Wenn mich mein Vater früher als Kind gefragt hat, ob ich Lust hätte, ein bisschen draußen frische Luft zu schnappen, dann sind wir nicht in den Park um die Ecke zum Schaukeln gegangen. Nein, ich bekam dann einen Nierengurt umgeschnallt, einen Helm aufgesetzt und saß ein paar Minuten später mit ihm auf seiner Suzuki 1100 F Richtung irgendwo.
Als Kind weiß man nicht viel, aber dass mein Vater eine ganz besondere Beziehung zu seinem Motorrad hatte, das war mir schon damals klar. Und ich begreife noch viel mehr, was das Motorradfahren so einzigartig macht, wenn ich durch das Craftrad – Magazin für Motorradkultur blättere. Das Gefühl von Freiheit wird auf beinahe jeder Seite vermittelt. Aber nicht nur das, es scheint, als ginge es hier nicht nur um eine Maschine, sondern um ein Lebensgefühl. Stylisch und mit viel Liebe zum Detail ist es aufbereitet. Sowohl die Geschichten, als auch die Bilder darin sprechen von Abenteuern und Leidenschaft.
Nadine und ich haben die beiden Herausgeber Christoph Blumberg und Jan Zühlke getroffen und mit ihnen über ihr Magazin und alles, was das Motorradfahren so sexy macht, gesprochen. Vroom, vroom.
Es geht nicht um die Maschine, sondern um den Menschen, der darauf sitzt.
Beschreibt doch mal euer Magazin mit drei Worten?
Christoph: Puh, in drei Worten …
Jan: Und mit so einer Frage gehst du also rein. Der sogenannte Icebreaker. (Lacht.)
Christoph: Sexy!
Jan: Genau!
Beide: Sexy, sexy, sexy.
Was unterscheidet euch denn von anderen Motorrad-Magazinen?
Jan: Das ist eigentlich gut mit der Gründungsgeschichte erklärt. Christoph ist aus seinem alten Job raus, hat sich mal in der Motorrad-Presselandschaft umgeschaut, was es da so gibt, und gemerkt, dass irgendwie nichts am Zahn der Zeit ist. Weder inhaltlich noch ästhetisch hat ihn davon etwas angesprochen. Und so entstand auch eigentlich schon die Idee, ein geiles Mopped-Magazin zu gründen.
Warum schaut man sich denn den Markt für Motorrad-Magazine überhaupt an?
Jan: Christoph hatte da schon längst eine Leidenschaft für Motorräder gefunden, seinen Führerschein gemacht und Bock, durch die Gegend zu fahren. Zufällig habe ich davon Wind bekommen und mich recht schnell dazu entschieden, mitzumachen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und überlegt, was ist es denn, das wir von einem Magazin erwarten? Gerade auch wir, die jetzt nicht unbedingt so die Technik-Nerds sind oder über die neusten Modelle Bescheid wissen. Deshalb spiegelt das Magazin auch mehr so die leidenschaftliche und emotionale Seite des Motorradfahrens wider.
Demnach seid ihr gar nicht so aktualitätsgetrieben?
Jan: Genau, es geht nicht um die Maschine, sondern um den Menschen, der darauf sitzt.
Es überrascht euch dann sicherlich auch nicht, wenn ich, die jetzt nicht wirklich einen Bezug zu dem Thema hat, euch sage, dass ich das Magazin trotzdem gerne gelesen habe?
Christoph: Das ist der absolute Anspruch unseres Magazins. Wir wollen auch Leser erreichen, die nicht unbedingt etwas mit Motorrädern zu tun haben. Wir haben Reisegeschichten, auch mal Stories über Autos, Kunst, Mode oder eben auch darüber wie eigentlich ein Fahrrad Designer arbeitet. Es soll schon artverwandt sein und eben all das umfassen, was im weitesten Sinne mit dem Lebensstil zu tun hat.
Wie bereitet ihr eine Ausgabe vor?
