Craft Beer | Schmecken muss es! Aber nicht jedem.

Meine reizende Begleitung Pukki und ich laufen durch Marzahn und suchen die Hochhausblöcke. Stattdessen passieren wir kleine Einfamilienhäuschen und Gärten. Schön hier. Ich hatte was anderes erwartet, aber mir soll es recht sein. In der Alten Börse Marzahn sind wir mit dem Team der Berliner Bierfabrik verabredet, um etwas über ihr Craft Beer zu sprechen und im Idealfall was aufs dem Zapfhahn zu kosten. Bier ist nicht gerade mein Lieblingsgetränk, aber seitdem ich mich mal in einem Hessener Weingut durch die Keller getrunken hatte, hege ich eine Faszination fürs Brauereibusiness. Sebastian finden wir telefonierend im Gemäuer. Dann mal rein in die gute Stube.

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Wir starten mit der Besichtigung des Produktionsbereichs, wo neben einem Sudwerk (hier kann man in einem Brauvorgang 1000 Liter herstellen), drei Gärtanks und zwölf jeweils 1000 Liter umfassenden Lagertanks jede Menge Schläuche, Knöpfe, Glasböppel und Fässer ihr Zuhause haben. Die vielen Tanks ermöglichen es, unterschiedlichste Biersorten zu lagern – da gibt es was mit chinesischem Jasmintee, Lemongrass, Walnut und irgendwas mit Double IPA. Ich habe keine Ahnung von Bier. Also oute ich mich zuerst einmal profimäßig.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen handelsüblichem Bier aus dem Supermarkt und Craft Beer?

Der Begriff Craft Beer beschreibt ein Handwerksbier. Hier wird viel mit der Hand gemacht und wir produzieren naturbelassen. Wir filtrieren und pasteurisieren nicht, da es nicht optimal für den Geschmack ist. Außerdem geben wir dem Bier mehr Zeit – unser Pils hat über sieben Wochen im Tank gereift. Durch natürliche Sedimentation bekommen wir sehr klare und haltbare Biere hin. Beim Maple Walnut Stout zum Beispiel dürfen wir gar nicht „Bier“ draufschreiben, weil es nicht nach dem Reinheitsgebot ist. Wir benutzen keine chemischen Filterhilfsmittel, sondern nur vernünftige, gute Zutaten und nur weil wir Walnüssen oder Kaffee verwenden, ist unser Bier nicht weniger rein. Wir haben in der Regel einen höheren Wareneinsatz als die großen Brauereien, weil wir kein chemisch aufbereitetes Hopfenextrakt benutzen, sondern nur Naturdolden oder Pellett-Hopfen. Ich würde sagen, die Craft Biere sind ein wenig kreativer als die Standard-Biere, die man im Supermakrtregal findet. Ob das eine besser oder das andere schlechter ist, soll aber der Konsument entscheiden.

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Gibt es gerade einen Craft Beer Boom, wo sich die Leute doch inzwischen viel bewusster ernähren und auf Handgemachtes Wert legen?

Ich würde nicht sagen, dass das ein Craft Beer Boom ist, aber an den Handwerksbäckereien, Street Food Märkte, Neulandfleischereien merkt man ein größeres Bewusstsein für regionale Ernährung. Die Leute fangen an, auch wieder mehr für Qualität zu bezahlen. Nicht immer nur die Geiz-ist-geil-Mentalität. Wobei es solche und solche gibt, man kann den Konsumenten ja nicht über einen Kamm scheren. Auf jeden Fall ist es schön, dass das Qualität einen höheren Stellenwert bekommt.

Ja, das freut uns auch. Dürfen wir mal was kosten?

Klar.

Sebastian zapft uns was Dunkles aus einem der riesigen Tank. Vor jedem Öffnen und nach jedem Schließen muss alles desinfiziert werden. Oberstes Gebot in der Produktion. Wir amüsieren uns über die Zwickelspirale, werden dann aber mit einem Black Witch ruhig gestellt. Ein Witbier ist eigentlich ein belgisches helles Weizenbier, für das die Bierfabrikanten aber dunkles Malz verwendet haben. Zusätzlich noch Anissamen. Das Bier hat 7% Alkohol. Prost!

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Wie groß ist die Gefahr, dass man hier täglich unter dem Hahn hängt?

Bei gewissen Bieren ist ein tägliches Verkosten wichtig. Ich würd sagen, ich trinke ein bisschen zu viel.

Können wir uns vorstellen. Schmeckt eigentlich jedes Fass gleich?

