Fuck you Einsamkeit! Was einsam sein für unser Beziehungsleben bedeutet

Ich liebe mein Schneckenhaus: mit meinem gemütlichen Sofa in der Küche, Vanilla Caramel Brownie Eiscreme und einer Folge „This is us“. Zwei Jahre lang habe ich mich dort verkrochen. Mein Herz war gebrochen.

Warum ich mich – wider besseres Wissen – vor einem Monat bei einem Online-Dating-Portal angemeldet habe? Nun ja, ich wollte an meinem 32. Geburtstag nicht wie an meinem 31. Geburtstag deprimiert im Kreise meiner Familie die Verschwendung meiner besten Lebensjahre zelebrieren: dieselbe Stadt, derselbe Job, dieselben Freunde, dieselbe Eiscremesorte. Ich war wild entschlossen, meinem Leben eine neue Wendung zu geben.Was soll ich dazu sagen? Nach drei Wochen habe ich mich wieder abgemeldet.

Ich war wild entschlossen, meinem Leben eine neue Wendung zu geben.

In der Zwischenzeit habe ich jedoch jemanden kennengelernt. Auf dem Papier klang der Typ wie ein leckeres Sahneschnittchen: Österreicher mit einem Schweizer Dialekt, bei dem ich dahinschmolz, mit Sinn für Humor inklusive. Die Tatsache, dass er eine WhatsApp-Nachricht ohne Rechtschreibfehler verfasste, war die Kirsche auf der Torte.

Zugegeben, ich bin etwas eingerostet. Dass bei unserem ersten Date Sätze wie „Dich könnte ich heiraten!“ fielen, verwunderte mich doch etwas. Ich schob es auf sein Alter. Und nein, auch ohne Vaterkomplexe stehe ich auf ältere Männer; darauf, dass sie mit beiden Beinen fest im Leben stehen, gute Küsser sind und wissen, was sie wollen. Meistens zumindest. Dachte ich.

Dass bei unserem ersten Date Sätze wie „Dich könnte ich heiraten!“ fielen, verwunderte mich.

Am Ende des ersten Dates raunte er mir noch „Ich kann Dich nicht so gehen lassen“ ins Ohr und küsste mich leidenschaftlich. Ich war etwas überrumpelt, gleichzeitig war ich von seinem Enthusiasmus und seiner Ich-nehme-mir-was-ich-will-Mentatlität durchaus angetan.

Also kam es zu einem zweiten Date (in meiner Welt eine kleine Sensation, die mit einem Glas Sekt bejubelt wurde). Nach unserem zweiten Date (ein nächtlicher Spaziergang durch Aachen mit einem wilden Rumgeknutsche am See) fing ich meine Theorie über die Korrelation zwischen älteren Männern und guten Küssern zu hinterfragen. Bedauerlicherweise waren wir weit davon entfernt, das olympische Feuer zu entfachen.

Er erzählte von seiner schwierigen Jugend, seiner Scheidung, seinen Kindern, von Verlusten und Träumen.

Dennoch gab es etwas an ihm, dass mich daran hinderte, ihn direkt in die Wüste zu schicken. Relativ schnell öffnete er sich mir; erzählte von seiner schwierigen Jugend, seiner Scheidung, seinen Kindern, von Verlusten und Träumen. So richtig konnte ich mich nicht darauf einlassen, da ich (Ironie des Schicksals) in drei Monaten für ein halbes Jahr nach Österreich gehen würde. Davon wollte ich aber dem guten Mann bei unserem dritten Date persönlich erzählen. „Was habe ich schon zu verlieren“? dachte ich mir.

Bin ich tatsächlich so grandios?

In leichte Panik verfiel ich allerdings, als ich am Morgen nach unserem zweiten Date durch die Nachricht: „Guten Morgen. Du bist fantastisch. Ich habe mich in dich verknallt!“ geweckt wurde. Hatte das wirklich was mit mir zu tun? Bin ich tatsächlich so grandios? Oder war das bloß eine Masche, beeinflusst durch eine Prise Verzweiflung? So naiv wie ich bin, habe ich es in der Rubrik „Er ist älter. Er ist weiser. Er ist mutig. Er steht zu seinen Gefühlen. Er spielt keine Spielchen“ abgelegt.

