und an etwas Zerstreuung. Menschen wissen das in der Regel nicht. Und woher soll nun das Universum (oder an welche Macht man sonst so glaubt) wissen, was es einem zukommen lassen soll, wenn man es selbst nicht einmal weiß? Die Frage hat mich lange beschäftigt, darum habe ich mich um Antworten umgesehen. Ich arbeite zum Beispiel seit einiger Zeit mit Collagen. Schnipple aus Zeitschriften Bilder aus, die mich ansprechen oder Dinge zeigen, die ich mir wünsche oder begehre. Das pappe ich dann auf ein großes Blatt Papier und hänge mir die Dinger überall hin, daheim oder im Büro, ganz egal. Das Gute an den Bilderteppichen: Angeblich müssen wir uns die nicht einmal bewusst ansehen, wir nehmen sie trotzdem wahr und arbeiten so ständig an deren Erfüllung. Klingt nach Hokuspokus? Mag sein, aber ich finde es produktiver als der Willkür die Zügel in die Hand zu geben. Außerdem habe ich nach einiger Zeit im Selbstversuch festgestellt, dass sich die Dinge auf meinen Collagen allesamt nach und nach erfüllen, teilweise mit verblüffender Genauigkeit. Und bei wem es nicht klappt: Immerhin hat der dann einen schönen, selbst gebastelten Wandschmuck.

Was mir bei meiner Recherche ebenfalls aufgefallen ist: Egal welche Lehre oder Religion oder spirituelle Glaubensrichtung man verfolgt, sie alle scheinen einen gemeinsamen Kern zu haben. Bestimmte Elemente tauchen immer und immer wieder auf, zum Beispiel die Dankbarkeit. Das Ho’oponopono, ein hawaiianisches Vergebungsritual, baut genauso auf Dankbarkeit auf wie die meisten Yoga-Strömungen, ebenso die Lehren westlicher Gurus wie Robert Betz oder Rüdiger Dahlke. Das, wofür wir dankbar sind, kommt vielfach in unser Leben, so der einvernehmliche Tenor. Und ich habe festgestellt, dass ich mir nichts abbreche, wenn ich öfter Danke sage. Zu anderen Menschen, aber auch zu mir, zu bestimmten Situationen und Gegebenheiten. Es fühlt sich gut an und ich rate jedem, auch hier einen Selbstversuch zu starten. Ich schreibe mittlerweile sogar ein Dankbarkeits-Tagebuch, jeden Abend vor dem Schlafengehen. Darin taucht auch ganz oft Leia auf. Inwiefern Leia selbst dankbar ist, kann ich schlecht beurteilen. Sie wirkt allerdings sehr ausgeglichen auf mich. Und wird dafür von mir täglich mit den besten Leckereien versorgt und es ist mir dabei völlig egal, ob mich jemand für irre befindet, wenn ich auf allen Vieren im Garten herumkrieche, um die schönsten Löwenzahnblätter zu ernten. Man könnte also daraus umkehrschließen, dass Leia eine sehr dankbare Hamsterdame ist. Gerade sitzt sie allerdings wieder an der Scheibe und versucht, mich zu hypnotisieren. Darum kann ich jetzt nicht weiterschreiben.

Muss den Hamster kuscheln.

Andreas Karosser, geboren 1982, Mediengestalter, studierter Germanist und Kommunikationswissenschaftler, (aus)gebildeter Versicherungsfachmann, fotografiert gern schöne Frauen, mag gute TV-Serien, Kinofilme und seine Hamsterdame Leia. Autor der beiden erotischen Heimatkrimis „Dirndl Porno“ und „Dirndl Swinger“. Er würde gerne Gitarre spielen können, weil er laue Grillabende schätzt, hat mal Pfeife geraucht und ist der Spiritualität und dem Pfad der Erleuchtung nicht abgeneigt. Mehr von Andreas gibt es auf Mardermolch und seiner FB-Seite.

Headerfoto: Ricky Kharawala on Unsplash.com. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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