Ich habe sie mir mühsam aufgebaut, meine Mauer. Mein Reich, mein Castle. Habe Gräben ausgehoben, einen Fluß davor gefüllt und mir in nächtelangen Rotweinorgien meine Zimmer dekoriert. Ausgemalt in allen Farben und Formen. So entstand meine Burg, ohne Risse, ohne Spalten. Die Mauern mit jeder Begegnung dicker, der Graben breiter. Und ich immer mehr ich selbst im Turm – allein, aber nur selten einsam.
Manchmal holte ich mir Narren rein, etwas Spaß darf doch dabei sein. Sie kamen und gingen, ohne jegliches Gefühl. Zum Teil beschmutzen sie nicht einmal mein Geschirr, ihr Aufenthalt war zeitlich begrenzt und ich konnte sie schnell entfernen. Aus meiner Burg, aus meinen Gedanken.
Ich habe sie mir mühsam aufgebaut, meine Mauer. Mein Reich, mein Castle.
Über ein Jahr hat der Aufbau stattgefunden. Eine Ruine war es vorher, zerbrochen in Einzelteile, nachdem mein Schloss durch einen absehbaren, aber unvermeidlichen Angriff im letzten Jahr zerstört wurde. Stein für Stein, jeden Tag habe ich daran gearbeitet. Gefeilt. Mir in Gedanken die nächsten Schritte überlegt.
Gärten angelegt und sie wieder umgegraben und neu aufgebaut. Habe im Sommer Wege gelegt, die ich im Herbst wieder zerstörte. Weil sie da nicht mehr hingehörten. Habe es mir nach und nach schön gemacht, immer sicherer und geborgener.
Nachdem ich im Sommer im Garten gearbeitet habe und die Fassade hübsch war, begann ich im Herbst mit der Inneneinrichtung. Ich war gerade dabei, Decken zu sticken aus alten Stofffetzen, mein Leben zu reflektieren und neu zusammenzusetzen, vor meinem warmen Kamin, den ich mir vor dem Winter noch zulegte. Da kamst du.
Du machtest mein Reich warm und selig, brachtest Sonne mit (und zum Glück auch Champagner).
Ein Sturm riss mir das Dach weg und den Boden unter den Füßen. Für einen kurzen Moment brauchte ich weder Decke noch Kamin. Du machtest mein Reich warm und selig, brachtest Sonne mit (und zum Glück auch Champagner). Für einen Moment wurde ich schwach. Du konntest meine Teller mitbenutzen, aus meinen Gläsern trinken und auch ein Bett mit mir teilen. Ja, du warst auch am Morgen noch da. Und fingst sogar an, meine Burg zu akzeptieren, ich akzeptierte dich in meinem Schlösschen.
Dann fiel auf einmal der erste Putz. Ich nahm es nicht wahr, betrachtete mich zu wenig, reagierte zu langsam.
Dann fiel auf einmal der erste Putz. Ich nahm es nicht wahr, betrachtete mich zu wenig von außen und reagierte zu langsam. Ich kam nicht mehr hinterher mit dem Ausbessern, Heilemachen und es war geschehen; die Mauer fiel, nach und nach.
Und du? Du musstest weiterziehen. Zur nächsten Burg. Ins nächste Land. Nun fange ich wieder an. Habe Mörtel und Kleister in Form von Rotwein und Prosecco gekauft und baue mein Schloss wieder auf. Und diesmal werden die Mauern noch dicker, weniger brüchig.
Aber gibt es nicht eigentlich bei jeder Geschichte mit einem Schloss ein Happy End?
Headerfoto: Konstantin Kopachinsky via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Foto gecroppt.) Danke dafür!