Meine große Liebe verlor ich damals als ich nach Berlin gezogen bin und sie nach Weimar. Gescheiterte Fernbeziehungsgeschichten gibt es in Berlin zu Hauf. Weil Fernbeziehungen nun mal schwer sind. Sitzt man noch eng beisammen, ist es einfach, das lodernde Lagerfeuer der Liebe am Leben zu erhalten, da schnellstmöglich aufeinander eingegangen werden kann. Bevor der Partner anfängt zu frieren, kann direkt Holz nachgelegt werden. Beide halten sich gegenseitig warm. Alles ist perfekt. Alles ist romantisch.
Bei einer Fernbeziehung verlässt jedoch einer den Platz am Lagerfeuer. Wie schwer es ist, aus 500km Entfernung ein Lagerfeuer am Leben zu erhalten, brauche ich hier wohl nicht zu erwähnen. Du bekommst nicht richtig mit, wenn dein Partner anfängt zu frieren. Du kannst nur ab und an Holz rüber schicken in der Hoffnung, dass es dein Partner annimmt und auch das Richtige damit anzufangen weiß. Früher oder später wird die Flamme jedoch auf diese Weise einfach automatisch weniger – es kühlt ab. Früher oder später wird es der Fall sein, dass neben deinem begehrten Partner eine andere Person auftaucht – mit einer brennenden Mülltonne oder so was.
Ich meine, es ist kein wunderschön romantisches Lagerfeuer wie bei euch, sondern nur eine scheiß brennende Tonne. Aber in dem Moment strahlt diese verschissene Tonne einfach mehr Wärme aus, als es dein mickriges Fernbeziehungsfeuer jemals könnte. Klar könnte der andere sich daran erinnern, wie toll das Lagerfeuer mit dir gewesen ist und ewig weiter versuchen Holz nachzulegen, in der Hoffnung, dass es noch mal so schön wie früher wird.
Oder er scheißt drauf, geht zur warmen Tonne und chillt sein Leben.
Verständlich.
Eine Freundin von mir hatte auch in Weimar studiert und führte dort drei Jahre lang eine – wie sie meinte – wundervolle Beziehung. Trotzdem fügte sie an, dass, wenn sie sich in Berlin kennengelernt hätten, sie wohl nie zusammengekommen wären. Die Warum-Frage konnte sie leicht beantworten: Neben Goethe und Schiller gibt es in Weimar gefühlt noch zehn andere Männer. Von den zehn sind mindestens neun nicht machbar – also nimmt man die Nummer 10 und bleibt bei ihm, da es alleine in einer Kleinstadt echt scheiße ist.
Irgendjemanden zum Reden und Austauschen zu haben ist in Kleinstädten wichtig. In Berlin findet man solche Personen an jeder Ecke. Zuhauf. Viel zu viele sogar. Das macht das Beziehungsleben hier etwas schwer. Egal ob für jemanden, der eine Beziehung sucht oder schon eine hat.
Ich erinnere mich öfter an einen Facebook-Post zurück, in dem ein junger Mann um Rat bat, da er in der Bahn seine Traumfrau entdeckt hatte, welche zeitnah auszusteigen drohte. Die weisen Worte eines Ur-Berliners dazu waren, die Dame doch einfach aussteigen zu lassen und zu warten, bis die nächste Traumfrau einsteigt. Wozu auch die Mühe? Wir sind ja immerhin in Berlin. Da geht das. Berlin hat ein unerschöpfliches Angebot. Wie Kaufland.
Früher wohnte ich in meinem Dorf neben einem Edeka. Im Edeka Waschmittel kaufen ist einfach, denn Edeka hat nur zwei Sorten: ein günstiges und ein scheiß teures. Jedem, der einmal das günstige probiert hat und zufrieden damit war, dem fällt auch die Entscheidung leicht, welches Waschmittel er bis an sein Lebensende benutzen wird.
Als ich nach Berlin kam, war das anders. Denn Berlin hat Kaufland. Erst als ich dort drin stand, fiel mir auf, dass ich mir noch nie so richtig Gedanken über Waschmittel gemacht habe. Ich stand dort plötzlich vor einem gigantischen Angebot. Für bestimmte Farben/Stoffe, besonders sanft, verschiedene Gerüche, verbesserte Formel etc. Mir war klar, dass ich auf der Suche nach einem Waschmittel war, aber welches genau davon nun das Passendste war? Keine Ahnung.