24 Stunden vor unserem dritten Date habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Prompt wurden zwei weitere Dates ausgemacht. 24 Stunden vor unserem dritten Date habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich war leicht abgefuckt, hatte aber keine Lust auf Machtspielchen. Also schrieb ich ihm eine locker flockige Nachricht à la: „Hey. Ich bin gerade unentschlossen. Lohnt es sich für heute Abend die Beine zu rasieren oder nicht? Emoji, Emoji, Emoji“ Zwei Sekunden später kam seine „Bitte-entschuldige-Drama-Drama-Drama-Antwort“. Nach langem Hin und Her wurde das Date verschoben – auf heute.

Und nun bin ich hier: Diese Zeilen schreibend schaue ich alle 60 Sekunden auf mein Handy (denn diesmal melde ich mich nicht als erste, das ist wohl klar, soweit wird es noch kommen). Aber nein… immer noch nichts.

Ich bin nicht verknallt, spüre keine Schmetterlinge, will keine Beziehung.

Was mich aber eigentlich so wütend macht, ist nicht einmal die Tatsache, dass er sich nicht meldet, sondern die Tatsache, dass ich ihn so gut auch wieder nicht finde. Ich bin nicht verknallt, spüre keine Schmetterlinge, will keine Beziehung. Was bringt mich also dazu, erwartungsvoll auf mein Handy zu starren?

Es war nett, sich attraktiv und begehrenswert zu fühlen, auch wenn man selber nicht begehrt hat.

Mit ihm als Person kann es nicht zusammenhängen. Aber was nett war, war jeden Morgen mit einem „Guten Morgen schöne Frau“ und „Ich wünsche Dir einen wunderbaren Tag“ geweckt zu werden. Es war nett, dass jemand (mit dem ich wohl bemerkt nicht verwandt bin) nach meinem Tag gefragt hat. Es war nett, sich attraktiv und begehrenswert zu fühlen, auch wenn man selber nicht begehrt hat. Es war nett, sich weniger einsam zu fühlen, sondern die eigene Blase für einen kurzen Augenblick zu verlassen, um sich mit einer anderen Person verbunden zu fühlen.

Was nimmt man dafür nicht alles in Kauf?

Anna ist eine Weltverbessererin. Ihre größte Angst ist es, den Reichtum, mit dem sie beschenkt wurde, zu verschwenden. Anna ist ständig auf der Suche. Wonach, weiß sie selbst nicht so genau. Getrieben von dieser Suche, findet sie nur in der Natur ihre Ruhe: auf einem Berggipfel, auf einem Surfbrett, auf der Piste. Nirgendwo sonst fühlt sie sich frei von inneren Widersprüchen und gesellschaftlichen Konventionen. Annas Meditation ist es, durch die nächtlichen Straßen Aachens zu streifen, mit Musik in den Ohren, allein mit sich selbst.

Headerfoto: nataliafigueredo via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

2 Comments

  • Moin Anna,

    Danke. Du sprichst mir aus der Seele, denn genau das erlebe ich gerade ähnlich. Es ist schön begehrt zu werden, aber wenn du selbst nicht dass Gefühl hast Sie unbedingt bei dir haben zu wollen, sie zu vermissen oder gar die Schmetterlinge zu fühlen, dann bringt das nichts. Außer Schmerz und vielleicht irgendwann Tränen.
    Es ist zwar blöd, wieder einen Winter alleine zu verbringen, aber sich zu verbiegen muss auch nicht sein.

    Da ist fair miteinander umgehen die beste Lösung. Einfach offen und euch kommunizieren, einige können das nicht.

    Lieben Gruß und eine schöne Woche dir.

    • Lieber Oliver, nur wirklich schade, wenn es nicht so kommuniziert wird, wenn es so ist. Wir sind schließlich erwachsen, können also damit umgehen. Womit wir nicht umgehen können, ist, in der Luft zu hängen und nicht zu wissen, woran wir sind….denn nur zum Ego streicheln benutzt zu werden…tja, dafür sind wir uns alle wohl zu schade! Und ja…um in die Tiefe zu gehen und sich zu öffnen, dazu gehört Mut und der Wunsch nach Ehrlichkeit.. Liebe Grüße an Anna und Oliver und eine schöne Restwoche, Janin

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