Don’t know what to do with myself

Obwohl ich quasi seit einiger Zeit schon pseudo-wissenschaftlich auf der Suche nach der Bedingtheit gegenseitiger emotionaler menschlicher Anziehung bin und dabei auf so einige Abgründe emotionaler und menschlicher Stabilität stieß, in diversen Betten nicht schlafen konnte und mich so mancher Egozentrismus eigenartig verstörte, warte ich noch immer auf eine allumfassende Erkenntnis meiner Studie.

Ich habe schon immer lieber in meinem Kopf gelebt, als mich der gefühligen Verkorkung potenzieller Anziehungspartner hinzugeben. Dennoch muss ich aufpassen, dass meine Gedankentänze nicht ins klischeehaft Kitschige abrutschen. Denn innerlich laufe auch ich Gefahr, einen Nicolas Sparks Roman vor meiner inneren Mattscheibe zu imaginieren.

Aus dem Gefühl heraus, ich müsste mich mal grundlegend über die Liebe informieren – sie ist mir nicht generell fremd, ich liebe meine Eltern, meine Geschwister und meine Freunde und das aus den tiefsten Gründen meines Herzens, aber die romantische, herzzerreißende, die-Welt-umarmen-wollende, zuckersüße und bittere Liebe, nach der wir anscheinend alle streben, ist mir bisher nicht geläufig –
 begebe ich mich auf die Suche.

Ich lebe mit einer überhöhten und wahrscheinlich gänzlich weltfremden Vorstellung von einem Gefühl, das ich noch nicht erlebt habe. Ich habe Angst, dass dieses Gefühl, so wie mein ungestümer Geist und mein verdrehtes Herz es sich erdenkt, nicht existiert. Und gleichzeitig fühle ich mich nicht bereit, die Illusion zugunsten eines Kompromisses aufzugeben.

Im ZEIT-Magazin, das sich wie zufällig auch um das Thema Liebe drehte und um das Finden der Liebe in einer Stadt wie Berlin, habe ich gelesen: „Liebe sei das Einzige, was das Leben lebenswert macht – warum beschränken wir uns ausgerechnet in diesem Gefühl?“ Auch wenn sich dieses Zitat auf das Konzept der Polyamorie bezieht –  ein lebenswertes Konzept? – passt es doch gleichermaßen auf das Gefühl von Liebe an sich.

Warum beschränken?

Erzogen von einem Mann, der das Konzept der Liebe, oder was er dafür hält, so weit ausreizt – ja, entschränkt -, dass er immer wieder Gefahr läuft, die seiner Kinder zu verlieren, bin ich wohl ein Paradebeispiel für die Vermeidung romantischer Nähe – trotz meiner verklärten Vorstellung davon. Das habe ich relativ schnell erkannt. Ich gehe romantische Beziehungen stets nur ein, wenn deren Ende bereits vorher feststeht. Ein überraschendes Ende könnte ich nicht aushalten, die Kontrolle nicht verlieren. Vielleicht lege ich auch deshalb zu Anfang jeder neuen Begegnung die Karten auf den Tisch. This is what you get. Deal with it or just fuck me. Das führt nun in den meisten Fällen also tatsächlich zu Letzterem und davon allein habe ich langsam die Schnauze voll. Dafür habe ich zu viel im Kopf, das wert ist, gehört zu werden, und zu viel im Herzen, was es abzugeben gilt, und auch viel zu viel Persönlichkeit, als dass ich sie zugunsten einer, meist nicht mal mittelmäßigen, Bettgeschichte zurückstellen will.

Warum also beschränken? Und diese Frage stelle ich hiermit an alle Bereiche unseres Lebens.

Warum also nicht fordern, was wir wollen? Warum immer hinterm Berg halten mit unserer Verletzlichkeit? Und ja, ich spreche hier gleichermaßen uns alle als Menschen an. Ich habe es satt, mich hinter Vermeidungsstrategien zu verstecken und meine Gefühle zu relativieren, meine Unsicherheit zu verbergen. Let’s be weak!

Reaktanz lebt nach einem längeren Ausflug nach janz weit draußen seit gut einem Jahr wieder in ihrer Heimat. Wo auch sonst könnte man leben, als in der schönsten Stadt der Welt? Sie hat den Berliner Winter fast unbeschadet überlebt und macht im echten Leben irgendwas mit Medien. Die übrige Zeit verbringt sie mit der Erforschung von Zwischenmenschlichkeit und wundert sich über die Menschen. Sie ist rastlos auf der Suche nach der verlorenen Zeit und dem passenden Socken. Darüber schreibt sie hier und versorgt alle, die es wissen wollen mit Geschichten aus dem Single-Großstadtleben.