Sich im Kaufland für ein Waschmittel zu entscheiden, ist wie die Partnersuche in Berlin: Eine drastische Entscheidung. Bleibe ich bei meinem alten Waschmittel, welches mir die letzten Jahre immer treue Dienste geleistet hat oder wechsel ich zu einem neuen Produkt, welches interessanter, besser, frischer wirkt und mir ein noch angenehmeres Leben verspricht? Unter den tausenden Waschmitteln kannst du garantiert einige finden, die zufriedenstellend sind – aber auch viele, die sich am Ende nur als schlechte Werbeversprechen herausstellen.
Auf ein neues Waschmittel umzusteigen, ist ein Risikospiel. Klar kannst du bei einem Fehlgriff wieder versuchen, auf das alte Waschmittel zurückzugreifen, aber wahrscheinlich wird deine Kleidung, wenn sie einmal falsch gewaschen wurde, nie wieder so schön sein wie früher. Dann gibt es kein Zurück. Ein Wechsel empfiehlt sich deshalb meistens nur, wenn sich die Rezeptur deiner bisherigen Marke wirklich zum Negativen verändert hat. Und dann stehst du vor diesem riesigen Kaufland Regal.
Sich bei der großen Berliner Auswahl festzulegen, fällt schwer. Nicht nur, weil im monatlichen Rhythmus stetig neue Produkte auf den Markt geworfen werden, sondern auch, weil sich alle nur minimal voneinander zu unterscheiden scheinen. Es lädt förmlich dazu ein, die Produktpalette einmal querbeet auszutesten, bevor du dich festlegst. Wenn du es überhaupt schaffst, dich tatsächlich auf ein Produkt festzulegen und bei deinen kommenden Kauflandtouren alle Neuzugänge gekonnt zu ignorieren.
Manchmal hilft es, sich Dinge in Metaphern zu erklären. Für mich ist Liebe wie Waschmittel kaufen. Und da du dir sicher sein kannst, dass der ständige Produktwechsel auf Dauer einfach deine Kleidung zerstören würde, kannst du dir auch sicher sein, dass sich jeder früher oder später irgendwann mal festlegen wird. Denn wenn was passt, dann passt es.
Bewusst sollte dir dabei nur sein, dass es sich bei dir genauso um ein Waschmittel im großen Kaufland-Sortiment handelt und du von Personen probiert wirst, welche sich dann nach einer Weile doch umentscheiden. Ist blöd, aber passiert. Es gibt viele Menschen, die Situations- und Gefühlsbedingt im Sommer Lust auf Ananasduft-Waschmittel verspüren und im Winter mehr auf ein Waschmittel, welches ihre Pullover weicher macht.
Als Waschmittelfirma solltest du dir aber deswegen nicht den Kopf zerbrechen, ob du auf dem Markt etwas falsch machst, wenn du von den meisten im Halbjahresrhythmus versetzt werden solltest. Klar erreicht ein neutrales Standard-Waschmittel ein größeres Publikum als eins, das nach Ananas riecht. Aber es gibt ja auch Leute, die das ganze Jahr Lust auf Ananasduft haben. Und für solche bist du dann.
Und die würden dich dann auch nie wieder eintauschen wollen.
Headerbild: Christian Chen via Unsplash.com. („Gedankenspiel-Button“ hinzugefügt.) Danke dafür.
toller Artikel !
@ Matthi: – die Metapher beschreibt die große Auswahl die wir heute haben. im vergleich zu den 50ern haben wir jetzt die Möglichkeiten viel mehr menschen kennenzulernen und sich miteinander zu verbinden und auszutauschen.
und das Fazit zeugt von einer Generation die rein garnicht kapitalistisch rational – sondern rein menschlich gefühlsgesteuert.
Der Vergleich von Menschen mit „Produkten“, die man nach rationalen Gründen auswählt, kann falscher nicht sein und zeigt das eigentliche Problem des Autors und unserer Gesellschaft.Die kapitalistische Landnahme in den Köpfen ganzer Generationen schreitet voran…
Unglaublich passend…das Problem einer ganzen Generation hätte nicht perfekter ausgedrückt werden können❤️
Das ist so wunderschön, der Text ist perfekt!
Fazit: Sei auch du eine Ananas! ^^
Und was hast du gemacht, Miguel? Bist du beim Alten geblieben und fährst zum waschen nun immer nach Weimar, oder hast du ein neues, passendes Waschmittel gefunden? Oder bist du etwa dauerhaft am Probieren, welches Mittel nun passt und versaust dir damit deine Wäsche?
Ich finde Waschmittel kaufen ganz einfach – ich nehme einfach immer das billigste. Vielleicht sollte ich diesem Prinzip auch bei der Partnersuche folgen?
Passender Vergleich. Ich bin frisch aus Duisburg hierher gezogen. So viele Menschen bin ich nicht gewohnt.