Christoph: Mit einem Schema F jedenfalls nicht. Die Ausgaben sind so individuell, da kann man nicht mit Schablonen arbeiten. Klar gibt es aber immer wiederkehrende Prozesse und Routinen beim Heftmachen. Zur Themenfindung sind wir viel im Dialog mit der Szene. Mit Schraubern, unseren Lesern und natürlich auch den Unternehmen. Aus diesen Impulsen versuchen wir spannende Narrative für unsere Ausgaben zu destillieren, innerhalb dessen wir schöne und inspirierende Geschichten erzählen können. Bei der aktuellen Ausgabe geht es vor allem um Reisethemen, in der davor ging es um „Ikonen“. Wir verstehen uns ja als Plattform. Als Kuratoren, die die losen Geschichten zu einem Magazin zusammenfügen.
Bei dem Artikel „Pack das Schafsfell ein“ bin ich auf einen Begriff gestoßen. Was ist ein Hipster-Biker?
Jan: Ach, eigentlich kann man nicht davon ausgehen, dass es einen echten und einen unechten Biker gibt. Nicht mal das Wort Biker benutzen wir oft, weil damit so viele unnötige Klischees einhergehen. Man muss aber sagen, dass in den letzten Jahren schon ein krasser Lifestyle von so jungen Boots entstanden ist, die sich alte Karren aus den 70ern oder 80ern schnappen und dann die Motorräder nur auf das reduzieren, was sie wirklich brauchen. Schnickschnack wird dann abmontiert und jeder macht so ein bisschen sein eigenes Ding daraus. Sozusagen ändern sie alles ab, was nicht zur tragenden Struktur eines Motorrads gehört. Es gibt mittlerweile recht viele, die ihr Motorrad auch als Identifikationsobjekt betrachten. Über das Motorrad wird der Lebensstil kommuniziert. Sie fahren aber nicht unbedingt ihre 50.000 Kilometer im Jahr.
Ich merke, das ist eine ganz eigene Welt. Was ist denn überhaupt so geil am Motorradfahren?
Jan: Im Prinzip muss das jeder selbst für sich wissen, aber oft wird gesagt, dass es etwas sehr Entschleunigendes hat. Man sitzt eben oft vor dem Rechner oder hält das Smartphone in der Hand, da ist es ganz schön, abends mal mit einem Bierchen in die Garage zu gehen und am Bike zu schrauben, sich die Finger schmutzig zu machen.
Da würde ich zustimmend nicken, aber das Fahren als solches ist ja eigentlich eine Beschleunigung, oder?
Jan: Körperlich absolut, aber innerlich gibt es dann nur dich und nicht viele Dinge, auf die du dich sonst so konzentrieren musst.
Christoph: In einem Auto kannst du vielleicht noch das Radio anmachen oder dich mit jemand unterhalten. Man muss sich mal überlegen, wann du sonst in einem wachen Zustand so lange ohne Ablenkung bist. Und für viele ist das ein Zufluchtsort, um mal raus aus diesem digitalen Loch zu kommen. Wie Jan auch schon sagte, sich mal wieder die Hände schmutzig machen, hat für mich auch etwas sehr Entspannendes. In der Regel teilst du das auch mit deinen Freunden und dann kommt eine zwischenmenschliche Ebene noch mit dazu.
Tatsächlich glaube ich, dass sich durch diesen neuen Motorrad-Lifestyle auch immer mehr Frauen angesprochen fühlen.
Ich finde es interessant, dass ihr beide so geschlechtsneutral sprecht. Denn wisst ihr, was mir noch aufgefallen ist an eurem Magazin? Das sind ja auch Frauen drin!
Christoph: Wir wünschen uns natürlich auch weibliche Leser. Von allen Motorradfahreren sind davon vielleicht nur zehn Prozent Frauen. Diese Zahl aber jetzt nur mal ganz vorsichtig ausgedrückt. Tatsächlich glaube ich aber, dass sich durch diesen neuen Motorrad-Lifestyle, von dem wir eben sprachen, auch immer mehr Frauen angesprochen fühlen. Ich glaube, weil es eben nicht mehr um dieses „immer schneller, immer weiter“ geht, ist die Einstiegshürde für Frauen geringer geworden.
