„Danke, dass ihr so viele seid!“ Wie es ist, mehrere Mütter (und Väter) zu haben

Heute ist Muttertag! Mich trennen 1000 Kilometer von meiner leiblichen Mutter und 600 Kilometer von meiner Mama und meiner Stiefmutter. Aber was sind schon Entfernungen in unserer digitalisierten Welt? WhatsApp, Skype, Fleurop und auch den Postweg soll’s noch geben. Meinen Müttern einen Muttertagsgruß zukommen zu lassen, stellt an sich also kein Problem dar, aber dieses Jahr macht mich dieser Feiertag nostalgisch und so sitze ich hier und betrachte meine Familiensituation …

Vielleicht sollte ich aber erst einmal erklären, wie es zu dieser Anzahl an Mamas und Papas kommen kann?

Meine leibliche Mutter kam als Anfang 20-Jährige aus dem Senegal nach München, um von dort aus nach Italien weiterzuziehen und Tänzerin zu werden. Mein leiblicher Vater, aus der Oberpfalz stammend, verweilte zu dieser Zeit auch in München. Er nahm sich eine Auszeit vom Studium in der verschlafenen bayerischen Provinz und genoss das Leben im angesagten München. Im Englischen Garten, wo auch in den 80ern noch der Hippie-Lifestyle zelebriert wurde, trafen sich die beiden Freigeister und verliebten sich prompt Hals über Kopf.

Als Krönung ihrer Liebe durfte ich das Licht der Welt erblicken. Doch leider ist das ja dann doch alles nicht so einfach, wie das Flower-Power-Setting es vermuten lässt. Mein Vater musste sein Studium beenden, meine Mutter wollte ihre Karriere starten. Und ein kleines Baby machte sich weder im Hörsaal noch auf der Bühne gut.

Die Vorteile und Nachteile davon, ein Pflegekind zu sein

Also trafen sie eine bestimmt nicht leichte, aber richtige Entscheidung und gaben mich in eine Familie, die sich ein Kind wünschte und umsorgen konnte. Ich wurde nicht adoptiert, ich wurde ein Pflegekind. Das bedeutete, dass mein Vater und meine neuen Pflegeeltern sich das Sorgerecht für mich teilten und ich weiterhin den Nachnamen meines Vaters trug (und noch trage). Bei einer Adoption hingegen geben die leiblichen Eltern ihr Sorgerecht ab, die Adoptivkinder sind rechtlich alleinige Kinder ihrer Adoptiveltern und offiziell nicht mehr mit ihren leiblichen Eltern und ihrer Herkunftsfamilie verwandt.

So wuchs ich seit meinem zweiten Lebensjahr bei meinen neuen Eltern auf; sie waren von Anfang an Mama und Papa für mich und so nenne ich sie auch heute noch.

Das Schöne, wenn auch teilweise recht Schwierige war, dass ich eben aufgrund des geteilten Sorgerechts immer Kontakt zu meinen leiblichen Eltern hatte. Die Problematik bestand darin, dass sich eines meiner Elternteile oft benachteiligt fühlte. Als Kind stand ich zwischen den Stühlen, ich wollte keinen bevorzugen, meistens versuchte ich zwischen beiden Elternpaaren sowie zwischen meinem Vater und meiner Mutter zu vermitteln – die hatten nämlich aufgrund ihrer Trennung nicht wirklich das beste Verhältnis.

Das war überfordernd für mich und genauso für meine Eltern. Im Nachhinein wünschte ich mir seitens des Jugendamtes mehr Unterstützung hinsichtlich des Umgangs mit diesen Situationen, insbesondere auch für die Eltern.

Das Beste war, dass ich nicht nur neue Eltern, sondern auch einen großen Bruder bekommen habe. Und einen Hund gab’s später auch noch – was will man mehr als Kind?

Doch das waren dann auch erst einmal die Schwierigkeiten, denn lasst euch sagen: Je mehr Mamas und Papas, desto mehr Geschenke! So hab ich es jedenfalls gern in der Schule erzählt. Denn Mitleid aufgrund meiner außergewöhnlichen Familiensituation fand ich schon immer fehl am Platz. Während der Großteil der Eltern meiner Freund*innen schon geschieden war oder auf dem Weg dorthin, wuchs ich relativ behütet in einer „klassischen“ Familie auf. Das Beste war nämlich, dass ich nicht nur neue Eltern, sondern auch einen großen Bruder bekommen habe. Und einen Hund gab’s später auch noch – was will man mehr als Kind?

Meine Pflegeeltern boten mir ein glückliches und sicheres Zuhause, welches mir aber meine leiblichen Eltern ermöglicht haben, indem sie erkannten, dass sie mir das nicht bieten konnten. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar, so schmerzhaft das trotzdem für uns alle war und vielleicht manchmal noch ist. Denn bei allem Verständnis meinerseits, sticht hin und wieder die Tatsache, dass sie mich erst geplant gezeugt haben, um mich dann wegzugeben.

Familienfeste: Mit vielen und von allem ein bisschen

Aber kommen wir wieder zum Schönen zurück: Zum Beispiel schickte meine Mutter früher aus Italien Geschenke zu Weihnachten, nicht nur für mich, sondern für die ganze Familie. Das war meistens etwas zum Anziehen, also ganz nach meinem Geschmack, nicht aber so sehr dem meines Bruders entsprechend. In Italien feierte man auch in den späten 90ern noch lange die schrille 80er-Jahre-Mode. So erinnere ich mich an einen Sweater, der farbenfroher oder besser gesagt greller kaum hätte sein können. Herrlich diese Farbenpracht an einem blassen, genervten Teenager. Verzeih, Bruderherz. 🙂

Meine Konfirmation feierten wir zusammen mit meinem leiblichen Vater, seiner damaligen Frau und ihrer Tochter, meiner zuckersüßen Halbschwester, damals gerade zwei Jahre alt. Ebenso war mein Onkel väterlicherseits und seine Frau dabei und selbstverständlich alle aus dem Kreise meiner Pflegeeltern.

