Wie Schönheits-Eingriffe zur Massenware deklariert werden: Schönheit zum Kaufen

Kim Kardashian und Co. machen es vor: Mittels minimalinvasiver und/oder größerer Schönheits-Eingriffe muss kein:r von uns mehr so aussehen, wie er:sie aussieht. Aber ist das wirklich erstrebenswert? Und wie sind wir dahin gekommen?

Ich gebs zu, ich hadere ein wenig mit dem Älterwerden. Seitdem ich die 30 erreicht habe, denke ich öfter darüber nach, wie schön es doch wäre, jetzt noch einmal schönheitstechnisch alles aus mir rauszuholen. Bevor es endgültig zu spät ist. Und ich denke oft daran, wie ich meinen Körper früher dafür gehasst habe, dass er keine Modelmaße hatte, ich nie groß genug war oder schlank genug. Was total übertrieben war, weil ich die meiste Zeit in meinem Leben Kleidergröße 36 getragen habe. Weil ich alles in allem immer der “Norm” entsprochen habe und damit deutlich weniger Kämpfe zu kämpfen hatte als andere Menschen. 

Ich ärgere mich, dass ich mich mit 24, 25, 26 nicht einfach in meinem Körper habe wohlfühlen können. 

Jetzt denke ich mir: Ich bin nicht mehr so jung, vielleicht auch nicht mehr ganz so schlank oder “flawless”, wie ich es damals eben doch war. Und ich ärgere mich, dass ich mich mit 24, 25, 26 nicht einfach in meinem Körper habe wohlfühlen können. 

Von einer Jugend vor Social Media

Aber es gibt noch einen weiteren Gedanken, der mich momentan immer wieder heimsucht, und weshalb ich dann doch froh bin, vor einer bestimmten Zeit auf die Welt gekommen zu sein: Ich bin dankbar, in einer Zeit vor Social Media meine Jugend verbracht haben zu dürfen. 

Ich durfte mit 14,15,16 und 17 in Ruhe so aussehen, wie ich nun einmal aussah. Und das ohne mich an jeder Ecke vergleichen zu müssen. 

Mit 14,15,16 und 17  durfte ich nämlich in Ruhe so aussehen, wie ich nun einmal aussah. Und das, ohne mich an jeder Ecke vergleichen zu müssen. 

Es gab damals kein Instagram, keine Influencer:innen und die einzigen Menschen, die wirklich äußerlich auf mich Eindruck gemacht haben, sah ich mit 14 in der Popcorn, der Bravo und später in Modemagazinen. Ansonsten waren alle um mich herum irgendwie so wie ich: Durchschnitt eben. Alle hatten so ihren eigenen Look – sofern es Klamotten von H&M und C&A eben zuließen –, aber alle hatten auch ihre eigenen Baustellen. 

Wir waren im besten Sinne alle „normal“, indem wir eben alle damit leben mussten, was uns die Natur zur Verfügung gestellt hatte. Die wenigstens von uns sind auf die Idee gekommen, sich mit Models oder Teenstars zu vergleichen, die waren ja nicht echt, ganz weit weg, in einer anderen Welt. Ja, wir haben sie angehimmelt, aber uns war klar, dass es zwischen uns eine trennende Barriere gab. 

Sind denn jetzt alle gleich?

Doch jetzt, durch Social Media und Influencer:innen und deren perfekte Instagram-Tik-Tok-irgendwas-Welt, verändert sich auch die echte Welt der Menschen. Einerseits zum Guten, denn Selbstverwirklichung war vielleicht noch nie so einfach, wie sie es heute ist. Allerdings auch zum Schlechten, denn der Druck wird höher, weil wir uns permanent teilweise mit hunderten Menschen am Tag vergleichen (können). Social Media made that happen.

Selbstverwirklichung war vielleicht noch nie so einfach, wie es heute ist.

And it shows: Wenn ich auf der Straße sehe, wie die Mädchen mit 15,16,17 heute aussehen, dann sehe ich oft das: Kardashian-Klons. Haare, Makeup, Augenbrauenform, Klamotten – viele sehen so aus, als würden sie nur noch schnell nen Vegan-Latte trinken gehen, bevor sie heute Abend auf dem Film-Festival von Cannes auf dem roten Teppich posieren müssen. 

