Der erste Eindruck zählt? – Dich kann ich in keine meiner Schubladen stecken

Ich wache auf. Es ist kurz nach 9 Uhr am Samstagmorgen. Ich würde gerne noch weiter schlafen. Im Halbschlaf höre ich mein lebendiges Fellknäuel kläglich miauen. Wie so oft, wenn ich ausschlafen mag. Nach dreimaligem hin und her Wälzen wird mir ihr Gemiaue zu viel und ich rette sie wieder einmal vor dem nahenden und sicheren Verhungern. Jeden Tag eine gute Tat: Check, erledigt.

Jetzt ist erst einmal Zeit für Frühstück, bevor richtig in den Tag gestartet wird. Ich denke an Dich, während ich es zubereite. Denke an Dich, denn Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Hast mich die Nacht wachgehalten.

Als wir uns vor einiger Zeit kennenlernten und wir uns das erste Mal sahen, war es sofort da. Ein Bild vom jeweils anderen. Ein Bild, das im Bruchteil einer Sekunde entstand. Ein Bild, das sofort in die passende Schublade abgelegt wurde.

Dieses Mal war es anders, denn das Bild, das ich von Dir hatte, passte in keine meiner Schubladen. Während ich versuchte Dich in eine meiner Schubladen zu stecken, fing ich an, darüber nachzudenken. Dachte darüber nach, warum wir Menschen einander in Kategorien einordnen. Nur durch einen ersten Eindruck, der innerhalb einer Sekunde entsteht.

Auf den ersten Blick ist oft nichts so, wie es in Wahrheit scheint.

Wie bescheuert eigentlich, dachte ich mir, denn eine Schublade besteht aus mehr als nur einem Teil. Das weiß jeder, der schon mal ein skandinavisches Möbelstück aufgebaut hat. Allerdings entscheidet dieses erste Teil, die Fassade wenn du so willst, ob wir diese Schublade auch herausziehen, um zu gucken was in ihr liegt. Auf den ersten Blick ist oft nichts so, wie es in Wahrheit scheint.

Wie oft dachten wir beispielsweise bei Castingshows, der dicke Junge da wird sich jetzt blamieren. Nur um dann nach drei Tönen seinen YouTube Kanal zu abonnieren.

Der erste Eindruck ist eben auch nur ein erstes Gefühl. Viel zu selten bekommt ein Mensch in uns ein Zuhause.

Der erste Eindruck ist eben auch nur ein erstes Gefühl. Viel zu selten bekommt ein Mensch in uns ein Zuhause. Dieser Mensch, der vor dir steht, zeigt ein erstes Bild von sich. Das entspricht aber noch lange nicht seinem wahren Ich, denn da gibt es so viel mehr, was sich lohnt, entdeckt zu werden.

Vielleicht teilen zwei Menschen eine geheime Leidenschaft, die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen ist, denn oft gibt es keine äußerlichen Zeichen, die dies ersichtlich werden lassen. Wie denn auch, wenn wir im Bruchteil einer Sekunde entscheiden? Es ist vielleicht einfach nur ein Schutzmechanismus, aus Angst verletzt zu werden.

Anstatt dass sich diese zwei Menschen nun Zeit nehmen, um die geheime Leidenschaft zu entdecken, gehen sie getrennt ihrer Wege. Nur, weil der erste Eindruck nicht passt. Er schier zu schnell in eine Schublade abgelegt wird.

Die Gründe, warum wir weitergehen, anstatt stehen zu bleiben, sind mit ein, zwei Argumenten gewiss nicht zu benennen. Für mich reicht gerade dieser eine Grund, um erkennen, was für Menschen uns so verloren gehen.

Und ja, ich kenne die psychologische Funktion von Vorurteilen und Schubladendenken. Ich erkenne sie sogar an. Ich finde es trotzdem scheiße, denn da geht etwas verloren, was noch gar nicht existiert. Und wenn auch nur für eine Sekundenstunde.

Mir sind schon viele Menschen begegnet. Bei keinem hat es bisher annähernd so viel Konfetti geregnet, wie bei Dir.

Ich würde gerne wissen wer Du bist. Was Du gerne zum Frühstück isst. Dein Instagram Feed hilft mir da auch nicht weiter, denn Du teilst Dein Frühstück nicht. Nirgendswo steht geschrieben, wie und wer Du bist. Ja, was Du tatsächlich gerne zum Frühstück futterst, denn das muss ich ganz alleine herausfinden. Die NSA wird mir dabei auch nicht helfen können, denn selbst die weiß das nicht.

Warum ich mir die Mühe mache? Nun, mir sind schon viele Menschen begegnet. Unzählige, deren Weg ich gekreuzt bin. Bei keinem davon blieb ich so lange stehen. Und auch bei keinem hat es bisher annähernd so viel Konfetti geregnet, wie bei Dir. In das System meiner Schubladen konnte ich Dich nicht ablegen. Wusste einfach nicht, in welche Du gehörst. Welche Du nicht gleich wieder nach fünf Sekunden außer Kraft setzt.

Diese vielen Schubladen – Ich habe sie zerstört. Ich hab sie zu Feuerholz zerhackt, damit wir uns nachts am Lagerfeuer wärmen können.

Genau das mag ich an Dir, denn ich hab wirklich versucht, Dich zu kategorisieren. Nur verstehen wollte ich anfangs nicht, dass das bei Dir eben nicht geht.

Wir verbrachten Tage und unzählige Stunden miteinander. Tranken unzählige Flaschen Wein und Orangen Limo leer. Nachts um 3 Uhr lernten wir uns kennen, lernte ich Dich kennen. Entdeckte, dass wir dieselben Leidenschaften teilen. Diese vielen Schubladen – ich habe sie zerstört. Ich hab sie zu Feuerholz zerhackt, damit wir uns nachts am Lagerfeuer wärmen können.

Ich besitze mehr als nur eine Facette. So wie ein blasser Lichtstrahl, der in zig Farben aufgeht, wenn er auf ein Prisma trifft.

Lernen Dich Menschen neu kennen, so sehen sie eine Seite. Welche Du ihnen zeigst, entscheidest Du spontan und tagesformabhängig. Diese eine Seite, sie wirkt auf den ersten Blick vielleicht arrogant. Für mich ist es die pure Ehrlichkeit, denn das bist Du!

Früher wollte ich aus diesen Schubladen um jeden Preis heraus kommen. Heute ist es mir weitestgehend egal, denn Ich bin Ich!
Ich besitze mehr als nur eine Facette. So wie ein blasser Lichtstrahl, der in zig Farben aufgeht, wenn er auf ein Prisma trifft.

Wenn Du willst, zeige ich Dir meine Welt.

Wenn Du willst, zeige ich Dir meine Welt.
Mit alldem, was sie enthält.
Du allein entscheidest, ob sie Dir gefällt.
Dafür brauchst Du kein Geld, nur etwas Zeit.
Und etwas Konfetti, das in Deine Welt hineinschneit.

Ach ja, was ich Dir noch sagen wollte, Schlafmütze:
Frühstück ist fertig.

Felix liebt Filterkaffee, Konfetti, laute und leise Gitarren, in Wort gefasste Poesie und gefühlt tausend andere Dinge. Mal ehrlich, direkt und frei nach Berliner Schnauze. Mal poetisch philosophisch und nichtssagend. Aber immer auch ein wenig selbstironisch. Ein Kopf der sich in keine Schublade stecken lassen will, denn diese engen das Denken nur ein. Mehr von ihm gibt’s auf Instagram.

Headerfoto: Stockfoto von KIRAYONAK YULIYA/Shutterstock. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.