Hat uns die Pandemie den Sinn des Lebens genommen – Oder gab es den sowieso noch nie?

Wieso ich so einen Drang habe, diesen Artikel zu schreiben? Ich weiß es nicht. Aber vor einigen Wochen ist mir etwas klar geworden und dann habe ich heute diesen Artikel gelesen. Es geht um die innere Leere und Sinnlosigkeit, die sich mit Corona im eigenen Leben breit macht.

Ich kenne diese Leere. Ich kenne diese Sinnlosigkeit. Und ich beobachte diese kollektive Depression, die wie ein schwarzer Nebel zwischen den Menschen hängt. Der sich wie farblose Polarlichter über unseren Köpfen breit macht und so unglaublich mächtig und erdrückend ist.

Ich kenne diese Leere. Ich kenne diese Sinnlosigkeit. Und ich beobachte diese kollektive Depression, die wie ein schwarzer Nebel zwischen den Menschen hängt.

Wieso fehlt es uns so sehr, etwas zu unternehmen? Wieso führt die Abwesenheit der alltagsfüllenden Aktivitäten langsam aber sicher jede:n Einzelne:n an den Punkt der Sinnlosigkeit und der lähmenden Regungslosigkeit?

War es früher besser?

Immerhin hatten wir auch früher nicht bei jedem Cafébesuch die Zeit unseres Lebens. Wie oft waren wir genervt von den repetitiven Abenden in den Clubs dieser Welt? Wie oft im Konflikt mit der unumstößlichen Wahrheit unserer progredienten Prokrastination und Zerstreuung?

Der Punkt ist: Niemand hat den Sinn des Lebens gefunden. Viele haben gar nicht erst bewusst danach gesucht. Und trotzdem ist es diese Frage, die uns alle innerlich antreibt. Jede:n Einzelne:n von uns. Wenn das Leben keinen Sinn ergibt, wieso sollten wir dann hier sein? Wenn ich keinen Sinn mache, wieso löse ich mich dann nicht einfach auf?

Wenn ich keinen Sinn mache, wieso sollten wir dann hier sein? Wieso löse ich mich dann nicht einfach auf?

Die meiste Zeit sind wir beschäftigt mit flirten, arbeiten, Kaffee trinken, tanzen, einkaufen oder gemeinsam rumsitzen. Und all das schüttet Dopamine aus. All das macht uns irgendwie, summa summarum mehr oder weniger glücklich. Und im Zustand des Glücklichseins beschäftigen wir uns nicht mit Fragen nach dem Sinn des Lebens.

Deswegen sind wir alle Getriebene, ständig auf der Suche nach Ablenkung, ständig auf der Flucht vor dieser Wahrheit: Wir alle befürchten, dass es doch eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt. Und unterbewusst denken wir auch zu wissen, wie sie lautet. Nämlich dass es ihn nicht gibt. Dass das Leben an sich keinen Sinn macht. Dass auch dein Leben nicht den einen geheimen Sinn hat, den es nur noch gilt heraus zu finden. Wir können nicht finden, was nicht da ist.

Wir sind alle Getriebene, ständig auf der Suche nach Ablenkung, ständig auf der Flucht vor dieser Wahrheit.

Und dass diese Tatsache so quälend ist, so unerträglich, dass wir nicht einmal zulassen, sie uns bewusst zu machen, liegt daran, dass wir uns dann fragen müssten, was wir hier eigentlich tun. Mit welcher Rechtfertigung wir hier auf der Welt sind, wenn wir keinen Sinn machen.

Zu denken, wir oder das alles hätte einen Sinn, gibt uns Sicherheit. Es ist unsere Rechtfertigung für unsere Anwesenheit hier auf Erden und wir denken, wir bräuchten eine Rechtfertigung, um hier zu sein. Selbst unsere Anwesenheit, unser Leben an sich, ist etwas, von dem wir denken, wir müssten es uns irgendwie verdienen. Wir nehmen Leben nicht einfach als überwältigendes Geschenk an.

Wir erfinden einen „Sinn“, mit dem wir rechtfertigen, hier zu sein und vernichten dadurch das Geschenk, das es ist. Denn alles, was ich erwarte, was ich beanspruche zu bekommen, kann mir nicht mehr geschenkt werden.

Wir erfinden einen ‚Sinn‘, mit dem wir rechtfertigen, hier zu sein und vernichten dadurch das Geschenk, das unser Leben ist.

Deswegen gehen wir auch so schlecht um mit uns und der Welt. Weil wir es nicht wertschätzen. Weil wir es nicht als Geschenk betrachten. Und weil wir denken, es gäbe einen verborgenen, allumfassenden Sinn des Lebens, fangen wir gar nicht erst an, einen Sinn zu wählen – aus den unendlich vielen, die es gibt – und diesem einen unser Leben zu widmen. 

Anm. d. Red.: Wir finden es wichtig, einzelne Perspektiven von Betroffenen und die damit verbundenen Belastungen in der Corona-Pandemie zu zeigen. Wir sind alle auf unsere ganz persönliche Weise betroffen. Die meisten Maßnahmen sind aus unserer Sicht berechtigt und notwenig, um die Pandemie einzudämmen – auch wenn das Einhalten schwerfällt. Alle Artikel zum Thema Corona findest du hier.

Wenn du oder jemand in deinem Umfeld dringend Hilfe braucht, erreicht ihr unter 0800-1110111 jederzeit die Telefonseelsorge und unter 116-111 das Kinder- und Jugendtelefon. Hier gelangt ihr zu einem Artikel mit Hilfestellen für 16 häufige Probleme. Bei Freunde fürs Leben könnt ihr euch über Depression und Suizidalität informieren und unter Therapie.de findet ihr psychologische Psychotherapeut:innen in eurer Nähe.

Catrin Ivory ist irgendwas zwischen Ärztin, bester Freundin, Hedonistin, Einhorn und ganz normalem Mädchen. Irgendwie auch alles gleichzeitig. In der vollen Überzeugung, dass ein grandioses Leben möglich ist.

Headerfoto: Anna Shvets via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

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