Wenn es ein Rezept gibt, sind die Abweichungen minimal. Klar, können wir nicht zu 100% reproduzierbar brauen wie die großen Brauereien, aber unser Anspruch ist schon auch, dass es konstant bleibt. Die Leute sind die Vielfalt gar nicht mehr gewohnt. Mir würde es auch schwer fallen, zwischen einem Berliner Pilsener, Berliner Kindl, Schultheiß und einem Beck’s zu unterscheiden. Die sind nah beieinander und es wird sich wenig getraut. Was aber natürlich dadurch bedingt ist, dass die großen Brauereien Biere herstellen wollen, die möglichst vielen schmecken. Ich finde, das ist wie mit Popmusik – wenn du ein Produkt hast, das jedem gefällt, wird es beliebiger, austauschbarer. Auf den meisten unserer Flaschen steht drauf: Schmecken muss es aber nicht jedem. Ich möchte lieber was herstellen, das polarisiert.

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Ihr habt die Brauerei zu dritt gegründet. Könnt ihr alle das Gleiche?

Wir haben uns beim Studium der Brauerei- und Getränketechnologie an der TU kennengelernt. Das ist ein Ingenieursstudiengang mit 25 Leuten. In den ersten drei Semestern hat man nur Physik, Thermodynamik und Chemie und ab dem vierten geht es langsam mit Bier und den Fachvorlesungen los. Julian hat unheimlich viel Heimbrauerfahrung gesammelt, André ist gelernter Chemikant. Wir können schon alle alles, haben dann aber angefangen uns zu spezialisieren. André ist hauptsachlich für die Buchhaltung und Finanzen zuständig, Julian ist in der Produktion und Produktentwicklung, meine Gebiete sind Vertrieb, Außendarstellung und Marketing und Sanni ist Projektkoordinatorin und Teammanagerin.

Bier ist in Deutschland ist eher preiswert, oder? Was kostet eures?

Im internationalen Vergleich ist es wirklich sehr billig, in anderen Ländern, wo das Durchschnittseinkommen wesentlich geringer ist, sind die Bierpreise höher. Darum hat sich in den letzten Jahren ein Preiskampf entwickelt, wo die Kiste für mittlerweile 10 Euro verramscht wird. Wenn ich überlege, wie viele Rohstoffkosten darin stecken und dass der Bauer, der das Getreide anbaut, auch noch etwas haben möchte, dann ist das schon heftig. Für uns stehen Qualität und Geschmack an oberster Stelle, nicht der Preis. Diese Barrique-Holzfässer aus französischer Eiche geben zum Beispiel eine vanillige oder leichte Holz- oder Rauchnoten. Die 220 Liter in den Fässern müssen mehrere Monate reifen – das ist ein betriebswirtschaftlicher Wahnsinn. Aber es macht auch Spaß, damit zu experimentieren. Unsere Flaschen kosten zwischen 1,80 und 9 Euro. Man findet sie in Hotels, Restaurants, Supermärkten, Spätis, Fachgeschäften – berlinweit sind das etwa 50 Orte.

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Tolle Location hier. Und viele teuer aussehende Gerätschaften. Wie habt ihr das finanziert?

Ursprünglich war die Alte Börse Marzahn mal ein Viehhandelshof, von der Roten Armee wurde das Gelände als Stellplatz für militärisches Gerät genutzt und dann von der NVA für Militärparade-Übungen. Jetzt füllt sich das Gelände wieder mit Handwerk, Gastronomie, Kunst, Kultur. Wir sind froh, hier untergekommen so sein. Zur Finanzierung: Wir haben einen ziemlich guten Businessplan geschrieben, haben Fördermittel bekommen, das heißt, die Stadt Berlin schenkt uns einen Teil unserer Investitionssumme, und wir haben einen guten Gründerkredit ergattert. So eine Brauerei kriegt man nicht mal eben mit ein bisschen Sparen hin.

Und zum Schluss noch. Warum ist Brauer und Melzer der beste Beruf?

Weil man es nie weit zum nächsten Bier hat.

Das dachten wir uns fast. Kommt, wir probieren noch eins.

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Zusammen mit Muckimaschine Rummelsnuff hat die Berliner Bierfabrik übrigens das 10%ige Kraftbock kreiert. Am 22.10. könnt ihr euch beim Konzert von Rummelsnuffs musikalischem und alkoholischem Repertoire ein persönliches Bild machen.

Wir verlosen 2×2 Tickets für den Abend im Badehaus Szimpla im Friedrichshain. Verratet uns einfach bis  Freitag (9.10.) bei Facebock, äh Facebook, mit welcher Geschmacksnote ihr euer persönliches Bier verfeinern würdet.

JULE ist Gründerin von im gegenteil und Head of Love. Sie schreibt (hauptsächlich zu therapeutischen Zwecken über ihr eigenes Leben), fotografiert Menschen (weil die alle so schön sind) und hat sogar mal ein Buch verfasst. Mit richtigen Seiten! Bei im gegenteil kümmert sie sich hauptsächlich um Kreatives, Redaktionelles und Steuererklärungen, also alles, was hinter dem Rechner stattfindet. In ihrer Freizeit schläft sie gerne, sortiert Dinge nach Farben und/oder trägt Zebraprint. Wer kann, der kann. Inzwischen ist sie - entgegen ihrer bisherigen Erwartungen - glücklich verheiratet.

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