Liebe 2021: Zum perfekten Match durch Algorithmen, KI und bald auch DNA Matching?

Mir ist bewusst, dass ich mit dem Thema Liebe und Beziehung ein riesengroßes Fass aufmache. Aber es ist einfach das, worum sich am Ende des Tages alles dreht, selbst wenn es um Selbst-Liebe und nicht die zu einem anderen Menschen geht. Dieser Text soll aber genau davon handeln: Liebe und Beziehung im Jahr 2021! Was macht sie aus? Was beeinflusst sie? Wie stark hat sie sich verändert?

Liebe und Digitalisierung

Nun dauert meine eigene Reise, in welcher Männer ein großes Thema in meinem Leben spielen, bereits über 20 Jahre an. Das heißt, ich bin ein typisches Kind der analogen Dating-Welt. Auch deshalb empfinde ich den Unterschied, jetzt mit Mitte 30 wieder zu daten als so massiv. Genauer gesagt fühlt es sich an, als lägen Welten dazwischen.

Es gab eigentlich für mein 20-Jähriges Ich in den Anfängen der 2000er Jahre keine Möglichkeit, im Alltag nicht zu flirten oder Männer kennen zu lernen. Es konnte im Grunde 24 Stunden am Tag passieren: In der Bahn oder im Schulbus, im Café, mitten auf der Straße, im Verein oder eben nachts im Club bzw. wo auch immer man sich außerhalb der eigenen vier Wände aufhielt, lag da diese Option in der Luft.

Es gab eigentlich für mein 20-Jähriges Ich in den Anfängen der 2000er Jahre keine Möglichkeit, im Alltag nicht zu flirten oder Männer kennen zu lernen.

Heute gibt es Dating-Apps, die gefühlt alle analogen Möglichkeiten abgelöst haben. Kaum ist eine Beziehung beendet und man ist wieder Single, meldet sich gefühlt jede:r bei Tinder an. Oder schon vorher. Oder währenddessen. Manch eine:r meldet sich wahrscheinlich gar nicht mehr ab.

Laut einer Parship-Studie aus dem Jahr 2018 hat rund jede:r zweite Deutsche schon einmal online nach einer neuen Liebe gesucht (53 Prozent). Von den Singles, die aktiv nach einem Partner oder einer Partnerin suchen, nutzen 90 Prozent dazu das Internet. Ich denke, mehr Zahlen braucht es nicht, um zu verstehen, wie heute gedatet wird. Aber was bedeutet das wirklich? Was macht diese Tatsache mit unseren Beziehungen zum anderen Geschlecht?

Algorithmen, KI und das perfekte Match

Algorithmen sind mittlerweile aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie bestimmen die uns angezeigten Werbebotschaften auf Basis unseres Surfverhaltens, sagen voraus, welche Filme und Serien uns als nächstes interessieren könnten und bestimmen die Themen unserer Feeds in sämtlichen sozialen Medien. Der Algorithmus weiß also, was du als nächstes kaufen sollst, bevor du selbst weißt, dass du es überhaupt willst. Warum also auch nicht den:die vermeintlich perfekte:n Partner:in?

Man muss an der Stelle natürlich differenzieren, denn nicht alle Dating-Plattformen wie Parship, eDarling oder ElitePartner basieren auf Persönlichkeitsfragebögen, deren Ergebnisse mit schlauen Algorithmen die Paarungswilligen mit ähnlichen Einstellungen und Interessen nach Übereinstimmungsgrad miteinander zu machen. Bei Tinder ist das Ganze, ich sag mal, etwas einfacher gestrickt. Rechts wischen: Will ich! Links wischen: Weg damit! Kein Wunder, dass Dating oft mit Online-Shopping verglichen wird.

Zuletzt habe ich gelesen, dass sieben Prozent sich vorstellen können, mittels künstlicher Intelligenz den:die perfekte:n Partner:in zu finden. What? Das klingt erstmal wenig, aber ich finde, dass es sich nur zwei vorstellen können, ist doch irgendwie befremdlich. Vermutlich sind aktuell noch so viele skeptisch, weil die Partnersuche ein derart emotionales Thema ist und die Hemmschwelle, die Entscheidung der Partner:innenwahl an eine Maschine abzugeben, aktuell noch etwas höher liegt. Ich bin sicher, dass auch diese in den nächsten Jahren mehr und mehr sinkt. Dabei ist es eigentlich nur der nächste logische Schritt.

Tinder ist dran: Die Funktion Super Likable“ beispielsweise ist ein Schritt in diese Richtung, denn es werden den Nutzer:innen vier Profile vorgeschlagen, die auf Basis des Wischverhaltens ermittelt werden. In den USA (Wo auch sonst?) gibt es bereits einige Apps wie zum Beispiel Hinge, die Machine Learning einsetzen, um den User:innen immer passendere Machtes vorzuschlagen, da die App von Vorlieben und Verhalten lernt und so die Vorschläge kontinuierlich „optimiert“ – hin zum perfekten Match!?

