Vor wenigen Tagen schlich sich klamm und heimlich die Frage in mein Bewusstsein: „Wo werde ich in 10 Jahren stehen?“ Was werden meine Glaubenssätze sein, nach denen ich handeln möchte, was meine Ideale und Wünsche? Welche Entscheidungen will ich jetzt treffen und wohin sollen sie mich führen?
Wenn ich nicht weiß, was vor mir liegt, schaue ich manchmal zurück. Ich bin nicht sicher, ob das etwas bringt, aber ich dachte, vielleicht finde ich Antworten, wenn ich die Frage umkehre – schließlich bin ich die Zukunftsversion meines 15-jährigen Ichs und damit eine Antwort auf die damalige Frage, wo ich in 10 Jahren stehen werde.
Wo stand ich vor 10 Jahren? Und wovon war ich damals überzeugt? Was waren meine Wahrheiten, meine Vorstellungen vom Leben und meine Ziele?
Ganz sicher …
May I present: 6 Dinge, von denen mein 15-jähriges Ich dachte, es seien unumstößliche Regeln, absolute Träume und finale Entscheidungen.
1. Fake it till u make it
Yes, mein Ich von vor 10 Jahren war ziemlich bedacht darauf, „gut im Bett zu sein“. Wie ich mir das vorgestellt habe? Fake it till u make it: Eine engagierte, sexy Performance abliefern, „Spaß“ haben an so ziemlich allem, „geil sein“ und natürlich allzeit bereit. Ich bin beeindruckt, was meine Ansprüche an mein Gegenüber angingen (gen null), aber irgendwie dachte ich in meinem Perfektionismus, mit misogynen Vorstellungen in meinem Kopf, dass Frau* das halt so macht und wenn es sich für mich nicht so richtig nice anfühlt, muss das wohl an mir liegen …
2. Schnipp schnapp, Haare (überall) ab
Wahrscheinlich ebenfalls ein Vertreter der Kategorie: Perfektionismus und gesellschaftliche Erwartungen. Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Rasierer (die kleinen bunten Einmalrasierer aus dem Drogeriemarkt, ich hatte ja keinen Plan und die waren wenigstens – nun ja: günstig, klein und bunt). JEDES Haar, das zum Typ Körperbehaarung gezählt werden konnte, ist diesen Kinderspielzeug ähnlichen Einwegprodukten zum Opfer gefallen und ich dachte irgendwie, dass ich für immer ein perfekt glattes, haarfreies Leben führen würde.
3. Happily Ever After
Ja, ich wollte: Mit ihm für immer zusammen sein, das Leben gemeinsam bestreiten und ja, ich habe schon meine zukünftige Unterschrift geübt MIT SEINEM NACHNAMEN – oh boy, sorry dafür. Ich war immer realistisch, was andere anbelangt, Menschen bleiben eben nicht für immer zusammen, aber das mit uns, das war doch offensichtlich anders, oder?
Du und ich, Seelenverwandtschaft und so, braune Augen zum Verlieren und dieses Gefühl, endlich zu Hause angekommen zu sein, wenn deine Arme sich um meine Taille gelegt haben. Surprise, war es nicht.
4. Kaffee schmeckt nicht
Es gab mal eine Zeit, da habe ich die Nase gerümpft, wenn meine Eltern mir ein Glas Rotwein und meine Oma mir einen Kaffee angeboten haben. Schmeckt doch alles nicht und wird mir bestimmt auch niemals schmecken – aber man muss eben irgendwann erwachsen werden.
Und jetzt stehe ich da, hab mich endlich brav an Kaffee, Alkohol und Co. gewöhnt und muss in Lifestyle-Magazinen und bei der Ärztin erfahren, dass ich mir doch bitte genau das wieder abgewöhnen soll, ist nämlich total ungesund. Ey geht’s noch, wissen die, wie lange ich das Zeug runtergewürgt habe, bis es mir endlich geschmeckt hat?!
5. Mit Mitte 20 bin ich richtige erwachsen
Meine größte Illusion von allen war wahrscheinlich die Vorstellung von mir selbst in meinen 20ern, alles im Griff habend und schon so richtig erwachsen: Das Bild einer gefestigten Frau, mit feschen, polierten Lederstiefeln, Verlobungsring, Traumjob und Babybauch. Die Lederstiefel habe ich gedanklich auf meine 30er verschoben und eigentlich auch den Rest, mal schauen, wie ich in 10 Jahren dazu stehe.
6. Liebe braucht Herzschmerz und Drama
Twilight, Gossip Girl und Fifty Shades of Grey haben mich schon früh gelehrt: Diese eine ganz große, epische Liebe, die tut weh. Wer viel Gefühl in die eine Richtung möchte, so etwas wie Leidenschaft und Sehnsucht, muss eben auch Herzschmerz und Leid dafür in Kauf nehmen und mit Gefühlen spielt man halt, wenn man es kann – so läuft das.
Hand aufs Herz: So läuft das im Idealfall nicht. Dramatische, oft toxische Beziehungen finde ich auch abseits des Love-Departments nicht mehr cool und was die Liebe eigentlich braucht, sind meiner Meinung nach Aufrichtigkeit, Kommunikation und Humor.
Potenzielle Irrtümer für die kommenden 10 Jahre
Also, wo sehe ich mich selbst in 10 Jahren, wenn ich mir so überlege, wie akkurat (aka ein bisschen naiv und verblendet) ich die vergangenen 10 Jahre vorhersagen konnte?
Wahrscheinlich irgendwo anders als gedacht, andere Flausen im Kopf, Menschen im Leben und Ziele, auf die ich hinarbeiten werde. Ich rede mir immer noch gerne ein, dass meine Vorstellungen eine gewisse Allgemeingültigkeit hätten und viele Dinge ändern sich bestimmt auch nicht einfach so von heute auf morgen. Aber ein paar Illusionen, Holzwege und Luftschlösser dürfen auch die nächsten 10 Jahre gern mit dabei sein.
Headerfoto: Anna Shvets via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt, Bild gecroppt und gespiegelt.) Danke dafür!
Dem kann ich zu 100 % zustimmen. Toll geschrieben 🙂
Lange nicht mehr so geschmunzelt!