HeaderfotoFrank Flores via Unsplash.com. („Gesellschaftsspiel-Button“ hinzugefügt.) Danke dafür.

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5 Comments

  • Wirklich grandios geschrieben. Ich habe mich gefühlt als würde ich mit einer eloquenteren Version meines ehemaligen Ichs sprechen. 🙂
    Kann das sehr gut nachvollziehen. Das einzige was im Weg steht ist tatsächlich die Angst davor verletzt zu werden. Leider ist es einfach sich im kopf Tausend ausreden für dieses Verhalten auszumalen, die das Ego füttern und einen stärker und cooler wirken lassen- absurderweise vor sich selbst-obwohl man ja genau weiß wie man eigentlich ist.
    Sobald man sich aber einmal eingesteht was man tut und auch bereit ist den Leuten in seinem Umfeld nicht die Stärke in Person vorzuleben, kommt die liebe ganz von selbst. BEi mir war sie genauso schön wie in den Filmen:) und auch in dieser ersten schönen Liebe wurde ich wahnsinnig verletzt. Das ist unumgänglich- ich habe mir dann, emotional am Boden, kurz überlegt wieder zu alten Mustern zurückzukehren, habe innerlich mit meinem offenen vergangenheits-ich geschimpft und mir gewünscht ich hätte mich niemals verletzlich gemacht. Bei weiterer Reflexion fiel mir dann aber auf, dass viel von dem Schmerz den ich fühlte, obwohl er von meiner großen Liebe ausgelöst wurde, eigentlich auch von den vielen semi-Beziehungen, und „ist mir doch eigentlich egal“-Bekanntschaften kam. Der Schmerz ist trotzdem da , wir werden verletzt -auch ohne uns auf etwas einzulassen, es ist nur einfacher sich selbst zu belügen und die Emotionen zu unterdrücken. Ich würde dir raten sobald wie möglich weak zu werden und dir auch einzugestehen dass du schon oft verletzt wurdest und dir das nicht eingestehen konntest. Es geht eigentlich nur darum das perfekte selbstbild der unabhängigen unverletzlichen Frau zu zerbrechen und sich selbst seine Imperfektionen einzugestehen.:) lies gerne auch meinen Blog Artikel dazu! Auf http://www.glucksmoment.com „we all have Worries, insecurities and Imperfections“ da versuche ich auch ein wenig darauf einzugehen dass die Gesellschaft es als anstrebenswert empfindet cool-also eig. Kalt und gefühlskalt-zu sein:)

  • Word! – Traumwelten lassen sich ungemein schnell und bunt erdenken. Der Fall zurück in die Wirklichkeit ist dann jedoch sehr sehr ernüchternd…
    Schön wenn andere in Worte fassen, was man selbst öfters erlebt. Vor allem wenn man sich dadurch als „verrückt & blauäugig“ betitelt.

  • Hallo liebe Autorin,
    auch ich habe deinen beschriebenen Weg hinter mir. Ich habe die Liebe gefunden in vielen verschiedenen Facetten, aber nicht diese beschriebene Romantik-Liebe aus diversen Romanen. Ich habe mittlerweile eine viel bessere Liebe gefunden. Eine echte, so wie ich meine Freunde, meine Familie liebe, so liebe ich auch meinen Freund, den ich heiraten werde. Ich habe lange Jahre versucht mich dieser Klischeevorstellung der Liebe zu nähern, was die Beziehungen eigentlich nur komplizierter gemacht hat, als sie hätten sein müssen. Das habe ich mit meinen 37 Jahren bisher zu dem Thema Liebe gelernt. Toleranz ist ein wahnsinnig wichtiger Bestandteil. Wir sind Individuen, die sich gegenseitig bereichern, aber auch den Freiraum brauchen, um sich zu entfalten.
    Ich habe mich so sehr selbst gesehen in deinem Artikel und ich wünsche dir ganz feste, dass du auch jemanden findest, den du so lieben kannst als Partner!

  • Super geschrieben und ja so einen „Vater“ hab ich auch… Lass dir von dem nicht dein Leben versauen… Therapie hilft die nötige Distanz zu so einem Vater und seinem schädigendem Verhalten aufzubauen. Viel Glück bei der weiteren Suche und ja diese Liebe die du suchst gibt es wirklich aber vielleicht dort wo du nicht danach suchst… Bei mir war es zB eine Frau obwohl ich eigentlich auf Männer stehe 😉

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