Kopfkino – Wie ein Satz alles zerstörte

„Sandra ist meine Freundin.“ Ein Satz, der für mich alles zerstört, was ich mir in den letzten Tagen so schön zurecht gebaut hatte.

Es war vor ungefähr zwei Jahren. Kennengelernt haben wir uns über Tinder – wie auch sonst. Er war weder mein Typ, noch hat er mich besonders beeindruckt. Und trotzdem hatte ich, als ich am Abend in seinem Arm lag, das Gefühl, als wäre ich endlich angekommen. Er war das, was ich gesucht aber bisher nicht gefunden hatte. Dieses Gefühl, in dieser Intensität, kannte ich bis dahin nicht. Das man sich jemandem so verbunden fühlt, den man doch eigentlich gar nicht kennt.

Dass da ein Kind und eine dazugehörige Mutter waren, war für mich kein Problem. Dachte ich zumindest.

Die ersten Tage von dem, was wir hatten, waren wie ein Traum. Ein Traum, aus dem ich nur ungern aufwachen wollte. Nach und nach entwickelte sich diese Träumerei allerdings zu einem großen schwarzen Loch. Ein Loch, das mich zu verschlingen drohte und zu einer Person machte, die ich nie sein wollte.

Ich mochte ihn so sehr, dass die Angst, ihn zu verlieren größer wurde, als das eigentliche Glück, bei ihm zu sein. Mein Kopf war voll mit Gedanken, die da nicht sein sollten, die mir mein Leben unerträglich machten. „Ich mag dich“, hieß für mich „Lieben werde ich dich nie“. „Ich freue mich, dich zu sehen“ hieß „Ob du da bist oder nicht, ist mir egal“. Und „Ich versuche wirklich, alles unter einen Hut zu bringen“ hieß „Auf meiner Prioritäten-Liste stehst du ganz unten“.

Und das alles nur, weil die Mutter des Kindes ein Problem damit hatte, dass da wieder jemand in seinem Leben war. Deshalb war ich zwar da, aber eben nur dann, wenn sie es nicht war. Tag für Tag malte ich mir neue Szenarien aus, in denen er mit ihr am Küchentisch sitzt, obwohl er doch eigentlich „nur die Kleine vorbeibringen wollte“. Szenen, in denen sie von ihrem Leben erzählt und er von seinem – ohne auch nur ein Wort über mich zu verlieren.

Wenn der Kopf macht, was er will, verliert man jegliche Kontrolle über sich und das eigene Leben. Man steht neben sich und beobachtet, wie man sich selbst zu Grunde richtet. Wie man Stück für Stück an den eigenen Gedanken zerbricht.

„Wollen wir es versuchen?“, fragte ich an einem Mittwochabend. „Ja, lass es uns zusammen versuchen“, antwortete er. Donnerstagmorgen schrieb ich „Es ist wohl besser, wir lassen es“ – einfach nur, weil ich ein weiteres Mal von ihm hören wollte, dass er mich nicht aufgibt. Aber er gab mich auf.

Ich heulte mir monatelang die Augen aus. Besser wurde es nicht, aber erträglicher.

Die vergangenen Tage, in denen ich ihn mit Zweifeln bombardiert hatte, hatten eben ihre Spuren hinterlassen. Ich hatte es uns zu schwer gemacht. Die Leichtigkeit wich meiner Paranoia. Die Verliebtheit wurde zur Obsession. Ich wurde zu einem Menschen, den ich selbst verabscheute. Es war vorbei. Ohne viele Worte. Ich heulte mir monatelang die Augen aus. Besser wurde es nicht, aber erträglicher.

Vor ein paar Tagen sah ich ihn dann wieder. Einfach so. Ich aß gerade eine gefüllte Aubergine, als er am Fenster vorbeilief. Plötzlich war alles wieder da. Ich schrieb ihm. Er antwortete. Für ein paar Tage hatte ich die Hoffnung, wir könnten noch mal von vorne anfangen. Ich könnte ihm zeigen, dass ich wieder der Mensch bin, den er mal so toll fand. Bis zu dieser einen Nachricht.

„Sandra ist meine Freundin.“ Ein Satz, zu dessen Anfang ich mir immer meinen Namen wünschte. Die Welt blieb plötzlich stehen. Ich bekam keine Luft mehr. Schluckte. Zündete mir die zweite Zigarette an. Nahm einen Schluck von meinem Wein. Träne für Träne floss über meine Wangen. Das war‘s. Zwei Jahre lang war er in meinem Kopf und meinem Herz. In dieser Zeit hatte Sandra den Weg in seins gefunden.

Ich wünsche ihm nicht, dass er mit ihr glücklich wird. Weil ich egoistisch bin und finde, er sollte mit mir glücklich werden. Bis heute weiß er nicht, wie viel ich für ihn empfunden habe. Er weiß nicht, dass ich damals jegliche Kontrolle verlor. Dass er eigentlich nichts falsch gemacht, ich aber große Probleme hatte.

Er weiß nicht, dass ich ihn immer noch mag. Dass ich mir immer noch ein Leben mit ihm vorstellen kann.

Immer noch.

Trotz Sandra.

Käthe wohnt seit Juni letzten Jahres in Leipzig. Ein Ortswechsel, der ihr helfen soll(te), wieder zu sich selbst zu finden. Sie arbeitet als Grafikerin bei einem Onlineshop, träumt aber davon, irgendwann mit Kochen und Backen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie wartet darauf, glücklich zu werden. Glücklich mit sich, ihrem Leben, aber auch in einer Partnerschaft. Tatsächlich wünscht sie sich nichts mehr, kann die Vergangenheit aber einfach nicht hinter sich lassen. Das Schreiben hilft ihr an besonders schlimmen Tagen, nicht den Verstand zu verlieren und so vielleicht doch irgendwann wieder mit sich selbst im Reinen zu sein.

Headerfoto: Frau im Bett via Shutterstock.com! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

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