Wenn man über die ‚Zukunft‘ des Online-Datings nachdenkt, ist man mit künstlicher Intelligenz noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen: Nein, es gibt noch eine Steigerung – DNA Matching!

Wenn man über die „Zukunft“ des Online-Datings nachdenkt, ist man aber mit künstlicher Intelligenz noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen: Nein, es gibt noch eine Steigerung – DNA Matching! Laut den Gründer:innen der App DNA Romance sollen mit Hilfe eines DNA-Tests die wesentlichen Elemente hinter dem „Duft der Liebe“ entschlüsselt werden und in Kombination mit idealen Persönlichkeitskombinationen Partner:innen gematcht werden, die erfolgreiche Beziehungen führen können. Das ist Real-Life Science-Fiction.

Kein Wunder, dass sich so viele Start-Ups und App-Entwickler:innen auf die digitale Partner:innensuche stürzen. Daraus ist ein bald milliardenschwerer Wirtschaftszweig geworden: Die weltweite Umsatzprognose liegt laut Statista bis zum Jahr 2023 bei 2,36 Milliarden Euro. Oh Wunder, oh Wunder ist Facebook gerade dabei, ebenfalls in den Online-Dating Markt einzusteigen. Mit der weltweit größten Community und somit auch meisten Singles innerhalb einer einzigen Community wird dieses Projekt womöglich der nächste Goldesel im Zuckerbergschen Universum.

Verantwortung abgeben

Apps sagen uns was, wann und wieviel wir täglich essen dürfen, wieviele Schritte wir am Tag gehen sollen und finden für uns die große Liebe. Wir legen mit dieser Entwicklung unsere Grundbedürfnisse wie Nahrung, Bewegung und Nähe bzw. Liebe in die Verantwortung von Maschinen. Wir hören auf, auf unser Bauchgefühl zu hören, das uns durch Magenknurren laut deutlich macht, wann es Zeit ist zu Essen und wenn wir in der Lage sind, auf unseren Körper zu hören, auch, wann es genug ist.

Wir rennen blind durch die Welt, sehen die ganzen Möglichkeiten, im Außen jemanden kennenzulernen nicht mehr, weil wir nur noch damit beschäftigt sind, ins Handy zu starren. Fahrt in den Großstädten Deutschlands einfach nur eine Zeitlang mit der U-Bahn und ihr wisst, was ich meine. Ich habe die Vermutung, dass wir immer mehr verlernen, auf uns selbst zu hören, auf unser Gefühl, auf unser Innerstes – weil wir die Verantwortung für uns selbst an digitale Anwendungen abgeben. So nun auch die Liebe.

Kann ein Algorithmus oder künstliche Intelligenz uns besser sagen, wer zu uns passt, als es unser Herz in der Lage ist, zu tun? Nur dann, wenn wir aufhören, uns selbst zu vertrauen und verlernen, auf unser Herz zu hören.

Natürlich sind das alles überspitzte Szenarien, die ich hier anführe, aber erste Tendenzen in diese Richtung zeichnen sich definitiv ab. Um nun aber für das Ende dieses Textes noch die positive Kurve zu bekommen, möchte ich für eines plädieren: Geht mit offenen Augen durch das Leben und haltet die Verantwortung für euch selbst ganz fest. Dann kann ein Blick schräg gegenüber in der U-Bahn vielleicht doch noch zu einem echten Date führen.

Ich plädiere ebenso für Mut, denn man muss sich selbstverständlich auch trauen, dieses sympathische Gegenüber anzulächeln und anzusprechen. Selbst wenn am Ende „nur“ eine Freundschaft daraus wird, habt ihr schon gewonnen! Ach ja, bei einer Abfuhr wegen mangelndem Interesse, verheiratet oder whatever geht die Welt auch nicht unter und dreht sich morgen munter weiter.

Rebekka beobachtet und hinterfragt. Außerdem ist sie auf Reisen. Innen und Außen, mal mehr mal weniger aber nie im Stillstand. Den Fakten nach ist sie 37, Marketing-Frau und Journalistin. In ihren Texten widmet sie sich voll und ganz dem Leben: Mal wild, mal rauh, mal zart, mal auf dem Kopf stehend, mal gegen den Strom schwimmend, mal im Fluss aber vor allem immer echt. Was sie sonst bewegt sind: Gesellschaftliche Strömungen, Digitalisierung und deren Auswirkung auf unsere Lebenswelt, Bücher, Natur, persönliche Weiterentwicklung und was ihr sonst so im Kopf rumschwirrt und das Leben so spannend macht. Mehr von ihr gibt es hier.

Dieser Text ist bereits hier erschienen.

Headerbild: Aiony Haust via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!

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