Darf ich vorstellen, ich bin das Single-Zebra. Das Single-Zebra ist anders, denn es ist, wie der Name schon sagt, Single. Während die sittsamen und domestizierten Pferde in Ställen hausen und sich, wie es sich für gute Pferde gehört, um ihre Fohlen kümmern, hüpft das Single-Zebra mit seinen Zebra-Companieros in der freien Wildbahn herum und kümmert sich lediglich um die Nahrungsbeschaffung und darum, fantastisch auszusehen.
Die Gründe, warum sich Zebras nie haben domestizieren lassen, sind vielfältig. Zum einen sind Zebras eigenwillig und lassen sich nicht zähmen. Zum anderen werden Zebras im Alter bissig und sind somit als Nutztiere ungeeignet. Darüber hinaus stehlen sie, aufgrund ihres coolen Designs, jedem:r Reiter:in die Show.
Ich bin nicht auf der Suche.
Okay, okay, ihr fragt euch bestimmt, was das Gerede über Zebras soll. Keine Sorge, das hier wird keine Tier-Doku. Ich habe es mir nicht ausgesucht, das Single-Zebra zu sein. Mein Umfeld hat diese Kategorisierung für mich übernommen. Man versucht mir klar zu machen, dass es nicht okay ist, wild und exotisch zu sein. Man versucht mich zu zähmen und mich anzupassen, obwohl ich nicht bereit dazu bin.
Ich bin 32 Jahre alt und seit fünf Jahren Single. Und wisst ihr was? Das ist gut so.
Eine Beziehung zu haben ist der Soll-Zustand.
Mein Umfeld bzw. die Gesellschaft sieht das anders. Das Umfeld setzt voraus, dass ich als Single unvollständig und ständig auf der Suche bin. Auf der Suche nach dem passenden Lebensgefährten, dem einen, dem Partner, Vater der späteren Kinder und Opa der noch späteren Enkelkinder. Und wahrscheinlich auch demjenigen, der mir, der schwachen Puppe, die Zwölfer-Kiste Mineralwasser Medium in die Wohnung trägt.
Eine Beziehung zu haben ist der Soll-Zustand. Jede:r, der:die sich nicht in diesem Soll-Zustand befindet, ist selbstverständlich auf dem Weg dahin. So zumindest die Erwartungshaltung. Seit jeher wird, bevorzugt den Frauen, eingetrichtert: Finde den Mann fürs Leben.
Mein Liebesleben geht auch nichts an!
„Und, hast du jemanden kennengelernt?“, ist eine sehr häufig gestellte Frage meiner Mutter oder Freundinnen, die bereits ihr Beziehungs- und Mutterglück gefunden haben.
„Du wirst auch nicht jünger. Wann willst du denn Kinder bekommen?“, ist die natürliche Steigerung der Frage. Und wisst ihr was? Es ist frech. Frech und anmaßend. Wunderbar, dass viele denken, dass ich mit einem Mann besser dran sei. Jeder:m seine Meinung, aber behaltet sie für euch.
Dass ich denke, dass viele besser dran wären, wenn sie ihren Stock aus dem Arsch ziehen würden, sage ich nicht. Dass mich der Lebensstil im Hamsterrad zwischen Arbeit, Erziehung und einem hart angesparten All-Inclusive-Urlaub (weil die Kinderbetreuung im Hotel so super ist) in der Türkei absolut langweilt, erwähne ich in der Regel auch nicht.
Dass niemand, aber auch wirklich niemand, die Instagram-Bilder von Brei-kotzenden Kindern sehen möchte (zwei Jahre zuvor waren da noch Muttis Bilder vom letzten Wet-T-Shirt-Contest am Ballermann), erwähne ich ebenfalls nicht. Dass Horst, seit 6 Jahren der Ehemann von Sabine und Vater des kleinen Julius’, auf jeder Betriebsfeier der süßen Praktikantin hinterhersteigt (und nicht, um sie daran zu erinnern, seine Akten abzuheften), interessiert mich ebenso wenig. Weil es mich nichts angeht.
Ich bin bereits ein vollständiger Mensch.
Eins möchte ich klarstellen: Ich akzeptiere und respektiere absolut jeden Lebensstil. Have fun. Que te diviertas. Viel Spaß. Den habe ich auch. Und wie! Ich beurteile Menschen nicht danach, ob sie in einer Partnerschaft sind oder nicht. Warum tun es diejenigen, die in einer Beziehung stecken? Warum werde ich zu dem suchenden, rastlosen Single-Zebra gemacht?
