Das Wunder der Depression – Wie ich mehr über mich und meine Fähigkeiten lernte

Ich bin Sophie, 25 Jahre jung, sensibel und an Depressionen erkranktSie wird mein Wegbegleiter sein, mal mehr und mal weniger. Ich nehme sie an und lerne, mit ihr zu leben. Etwas anderes bleibt mir bei dieser schönen Depression wohl nicht übrig.

Ob ich mich über die Depression definiere? Nein! Aber wie schon gesagt, sie ist mein Wegbegleiter, ein Teil von mir. Seit meinem 17. Lebensjahr habe ich mit immer wiederkehrenden Ängsten, Panikattacken und letztendlich auch mit depressiven Phasen zu tun. Im März 2020 dachte sich die Depression wohl: „Mal schauen, wer hier der Boss ist – Sophie oder ich?!“

Mit solch’ sarkastischen Gedanken betrachte ich diesen Tiefpunkt meines Lebens nun mit etwas Abstand. Klar, ich könnte noch immer in meinem Bett sitzen, weinen und mir die Decke über den Kopf ziehen. Doch dann wird es niemals besser. Das war mir nach all’ den Jahren mit depressiven Verstimmungen und Episoden klar geworden. Nur ich selbst kann aktiv etwas an meinem Zustand ändern. Und so ging ich zu meinem Hausarzt und ließ mich in die Psychiatrie einweisen. Ich begann, endlich auf mein Inneres zu hören und darüber zu sprechen.

Willkommen in der Klapse!

Wahrscheinlich denkst du jetzt: „Fuck, die war in der Klapse. Die muss ja nicht mehr ganz richtig sein.“ Ja, das hätte ich wohl vor einigen Jahren auch noch gedacht. Allerdings ist es ganz anders. Klischees adé!

Ich kam in die Psychiatrie, auf eine Depressions-Station. Dort war alles darauf ausgelegt, der Depression entgegenzuwirken: Frühstück um 8 Uhr, erste Therapien ab 9 Uhr, das Bett selbst beziehen, eigenständiger Gang zu Musik- oder anderen Therapien und und und. Es wurde sogar gelacht und die Menschen dort waren super nett, egal ob Patient:innen oder Mitarbeiter:innen des Krankenhauses.

Nichts von: Alle sitzen rum, kauern in der Ecke und sind traurig. Im Gegenteil! Mit so viel Freude und Lebensmut kam ich absolut nicht zurecht. Denn ich war so was von an meinem Limit angekommen, ich wollte einfach nur schlafen und mich in Sicherheit wiegen. Es war so gut zu wissen, dass da draußen Menschen sind, die mir etwas zu essen geben und ich endlich die Hilfe bekomme, die ich schon so lange suchte!

‚Ich Ich schaff’ das alles schon! Andere schaffen das schließlich auch’, dachte ich zu oft.

Seit ca. einem halben Jahr ging es mit meinem psychischen Zustand langsam bergab und die letzten Jahre war ich super gut darin, Lasten anzusammeln. Immer wieder setzte ich mich mit diesen Lasten auseinander, doch anscheinend war das nicht genug. Zu oberflächlich? Schon immer war ich ein sehr sensibles Wesen und nahm mir alles zu Herzen.

Die anderen standen immer an erster Stelle, dann kam ich! Ich war immer da für meine Freund:innen, hatte immer für jede:n ein offenes Ohr. Auch auf meiner Arbeit sagte ich zu allem „Ja und Amen“. „Ich schaff’ das alles schon! Andere schaffen das schließlich auch“, dachte ich zu oft. Mir war durchaus bewusst, dass ich zu den 15 bis 20% der Menschen gehöre, die hochsensibel sind. Dass ich also schneller an meine Grenzen gerate als Andere, ungefiltert wahrnehme und meine riesige Empathie „Fluch und Segen“ zu gleich ist.

