Biologisch, saisonal, regional und vegan einkaufen – zu einem guten Preis! Geht das? Ich habe den Versuch (#armeleuteessen) gewagt, zwei Wochen lang von 6 € am Tag zu leben und bin zum Schluss gekommen: „Es geht! Aber nur mit viel Planung und Zeit.“
Der biologischen und regionalen Ernährung hängt ein Vorurteil an – sie sei zu teuer und nur gut verdienenden Menschen zugänglich. Um diesem Vorurteil auf den Grund zu gehen, hat das BIORAMA-Magazin Anfang des Jahres unter dem Hashtag #armeleuteessen einen Selbstversuch gestartet: Einen Monat lang von der Mindestsicherung essen. Durch Zufall bin ich auf das Projekt aufmerksam geworden und fand den Ansatzwirklich spannend. Und da ich Herausforderungen liebe, habe ich auch diese angenommen.
Mein persönliches Ziel war es nicht, um Biegen und Brechen das Budget einzuhalten, sondern während der Zeit des Experiments mit offenen Augen durch den Alltag zu gehen, Preise und Ausgaben aktiver wahrzunehmen und sie zu minimieren.
Die erste Überraschung musste ich bereits im Bioladen erleben: Obwohl ich immer schon darauf achte, vorwiegend lokale Produkte einzukaufen, habe ich nie so stark wahrgenommen, woher die Produkte wirklich kommen und wie wenige Produkte im Biomarkt aus meiner Heimat Österreich sind. Im Versuchsmonat (März) waren das bei dem frischen Obst und Gemüse sage und schreibe fünf Stück: eine Obstsorte und vier Gemüsesorten. Der Rest ist – wenn auch Bio – durch die halbe Weltgeschichte geflogen. :/
Herausforderung Nummer 2 ereilte mich noch am selben Tag, als ich zu einem Geschäfts-Termin musste, im Kaffeehaus, eh klar. Dass das ein teures Vergnügen ist, wird niemanden überraschen, aber wenn man mit nur einem Tee schon das halbe Tagesbudget verbraucht hat, denkt man doch zweimal über den Preis eines einzelnen Teebeutels daheim und jenem im Lokal nach.
Auch die Tatsache, dass ich jeden Tag in der früh die Wohnung verlasse und zu den unterschiedlichsten Zeiten an den verschiedensten Orten bin, hat mich vor eine Entscheidung gestellt. Nichts Essen oder Essen vorbereiten und mitnehmen? Ich habe mich für zweiteres entschieden, was zwangsläufig meine Abende zu „Koch-Abenden“ umstrukturiert hat. Das wiederum sehe ich sehr positiv, weil ich mir endlich wieder einmal mehr Zeit fürs Kochen genommen habe, was gleichzeitig wie eine Meditation ist.
Während der Zeit des Experiments konnte ich viel über Lebensmittel lernen, habe etliche Verpackungen zweimal umgedreht und vieles hinterfragt. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass eine biologische Ernährung in jedem Fall auch mit relativ wenig Geld gut umsetzbar ist, schwierig wird es jedoch, wenn auch die Anforderungen saisonal, regional und vegan erfüllt werden müssen, und beinahe unmöglich ist es, wenn man auswärts isst.
Hier ein paar Tipps und Tricks sowie ein Resumee für den günstigeren und nachhaltigen Einkauf.
-
Back to Basics!
Viele (unverarbeitete!) Grundnahrungsmittel sind relativ günstig. Wirklich aufs Budget schlagen sich nur die Feinschmecker-Produkte. Mach Haferflocken, Getreidesorten, Hülsenfrüchte und Kartoffeln gemeinsam mit regionalem Gemüse und Obst zur Grundlage deiner Ernährung. Abrunden kannst du diese dann mit Gewürzen & Co. Die Rechnung wird automatisch kleiner sein. Stark verarbeitete Produkte wie Nussmilch, Tofu & Co sollten eher Ausnahme als Norm sein.
-
Markttag!
Jeden Donnerstagmorgen gehe ich zum kleinen Bauernmarkt in meinem Bezirk und kaufe frisches Gemüse und Obst für die ganze Woche. Selten zahle ich mehr als 10 bis 15€ und habe trotzdem eine gute Grundlage für verschiedenste Gerichte – und am wichtigsten: immer frische und saisonale Lebensmittel. Zwar ist nicht alles lokal, aber von weiter als Italien wird kaum etwas hergeholt.
Extra Tipp: Werde Stammkunde. Wenn du am Markt einmal deinen Lieblingsbauern/-händler gefunden hast, wird er sich freuen, dich immer wieder zu sehen und dir mit der Zeit auch gute Preise machen, oder dir dein Lieblingsgemüse zur Seite legen.
-
Abgelaufen? Trotzdem kaufen!