Ich fühle mich vollständig als diejenige, die ich momentan bin. Ich liebe es unter Menschen zu sein und Menschen kennenzulernen. Genauso wie ich es liebe, alleine meine Zeit zuhause zu verbringen und mich mit mir selbst zu beschäftigen.
Ich stehe morgens auf, wann es mir gefällt, ich bleibe im Club mit meiner Zebra-Herde, solange ich möchte.
Ich mag auch Dates mit Männern, vor allem aber, weil ich dabei keine Erwartungshaltung hege und nicht weil es zur Schnitzeljagd auf den halbwegs heiratsfähigen Mann werden muss, den ich bei nächster Gelegenheit vor den Altar schleppe (ob er will oder nicht). Ein Date kann ein einmaliges Date bleiben, es kann eine Freundschaft entstehen, eine Liebelei oder ja, auch eine Beziehung, wenn es passt.
Ich stehe morgens auf, wann es mir gefällt, ich bleibe im Club mit meiner Zebra-Herde, solange ich möchte. Ich koche, wenn mir der Magen brummt, ich trinke Alkohol, wenn mir die Laune danach steht. Ich breite mich im Bett aus, weil ich den verdammten Platz dafür habe und schlafe die Nacht durch, weil ich es kann. Ich lasse meinen Garten vor sich hin wuchern, weil sich kein anderer davon belästigt fühlt und schminke mich zwei Stunden, weil niemand nach mir ins Bad muss. Ich reise an die Orte, die ich sehen möchte, und storniere Flüge, wenn ich doch keine Lust habe.
Der kleine Unterschied zwischen dem Alleinsein und der Einsamkeit
„Fühlst du dich nicht allein?“, werde ich auch recht häufig gefragt (übrigens kommt diese Frage nie von meinen Zebra-Mädels). Ja, manchmal fühle ich mich allein. Wenn ich aber alleine bin, dann habe ich mir diesen Zustand genauso ausgesucht.
Viele verwechseln Alleinsein mit Einsamkeit. Alleinsein ist objektiv gesehen nichts weiter als ein Zustand. Ich kann beispielsweise alleine in meiner Wohnung sitzen oder ich kann alleine etwas unternehmen, und zwar ohne mich einsam zu fühlen. Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl und beschreibt das innere Befinden. Einsamkeit entsteht durchaus genauso häufig bei Menschen mit Partnerschaften.
Und ehrlich gesagt frage ich mich, ob Menschen, die von Beziehung zu Beziehung tingeln, nicht das eigentlich große Problem haben. Wie kommt es, dass so viele Menschen sich erst mit jemandem an ihrer Seite vollständig fühlen? Nicht gewappnet sind für das, was das Leben zu bieten hat?
Klar, im Team mag man stärker sein als ein:e Einzelkämpfer:in, aber nur zur Information: Wir befinden uns hier nicht im Krieg.
Mein Glück ist nur von mir selbst abhängig.
Auch wenn ich wie eine Beziehungsgegnerin klinge, ich bin es ganz und gar nicht. Eine Beziehung mit jemandem zu haben muss aber für mich das Gefühl vom i-Tüpfelchen erzeugen. Mein Leben soll toll sein ohne Partner und nicht erst durch einen Partner. Mein persönliches Glück werde ich immer nur von mir selbst abhängig machen und nicht von einer anderen Person.
Ich habe mich von der gesellschaftlichen Meinung über das perfekte, glückliche Leben gelöst. Die gesellschaftliche Meinung, die besagt, dass das perfekte Leben darin besteht, eine:n Partner:in zu finden und Nachfahren zu zeugen.
Eine Beziehung mit jemandem zu haben muss für mich das Gefühl vom i-Tüpfelchen erzeugen.
Es gibt mehr als einen Weg, das eigene persönliche Glück zu finden. Jedes Single-Zebra da draußen sollte das Gleiche tun. Lasst euch nicht einreden, wie euer Leben zu laufen hat. Seid anmutig, seid anders, seid exotisch und seid gestreift.
Und an alle Pferde da draußen: Das Zebra ist durchaus in der Lage, sich wie ein Pferd zu verhalten. Alle anatomischen und physiologischen Grundvoraussetzungen sind gegeben. Das Zebra wollte aber nie ein Pferd sein.
Headerfoto: Juan Ordonez via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Geniale Geschichte oder viel mehr Statement.
Wir sollte immer mehr sein als die Summe von Ich plus Du.
Wenn Ich plus Du aber sogar weniger als die Summe ist, fehlt einem oder beiden etwas um alleine komplett zu sein.
Dieser Mangel kann aber nie durch den Partner komplettiert werden. Die Suche nach dem fehlenden Teil muss im Ich , im Innern erfolgen.
Und vielleicht geht ja das am besten gerade als Single.