An der Grenze angelangt …

Und ruuuuuuuums … lag ich da. In der Psychiatrie. Es dauerte circa zwei Wochen bis der Knoten platze und ich verstand, warum ich mit meinen jungen 24 Jahren am Limit war. Nachdem ich den Ursachen auf den Grund ging, sie sah, verstand und akzeptierte, stand ich plötzlich auf der Sonnenseite des Lebens: Ich lernte wieder, mich und meine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Auf mich und meine Bedürfnisse zu achten, sie zu spüren und wahrzunehmen.

Ich entdeckte meine ausgeprägte Intuition völlig neu. Ich begann zu schmecken, als hätte ich vorher nicht schmecken können. Jede Mahlzeit war der pure Genuss, die pure Freude. Ich war unendlich dankbar, verschiedenste Gerüche wahrnehmen zu können. Ich verstand so langsam, worauf es ankam: Selbstliebe, Achtsamkeit mit der eigenen Person, mir bewusst über mich selbst sein (Selbstbewusstsein), nach vorne schauen. Positiv denken, spüren, werden!

Ich wurde mir nach und nach darüber bewusst, was ich alles kann, was mich als Mensch ausmacht. Ich lernte mehr über mich selbst und meine Fähigkeiten. Ich lernte, stolz auf mich selbst sein zu dürfen und mich selbst zu loben. Und das ist erst der Anfang: Nach nun sechs Monaten schaffe ich es, diese Erkenntnisse langsam in meinen Alltag zu integrieren. Es funktioniert nicht jeden Tag, doch ich bin stets bemüht. Übung macht die Meisterin. 🙂

Mein größter Wunsch? – Glücklich sein!

Ist es nicht das, was wir uns für unser Leben wünschen? Kann ich glücklich mit mir selbst sein, nehme ich mich selbst an, bin ich in der Lage dazu, mein Glück auszuweiten? Dann steht mir nichts mehr im Weg. Denn ich kann mich immer auf mich verlassen, so aussichtslos es auch erscheint.

Ich bin Sophie, 25 Jahre jung, sensibel und habe akzeptiert, mit der Depression zu leben.

Du bist auch betroffen oder kennst eine Person, die mit Depressionen kämpft? Hier sind ein paar Anlaufstellen, bei denen du Hilfe finden kannst: 

Anlaufstellen bundesweit: Ein erster Schritt kann ein Besuch beim Hausarzt/der Hausärztin deines Vertrauens sein. Unter www.therapie.de findest du freie Psychotherapieplätze in deiner Nähe. Freunde fürs Leben e.V. bietet neben ganz vielen Informationen zu Depressionen auch solche zu Hilfsangeboten. Unter 0800-1110111 erreichst du jederzeit die Telefonseelsorge, wenn du dringender Hilfe brauchst und unter 116-111 das Kinder- und Jugendtelefon.

Du bist nicht allein !<3

Die feinfühlige Bloggerin Sophie erzählt aus ihrem Leben mit Hochsensibilität und Depressionen. Das eine scheint das andere zu beeinflussen, oder auch nicht? Fragen über Fragen, Selbstfindung, Natur und Pommes. Kommt mit auf eine sensible Reise und setzt die Brille der Feinfühligkeit auf. Mehr zu ihr findet ihr hier. Dieser Text ist bereits hier erschienen.

Headerbild: Matheus Ferrero via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt und gecroppt.) Danke dafür!

2 Comments

  • Hallo liebe Rebecca,
    vielen lieben Dank! Es freut mich sehr, dass du dich in dem Artikel wiedergefunden hast. Es hilft, sich einander verbunden und vor allem verstanden zu fühlen!

    Viele Grüße,
    Sophie 🙂

  • Liebe Sophie,
    ich finde das so mutig, dass du diesen Schritt getan hast, um dir selbst zu helfen! Props to you! Ich bin auch 24 und habe oft das Gefühl, etwas stimme mit mir nicht, weil ich so intensiv fühle, wie ich es tue, und irgendwie alle um mich rum das Leben leichter zu nehmen scheinen und generell alles besser meistern oder irgendwie schon weiter sind als ich. Deine Worte zum Sich-selbst-Kennen- und lieben-lernen fand ich richtig gut!
    Ich wünsch dir alles Gute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.