Viele Supermärkte verkaufen abgelaufenen Waren zum reduzierten Preis. Yoghurt & Co können ohne Bedenken einige Tage nach dem „Ablaufdatum“ genossen werden, dies sind ja nur Richtlinien. Seit einigen Monaten verzichte ich auf verarbeitete Produkte wie Tofu und Sojajoghurt – außer sie sind reduziert. Das hat den einfachen Grund, dass sie mir normal zu teuer sind, ich sie nicht wirklich brauche, und sie sonst weggeworfen werden, denn immer wieder beobachte ich im Shop, dass die teuren Produkte ohne Rabattmarken eher genommen werden, als die reduzierte Ware – warum auch immer.
-
Wunderbare „Wunderlinge“!
Eine Revolution der Wunderlinge ist im Gang. Immer mehr Supermärkte bieten Gemüse und Obst-Sorten an, die nicht den Norm-Richtlinien entsprechen und daher normalerweise weggeworfen werden. Diese sogenannten „Wunderlinge“ sind um einiges günstiger als ihre glattpolierten Brüder und Schwestern und helfen auch der Lebensmittel-Verschwendung entgegenzuwirken.
-
Sharing is caring!
Es gibt viele Möglichkeiten, durch den gemeinsamen Genuss Geld und Müll zu sparen. Schließe dich mit den Nachbarn zusammen und bestellt Großpackungen – diese sind fast immer günstiger und brauchen weniger Verpackung. Sogenannte Food-Coops ermöglichen frische Produkte von Bauern außerhalb der Stadt zu beziehen. Übriggebliebene Lebensmittel können in FoodSharing-Kühlschränken abgegeben/abgeholt werden.
-
Make a
wishplan!
Einen ungefähren Plan der Woche zu haben, hilft dir gleich doppelt und dreifach. Beim Einkaufen wirst du fokussierter sein und weniger Spontan-Käufe machen. Du wirst beim Kochen Zeit sparen, weil du nicht jeden Tag neu kreativ werden musst, und du wirst kontrollierter und bewusster essen, was wiederum dem Körper gut tut!
-
Verwerte!
Oftmals werden angebrochene Produkte oder Reste von der Letzten Mahlzeit einfach weggeworfen. Auch übriggebliebenes Obst und Gemüse landet öfter im Eimer als nötig. Überlege vor dem nächsten Einkauf lieber noch mal, was du zu Hause hast und wie du eine Mahlzeit daraus machen könntest. Kaufe lieber seltener ein und dafür nur die fehlenden Produkte, um Reste zu verwerten.
-
Regional/saisonal
Regional und saisonal zu kaufen ist eigentlich immer günstiger, als sich für von weit herkommende Lebensmittel zu entscheiden. Die Produkte sind außerdem frischer, und unterstützen die regionale Landwirtschaft. Aber nicht nur frisches Gemüse und Obst werden lokal produziert, sondern auch viele „Fertigprodukte“ aus heimischen Grundnahrungsmitteln.
Extra Tipp: Kaufe regionale Eigenmarken. Viele Geschäfte haben Eigenmarken, die deutlich günstiger sind, als vergleichbare ausländische Produkte.
-
Selber kochen!
Wenn du nicht gerade fünf verschiedene Superfoods in einen Mixer haust – aber das wäre eh nicht sonderlich regional – ist selbst zu kochen eigentlich immer günstiger als auswärts Essen zu gehen. Auch bekommt man automatisch einen besseren Bezug zu den Lebensmitteln und weiß genau, was drin ist. Kochen muss nicht aufwändig sein. Viele Gerichte lassen sich in 10 bis 15 Minuten zubereiten und sind auch gut am nächsten Tag im Büro. Vielleicht sollte ich da mal eine Rezeptreihe machen?
Der Selbstversuch hat mir ein weiteres Mal die Augen geöffnet, wie es um die Lebensmittelindustrie wirklich steht, aber auch was die Normen in unserer Gesellschaft betrifft. Die nachhaltigste Entscheidung wäre es zwar, ausschließlich regionale Produkte beziehen, dem modernen Großstadtmenschen ist das aber nur mit einigem Aufwand möglich. Das Budget einzuhalten zieht den Verzicht auf vielerlei soziale Aktivitäten mit sich.
Ich gehe mit neuen Erfahrungen aus dem Experiment und werde künftig noch mehr auf die Herkunft meiner Lebensmittel achten, versuchen so viel wie irgend möglich selbst zu kochen und herzustellen. Trotzdem möchte ich mir selbst zugestehen, auch mal Ausnahmen machen zu dürfen.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Tipps für den günstigeren, nachhaltigen Konsum mitgeben und bin gespannt, deine Meinung zu dem Thema zu hören. Was kommt auf deine Gabeln und Löffel?
Porträts: Ana Sampaio Barros. Danke dafür!