Ende zwanzig – ein schwieriges Alter?

In einem Blogtext, den ich vor einer Weile gelesen habe, taucht die Aussage eines Arztes auf, als Endzwanziger_in wäre man psychologisch und biologisch gesehen in einem schwierigen Alter. An den Rest des Textes erinnere ich mich kaum, aber dieser eine Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ein Erörterungsversuch.

Biologische Begründungen fallen mir nicht so viele ein. Na ja, wir sind mit Ende Zwanzig nun eindeutig aus der Pubertät raus. Jeglichen Hirnfürzen, die sich in unseren Köpfen bilden, liegt also ein voll ausgereifter Verstand zugrunde.

Die Hormonachterbahn ist einem Regionalexpress gewichen, der stetig und immer im selben Takt voranstrebt, mit kleineren Verspätungen, versteht sich. Also gibt es keine Ausrede mehr. Für jeden Sch…, den wir bauen, stehen wir selbst gerade. Tja, dumm gelaufen. Und andere Leute haben in dem Alter schon Kinder oder bekommen gerade welche. Die viel zitierte biologische Uhr tickt, für Frauen und auch für Männer.

Aber so richtig biologisch wirkt das alles nicht. All diese Probleme existieren doch nicht in unserem Körper, sondern eigentlich in unserem „Kooopf“, wie der Psychiater des Kleinkünstlers in Marc Uwe Klings Känguru-Chroniken treffend diagnostiziert.

Aufgewachsen in einem Land, das heute keine Kriege und nur wenig Armut kennt, mit allen Bildungschancen, die wir uns nur erträumen können.

Aufgewachsen in einem Land, das heute keine Kriege und nur wenig Armut kennt, mit allen Bildungschancen, die wir uns nur erträumen können, sind uns diese Art von Problemen unangenehm. Es sind genau genommen nämlich keine Probleme, sondern eher Luxusphänomene, die sich unser Verstand ausdenkt, weil wir ihn nicht damit beschäftigen, sich Überlebensstrategien für uns auszudenken.

Trotz allem, genau wie das Känguru nicht nur im „Koooopf“ des Kleinkünstlers existiert, sondern tatsächlich dessen Schnapspralinen futtert und dabei kommunistische Manifeste formuliert, hocken unsere Hirngespinste bucklig auf unserem Sofa und denen geht es nicht „knut“ und schon gar nicht gut. Sie wiegen sich sorgenvoll von einer Seite zur andern und murmeln dabei leise vor sich hin.

Es fallen Worte wie „Erfolg“, „Karriere“, „gesellschaftliches Ansehen“, „Sinnhaftigkeit im Beruf“, „Work Life Balance“, „Berufung“, „Traumpartner“, „Familiengründung“… Und damit gehen sie uns gehörig auf die Nerven. Sie belagern das Sofa, auf dem wir es uns gerne mal wieder gemütlich machen würden.

Tja, Sofa belegt, also hängen wir am Schreibtisch und surfen durch Jobportale, klicken uns durch Immobilienseiten – die Mietwohnung ist ja eigentlich auch zu teuer auf Dauer, ein Eigenheim muss her – und kommen dabei einfach nicht zur Ruhe. Vielleicht sollten wir noch eine Sprache lernen und mal wieder ein paar Länder bereisen. Ach und Sport, Sport sollte der Mensch auch regelmäßig treiben. Soll gesund sein. Wo war nochmal dieser Flyer von dem Fitness-Studio um die Ecke?

Schneller, weiter, höher, besser – und vor allem anders als man selbst momentan unterwegs ist. Der Druck wächst, denn wie gesagt, wir sind für uns selbst in vollem Umfang verantwortlich.

Schneller, weiter, höher, besser – und vor allem anders als man selbst momentan unterwegs ist. Das Gras auf der anderen Seite des Zaunes ist immer grüner, die anderen bekommen das doch irgendwie auch hin. Der Druck wächst, denn wie gesagt, wir sind für uns selbst in vollem Umfang verantwortlich.

Jeder ist seines Glückes Schmied. Dieses Sprichwort, das zunächst ein wenig abgedroschen klingt und scheinbar in dieselbe Richtung weist wie die sabbernden Hirngespinste auf unserem Sofa, verdient einen zweiten Blick. Denn Glück ist eine Frage der Einstellung. Das haben sich die alten Yogis ausgedacht.

Santosha, die Zufriedenheit, ist in Patanjalis Yogasutren (ca. 2. Jahrhundert vor Christus) als Regel zum Umgang mit sich selbst formuliert. Zufriedenheit ist ein wichtiger Schritt auf dem Pfad zur Erleuchtung. Sie kommt nicht von außen. Sondern aus uns selbst, aus unserem Innersten. Die alten Yogis müssen es ja wissen, sonst würde heute keiner mehr über die reden.

Einfach mal dankbar und zufrieden sein

Wir dürfen uns entspannen und einfach mal zufrieden und dankbar sein für das, was ist. Uns für einen Moment ein bisschen Glück zusammenschmieden. So, wie es aussieht, haben wir alle nämlich schon ganz schön viel erreicht in unserem kurzen Leben.

Wir haben einen Job, der uns ernährt, und wenn er uns nicht gefällt, suchen wir uns einen anderen. Wir haben Freunde und Familie, Menschen, die uns wichtig sind. Um Kinder zu bekommen, muss man heute nicht zwangsläufig eine klassische Mann-Frau-Beziehung eingehen. Das passt einfach nicht zu jedem, und das akzeptieren zu dürfen, ist gut so.

Wir sprechen vermutlich schon mindestens zwei Sprachen fließend, machen ab und an Sport, ernähren uns halbwegs vernünftig, fahren jedes Jahr in den Urlaub. Vielleicht nicht jedes Jahr nach Australien, aber möglicherweise nach Frankreich oder Dänemark oder in den Schwarzwald. Glücklich sein kann man überall.

So, jetzt schubst endlich diese Hirngespinste und das Känguru vom Sofa, und macht es euch selber darauf gemütlich!

Simone streckt im Sommer wenigstens die Füße in die Freiburger Bächle, wenn sie schon nicht am Meer sein kann. Sie berät hauptberuflich zu Gesundheitsthemen und nebenberuflich hilft sie Menschen dabei, den ewigen Flipperautomaten im Kopf für einen Moment im yogischen Savasana abzustellen. Sie ist kritisch, hinterfragt, analysiert, seziert und baut neu zusammen, und glaubt am Ende doch an das Eine, das uns verbindet und größer ist als unsere Vorstellungskraft.

Headerfoto: Blondes Frau via Shutterstock.com. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

1 Comment

  • sehr schön – kann ich alles unterschreiben. bedenklich nur, dass ich ende dreißig bin. du siehst also, es geht weiter mit dem wahnsinn – viel spaß 🙂

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