Ich habe es geliebt, dass so viele (verschiedene) Verwandte und Bekannte an diesem Fest teilhaben wollten und konnten. Dies war der Hauptgrund gewesen, wieso ich mich mit 14 Jahren noch taufen hatte lassen, um mich dann eben konfirmieren lassen zu können. Ich erinnere mich immer voller Freude an diese Feier zurück.

In der Vielfalt gibt es kein „wirklich“ 

Besonders an der Situation, mehrere Elternteile zu haben, ist auch die Verwirrung, die man teilweise damit stiftet. Das fängt schon mit der Bezeichnung an: Wie erwähnt, nenne ich meine Eltern Mama und Papa, meine leiblichen Eltern rufe ich beim Vornamen bzw. Spitznamen oder nenne sie Mutter und Vater. Das macht zwar für mich Sinn, aber nicht immer für andere. Interessant ist es auch für die Umwelt, herauszufinden, wer nun meine „wirklichen“ Eltern sind … Aber da spiele ich nicht mit. Genauso wenig wie bei der Frage, wo ich wirklich herkomme.

Natürlich nehmen die Eltern, die mich 20 Jahre lang aufgezogen haben (und es eigentlich noch immer tun) in meinem Leben eine größere Rolle ein. Sie sind meine Mama und mein Papa. Meiner Dankbarkeit für ihre Liebe und Kraft, sind sie sich hoffentlich jeden Tag bewusst.

Meine Eltern haben es mit ihrer herzlichen und offenen Art geschafft, dass ich mich immer als vollwertigen Teil dieser Familie gefühlt habe. Ich bin ihre Tochter seit dem Moment als sie mich in ihr und mein neues Zuhause gebracht haben.

Ein fremdes Kind in die eigene Familie aufzunehmen, ist nämlich bei aller Liebe ein wirklich schweres Unterfangen, das nicht unterschätzt werden darf. Aber meine Eltern haben es mit ihrer herzlichen und offenen Art geschafft, dass ich mich immer als vollwertigen Teil dieser Familie gefühlt habe. Ich bin ihre Tochter seit dem Moment als sie mich in ihr und mein neues Zuhause gebracht haben.

Bedenken seitens des Jugendamt-Mitarbeiters, dass sie als Deutsche wohl eher kein dunkelhäutiges Kind aufnehmen sollten, quittierte mein Papa damals auf seine einmalige und energische Art so: „Und wenn das Kind grün-weiß gestreift ist, das ist uns sowas von egal, wir möchten ein Kind in unserer Familie aufnehmen!“ <3

Dank ihnen bin ich ein Mensch, der sich nicht vom Äußeren beeindrucken lässt, das Innere zählt. Was nicht heißt, dass mir Aussehen nicht wichtig ist; ich liebe es, mich gut zu kleiden, aber kein Outfit kann einen schlechten Charakter kaschieren.

Ich bin also sehr dankbar … Meinen Eltern genauso wie meinen leiblichen Eltern, denn ohne sie wäre ich nicht hier und sie begleiten mich so gut, wie sie es können auf meinem Weg, und sind immer für mich da!

Ich bin also sehr dankbar … Meinen Eltern genauso wie meinen leiblichen Eltern, denn ohne sie wäre ich nicht hier und sie begleiten mich so gut, wie sie es können auf meinem Weg, und sind immer für mich da! Ich kann meine Mutter Tag und Nacht anrufen und mein Vater ist einfach ein toller Kerl. Wir sind uns charakterlich sehr ähnlich, manchmal fast zu ähnlich, weswegen wir uns sehr gut streiten können, aber das zeigt nur, wie wichtig wir uns beiden sind.

Ein riesengroßes Dankeschön geht auch an meine Stiefmutter, die dritte Frau meines Vaters. Sie ist seit meiner Pubertät an meiner Seite und macht mit uns beiden ganz schön was mit … Zum Glück ist sie so herzensgut und stark und hält uns aus!

Und eigentlich gibt es noch mehr Frauen in meinem Leben, die zeitweise die Rolle einer Mutter eingenommen haben, auch wenn sie nur ein Jahr älter sind als ich oder die Mutter jemand anderes sind. Ihr habt einen großen Teil zu meinem Glück beigetragen! <3

Dieser Muttertag gibt mir also den Anlass, mal wieder über meine Situation zu reflektieren und demütig einfach Danke zu sagen. Es ist bei uns vielleicht nicht immer leicht, aber diese Vielfalt, die ich aufgrund meiner außergewöhnlichen Familiensituation habe, macht mich reich, nicht (nur) an Geschenken, sondern vor allem auch an Liebe.

Ich danke euch allen von Herzen!

Headerbild: Prince Akachi via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

TENE liebt Autos und das Autofahren. Gerne wäre sie die Chauffeurin der Bundeskanzlerin geworden, aber nach dem Studium der Hungarologie bot sich etwas mit Literatur an und so ist sie nun glücklicher Teil des im-gegenteil-Teams. Und genau wie bei einem 1968er Ford Mustang schlägt ihr Herz höher, wenn sie schöne Texte über Liebe, Herzschmerz, und Fummeln lesen darf. Denn damit kennt sie sich auch gut aus.

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