Wenn der Großteil männlich ist. Sagt mal Jungs, an dieser Stelle vielleicht: Bekommen Motorradfahrer viele Frauen ab?
Jan: Wir wollten tatsächlich mal einen Test machen, auf Tinder. Original der gleiche Typ, aber eben einmal in einen Motorradkontext eingebettet und einmal nicht. Und dann den Swipe right eröffnen. (Lacht.) Fände ich spannend, welcher von beiden Typen besser ankommt.
Und was glaubst du?
Jan: Ich glaube schon, das dass ankommt. (Lacht. Schon wieder. Ich auch.)
Nadine: Mhh, also bei mir punktet man eher mit einem Hund.
Jan: Ach, vielleicht schließt sich das auch nicht aus. Wir reden auch die ganze Zeit über den einen bestimmten Motorradfahrer, aber auch hier kann man eben nicht unbedingt alle über einen Kamm scheren. Es gibt nämlich nicht den einen bestimmten Motorradfahrer, der auch nichts anderes macht. Und das ist auch der Anspruch unseres Magazins, das zu verdeutlichen. Wir sind total offen für alle möglichen Einflüsse. Wir sind quasi eine Szene in der Szene.
Abschließend vielleicht, weil wir jetzt doch sehr von dieser coolen und romantischen Leidenschaft ausgehen, egal von welcher Nische wir sprechen: Es ist und bleibt doch aber auch eine sehr gefährliche Angelegenheit, oder? Stichwort: Geschwindigkeit, meine Herren.
Jan: Für mich ist das eines dieser Klischees.
Näh, das glaube ich nicht. Erkläre mal genauer, was du meinst.
Jan: Klar ist Motorradfahren am Ende des Tages gefährlicher als Autofahren, aber Motorräder sind nicht alle gleich schnell. Mit den Karren hier, die wir haben, hast du keine Chance irgendwie schnell zu sein. Es geht um die Art des Fahrens und nicht darum, eine Rennstrecke in Rekordzeit zu düsen.
Man ist aber trotzdem im Verkehr auch abhängig von der Dummheit anderer. Egal, wie sicher du persönlich fährst.
Jan: Da hast du auch definitiv recht, nur kann dir das eben auch auf dem Fahrrad passieren.
Hattet ihr denn schon Unfälle?
Jan: Ja, Christoph, erzähl du doch mal.
Christoph: Ach, ich erinnere mich da gar nicht mehr so gut dran. (Lacht.) Aber irgendeiner hat später gesagt, ich sei da irgendwie umgefallen mit dem Motorrad.
Jan: Soll heißen, dass uns wirklich noch nicht Schlimmeres passiert ist.
Christoph: Keine Verletzungen. Aber ich habe auch schon von anderen, üblen Geschichten gehört. Den Punkt der Gefährlichkeit des Motorradfahrens kann und darf man nicht wegdiskutieren. Gehört halt dazu.
Jan: Und vielleicht zeichnet es das ja auch mit aus. Surfen, Skaten und Ähnliches. Es geht darum, dass du deine Komfortzone ein bisschen verlässt und ja, auch mit dem Risiko im Hinterkopf fährst. Vielleicht macht es das auch so sexy. Diese Verletzlichkeit. Wer weiß.
Gibt es denn Traumstrecken, die ihr gerne mal fahren wollt?
Jan: Bestimmt ein bisschen kitschig, aber ich würde gerne die Panamerika mal langfahren. Das ist die Strecke, die Che Guevara auch schon gefahren ist.
Christoph: Puh, schwierig. Gar keine bestimmte Strecke im Kopf, aber den Wunsch, mal eine richtig lange Reise zu machen. Von hier bis nach Japan oder so. Mit dem Motorrad ist einfach alles möglich.
Nur mal so: Das hübsche Heftchen erscheint im Quartal für 9 Euro und in kann in jeder Bahnhofsbuchhandlung ergattert werden. Einen Online-Shop haben die Jungs übrigens auch. Ich sag nur: Geschenk-Abo! Mehr von Craftrad gibt es auf Facebook, Instagram, Twitter und Tumblr! Und wenn sie nicht socialen, dann fahren sie auch heute.