Falsche Freunde kommen und gehen. Wahre Freunde bleiben für die Ewigkeit. Ein beliebtes Sprichwort. Tatsächlich sind mit steigendem Alter unsere besten Freunde diejenigen, die wir schon am längsten kennen. Im Durchschnitt haben 45 bis 59-Jährige ihre besten Freunde seit 25 Jahren. Personen über 60 Jahre haben meist 39-jährige Freundschaften. Dies ergab die Jacobs-Studie aus dem Jahre 2013.
Anne (61) und Karin (66) sind Freundinnen – seit über 35 Jahren. Kennengelernt haben sie sich durch eine gemeinsame Freundin. Mit jener Freundin haben beide keinen Kontakt mehr. „Mit ihr habe ich zehn Jahre zusammengewohnt. Es ist schon merkwürdig, dass jetzt kaum Kontakt mehr herrscht“, sagt Anne. Karin ergänzt: „Ich denke, es lag einfach daran, dass wir alle irgendwann einen Partner hatten und sie noch alleinstehend war.“ „Ich habe mich mit ihr auch nie gestritten oder Ähnliches. Ich bin dann in eine eigene Wohnung gezogen und war schon mit meinem heutigen Mann zusammen. Irgendwann hat sich dann der Kontakt verloren“, fährt Anne fort.
Nur 20 Prozent unserer Freundschaften überdauern
Die Soziologin Mona Wolf schätzt, dass gerade einmal 20 Prozent unserer Freundschaften das ganze Leben lang überdauern. „Freunde können uns sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Man kann sich darauf verlassen, dass es neben der Partnerschaft oder der Familie noch eine weitere Konstante gibt, auf die man zählen kann. Es kann sich wie Trennungsschmerz anfühlen, wenn sich eine Freundschaft auflöst. Verlust trifft auch in der Freundschaft sehr stark“, erklärt sie.
Claudia Lazanowski erklärt, dass manche Freundschaften durch Kränkungen enden können.
Claudia Lazanowski von der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Goethe Universität in Frankfurt erklärt, dass manche Freundschaften durch Kränkungen enden können. „Das kann Eifersucht sein, wenn der*die Freund*in den heimlichen Schwarm als Partner*in gewinnt oder wenn der*die Freund*in den Partner nicht toleriert“, berichtet sie.
Ein anderer Grund sei unsere stetige Entwicklung. „Das bedeutet, dass wir eigene Interessen, Bedürfnisse und Haltungen ändern, was dazu führt, dass in einer alten Freundschaft plötzlich zu viele Konflikte und Gegensätze sind“, erklärt Lazanowski. Diese könne oder wolle man dann nicht mehr bewältigen. Dabei nehme das Verbindende ab.
Gegensätze ziehen sich an
Die gute Freundschaft zwischen Karin und Anne macht sich auch in ihrem Verhalten bemerkbar. Sie lachen sehr viel und verfallen nie in das peinliche Schweigen, bei dem man sich nichts mehr zu sagen hat. Dass ein Altersunterschied von fünf Jahren zwischen den beiden liegt, merkt man kaum. Denn vom Charakter und Aussehen her könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein: Anne ist dunkelblond und hat blaue Augen. Ihre Haare reichen bis zur Schulter. Karin dagegen hat braune, gelockte Haare und braune Augen. Ihre Haare sind etwas kürzer als Annes.
Gesprächig sind sie beide und doch lassen sie sich gegenseitig ausreden. Karin wirkt manchmal etwas nervös und hektisch. Oft ist sie vergesslich. Anne dagegen redet sehr viel und sehr schnell und wenn man es nicht gewohnt ist, kommt man bei ihr kaum zu Wort. So unterschiedlich die beiden auch sind, so sehr harmonieren sie. Gegensätze ziehen sich scheinbar an.
Gegensätzliche Anschauungen, Hobbys und Interessengebiete können bereichernd für eine Freundschaft sein.
Die Soziologin Mona Wolf kann dem teilweise zustimmen. „Gegensätzliche Anschauungen, Hobbys und Interessengebiete können bereichernd für eine Freundschaft sein“, erklärt sie. Allerdings weist sie auch auf die negative Seite hin, denn gerade bei dem Punkt der Anschauungen oder der Idealvorstellungen könne es oft zu großen Differenzen kommen: „Es kann sich eine Partei miss- oder unverstanden fühlen. Wenn diese Differenzen nicht durch eine andere gemeinsame Basis überwunden werden können, führen diese oft auch zum Auseinandergehen langer Freundschaften.“
Für Anne und Karin sind gemeinsame Interessen und Hobbys die Grundlage ihrer Freundschaft. Sie teilen ihren Glauben und die Leidenschaft für das Reisen. Beide haben gleichaltrige Töchter. Anne lacht bei dem Gedanken: „Ich weiß noch genau, wie das war, als ich Karin erzählt habe, dass ich schwanger bin. Sie hat dann überlegt und gemeint, sie würde auch gerne ein Kind haben, wenn sie denn wüsste, dass es ein Mädchen wird. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ja schon zwei Jungs. Ein paar Wochen später war sie dann tatsächlich schwanger und bekam sogar ein Mädchen!“ Karin macht dabei ein erstauntes Gesicht. „Daran kann ich mich ja gar nicht mehr erinnern“, sagt sie.
Vertrauen als Basis
Ein Grundpfeiler der Freundschaft zwischen Anne und Karin ist das Vertrauen. Es ist für sie die wichtigste Komponente ihrer Freundschaft. „Ich kann doch nicht jemanden als guten Freund bezeichnen und dann zu jemand anderem hingehen und über ersteren lästern. Das ist in meinen Augen ein Unding“, sagt Karin aufgebracht. Anne fügt hinzu: „Für mich ist es wichtig, jemandem zu haben, zu dem ich auch mit schlechter Laune gehen kann.“
Ein gesundes Abgrenzen ist ebenso wichtig. Dadurch könne man dem anderen signalisieren, wo eigene Grenzen beginnen.
Claudia Lazanowski sieht das ähnlich: „Gute Faktoren sind sicherlich, vertrauen zu können, empathisch zu sein, das heißt, auf den anderen eingehen, versuchen, ihn zu verstehen.“ Aber ein gesundes Abgrenzen sei ebenso wichtig. Dadurch könne man dem anderen signalisieren, wo eigene Grenzen beginnen, erklärt die Therapeutin. Die Jacobs-Studie bestätigt, dass der wichtigste Werte einer Freundschaft die Zuverlässigkeit ist, mit 87 Prozent, gefolgt von Vertrauen, mit 80 Prozent. Regelmäßiger Kontakt, Offenheit und Verständnis sind weitere Faktoren.
Während die beiden Freundinnen in Annes Küche am Tisch sitzen und in Erinnerungen schwelgen, vergessen sie dennoch nicht das Hier und Jetzt. Karin sagt: „Ich hoffe, wir sind noch in zehn Jahren befreundet. Dass wir uns nicht nur von Krankheiten erzählen, sondern weiterhin etwas gemeinsam machen und Neues ausprobieren.“ Und Anne ergänzt: „Wir sind dann vielleicht etwas schusseliger, aber ansonsten hoffe ich, dass wir uns noch weiterhin so gut verstehen.“
Headerfoto: simpleinsomnia /Flickr via Attribution 2.0 Generic/CC BY 2.0. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Kontrast verändert.) Danke dafür!