Was gut daran ist, jetzt als Single keinen Sex haben zu können

Kleiner Hinweis vorab: Im folgenden Text geht es um ein eher „leichtes“, teilweise humorvolles Thema im Zusammenhang mit Corona. Ich habe das Bedürfnis, vorab zu betonen, dass ich mir bewusst darüber bin, wie ernst und schwierig die Situation gerade ist. Dass ich trotzdem über Sex schreibe und das auf humorvolle Art, hat nicht den Zweck, die Ernsthaftigkeit der Situation zu schmälern oder zu verleugnen.

Es ist so weit. Alles, worum ich Paare, die zusammen leben und wohnen, sonst nie beneide, will ich jetzt. Und am besten sofort. In erster Linie meine ich damit den Sex, den ich als Single in Corona Times aus bekannten Gründen nicht haben kann.

Für mich ist sexuelle Befriedigung ein Grundbedürfnis, das gerade nicht gestillt werden kann.

Für mich ist sexuelle Befriedigung ein Grundbedürfnis, das gerade nicht gestillt werden kann. Und ja, ich kenne die Möglichkeit der Masturbation. Habe ich nicht nur schon mal gehört, praktiziere ich sogar durchaus regelmäßig. Und trotzdem ist mein Bedürfnis nach Sex damit nicht befriedigt.

Denn ich habe verdammt gerne Sex. Und alles, was dazugehört. Auch gerne oft. Auch als Single. Ich möchte behaupten, ich bin zufrieden mit meinem Sexleben. Hätte ich jedoch vor etwa einem Monat geahnt, welche Zeit mir bevorsteht, ich hätte vermutlich nicht stillgesessen, oder besser gesagt stillgelegen. Keine einzige Minute. Ich hätte nicht mehr gewusst, wo oben und unten ist geschweige denn, wo die Matratze aufhört und ein Leben mit Klamotten und Schlaf anfängt.

Doch da ich weder in die Zukunft schauen noch etwas in der Vergangenheit verändern kann, mache ich mir Gedanken über alles, was jetzt ist. Oder eben nicht ist.

Pornos zum Anhören

Zwischen Live-Sex, wie ich „richtigen“ Sex derzeit inspiriert vom Überangebot an Livestreams gerne nennen möchte, und Masturbation alleine in meinem Bett (wahlweise auch Dusche oder Sofa) gibt es aber natürlich auch noch andere Möglichkeiten. Dirty Talk via WhatsApp oder Cyber Sex via Videochat zum Beispiel. Und wenn nicht jetzt kreativ werden, wann dann?

Dachte ich mir und regte meinen Chatpartner dazu an, auf Sprachnachrichten umzusteigen. Und siehe da: Daraus entstand mein ganz eigener Porno zum Anhören, mit dem ich mir jetzt meine Zeit alleine auf dem Sofa ein bisschen versüßen kann. Und plötzlich gar nicht mehr so alleine bin.

Corona Times sind unsere Möglichkeit, um kreative Lösungen zu finden für Probleme, die sich ergeben. So auch für das Problem, keinen Sex haben zu können. Es lassen sich Wege kreieren, um sich weniger einsam zu fühlen, um sich gegenseitig geil zu machen, um trotzdem Orgasmen zu haben, um auf andere Art Zweisamkeit herzustellen. Doch die Intimität, die Nähe, die Berührung, die ich eben auch mit Live-Sex verbinde und so sehr mag, lässt sich über Bildschirme nur schwer ersetzen.

Zu lernen, sich selbst genug zu sein

Und während ich mir zwischen Masturbation und Home-Office brav Zeit dafür nehme, einfach nur da zu sitzen, wie es mir meine innere Pipi Langstrumpf befiehlt, kommt mir der Gedanke, dass vielleicht genau darin die Chance liegt. Die Chance, zu lernen, mir selbst genug zu sein.

Ich kann sehr gut alleine sein und bin dabei selten einsam. Ich brauche das. Aber die Zuneigung brauche ich genauso, auch die intime. Was ja ganz normal ist. Doch manchmal kann ich nicht mehr unterscheiden, ob ich Nähe von und Sex mit jemandem haben möchte, um diesem Bedürfnis nachzugehen oder doch, um mir eine Portion Bestätigung abzuholen.

Dabei will ich Letzteres gar nicht wollen – mir Bestätigung, Aufmerksamkeit und Zuneigung von jemand anderem als mir selbst zu holen. Also ist es jetzt möglicherweise Zeit, das anzugehen.

Ich bin gezwungen, mir selbst die Zuneigung zu schenken, nach der ich mich sehne. Ich bin gezwungen, mir selbst zu genügen.

Nähe und Berührung lassen sich nach wie vor nicht durch einen Bildschirm spüren. Aber was ich spüren kann, das bin ich. Und das intensiver als sonst. Ich bin gezwungen, mir selbst die Zuneigung zu schenken, nach der ich mich sehne. Ich bin gezwungen, mir selbst zu genügen. Ab und zu spiele ich meinen ganz persönlichen Hörbuchporno ab, manchmal sehe ich auch jemanden auf meinem Bildschirm. Aber hier, in meinem Bett, in meiner Dusche, auf meinem Sofa bin nur ich. Und damit bin ich mir näher als sonst.

Vielleicht ist es also okay, ein paar Wochen auf Live-Sex zu verzichten und sehr gut zu wissen, wo die Matratze aufhört und mein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen anfängt. Vielleicht ist es sogar besser als okay und die Möglichkeit für eine richtig gute Zeit mit mir selbst.

Anm. d. Red.: Wir finden es wichtig, einzelne Perspektiven von Betroffenen und die damit verbundenen Belastungen in der Corona-Pandemie zu zeigen. Wir sind alle auf unsere ganz persönliche Weise betroffen. Die meisten Maßnahmen sind aus unserer Sicht berechtigt und notwenig, um die Pandemie einzudämmen – auch wenn das Einhalten schwerfällt. Alle Artikel zum Thema Corona findest du hier.

Headerfoto: Stockfoto von Pavlova Yuliia/Shutterstock. („Körperliches“-Button hinzugefügt.) Danke dafür! 

LEONIE MACHBERT schreibt Geschichten, seit sie schreiben kann. Sie hat Journalismus studiert und tobt jetzt irgendwo auf den weiten Feldern des freien Journalistendaseins herum. Dort sammelt sie Geschichten zu ihren Herzensthemen Body Positivity, Selbstliebe, Feminismus und den kleinen, zwischenmenschlichen Phänomenen. Sie liebt es, im Café zu sitzen, ihren Laptop alibimäßig vor sich aufzuklappen und dann zwei Stunden lang Leute zu beobachten. Mehr von ihr lest ihr auf ihrer Webseite.

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