In meinem Insta-Feed sehe ich währenddessen Frauen, zehn Jahre jünger als ich, die ein Modebewusstsein an den Tag legen, das ich vermutlich nie haben werde. Ich sehe junge Mädchen im Teenie-Alter, die erwachsener aussehen als ich. Und denke mir die ganze Zeit, ob ich mir nicht mehr Mühe geben sollte, noch mehr Zeit in mein Make-Up investieren sollte oder Kaufentscheidungen im modischen Sinne wesentlich bewusster treffen sollte, als ich es tue. Oder ob ich eben doch noch was an mir machen lasse…

Schönheits-Eingriffe TO GO

Es war noch nie im Leben so leicht, mithilfe von minimalinvasiven oder auch größeren Schönheits-Eingriffen perfekt auszusehen: Lippen aufspritzen lassen für einen vollen sexy Schmollmund,  Microblading für die perfekten vollen Audrey Hepburn-Brauen. Ein bisschen Hyaluron und Botox spritzen lassen. Sich die Haare an Beinen, Armen und im Intimbereich weglasern zu lassen war früher eine Angelegenheit für den:die Dermatolog:in, jetzt kann man das praktisch in jedem noch so günstigen Beautysalon machen lassen – für einen Taschengeldbetrag im Vergleich zu früher. 

Je älter ich werde, desto mehr Schönheits-Eingriffe werden mir in Werbe-Reels, Stories und Feed vorgeschlagen. Weil man Altern nicht verhindern kann, aber man muss ja nicht alt aussehen. 

Auf Social Media wird auch immer mehr dafür geworben, natürlicher zu sein, nicht alles zu glauben, was die perfekte Insta-Welt einem zeigt. Auf der anderen Seite gibt es – zumindest in meinem Feed und dem von Freund:innen im gleichen oder höheren Alter – eine diametral entgegengesetzte Bewegung. Je älter ich werde, desto mehr Schönheits-Eingriffe werden mir in Werbe-Reels, Stories und Feed vorgeschlagen. Weil man Altern nicht verhindern kann – aber man muss ja nicht alt aussehen. Mensch kann gegen das Altern ja alles mögliche an sich machen lassen…

Jetzt bin ich auf keinen Fall jemand, der was gegen Schönheits-Eingriffe hat – im Gegenteil. Meine Beine habe ich vor etwa sieben Jahren einer Fettabsaugung unterzogen, weil ich sie – ganz subjektiv – nicht schön und „zu viel“ fand. Ich bin der Meinung, dass, wenn es etwas an dir gibt, was dich unglücklich macht, du das Recht hast, es zu ändern. Sei es durch Sport, eine andere Ernährung und eben auch plastische Chirurgie und Schönheits-Eingriffe. 

Aber wann wurden Schönheits-Eingriffe zur Massenware deklariert? Seit wann geht es darum, aus sich selbst eine Person zu machen, die man eigentlich ohne Spritzchen, Permanent Make-Up, Brazilian Buttlifts und Nasenkorrektur gar nicht wäre? Geht es hier noch um Zufriedenheit mit dem eigenen Körper oder geht es darum, einem Bild aus den Medien zu entsprechen, das niemals real sein kann? Macht es uns glücklich, wenn wir aussehen wie ein Insta-Filter?

Eigentlich bin ich ganz anders…ich komm nur viel zu selten dazu

Die Kardashians machen es vor: Keine von ihnen sieht jetzt noch so aus wie sie es früher taten.

Die Kardashians machen es vor: Keine von ihnen sieht jetzt noch so aus wie sie es früher taten. Und das ist genau die Message, die sie meiner Meinung nach auch rüberbringen: “Du musst nicht so aussehen, wie du aussiehst – wenn du den:die perfekte:n Schönheitschirurg:in kennst.” Dass manche Schönheits-Eingriffe ein erhebliches Gesundheitsrisiko bedeuten? Egal, alles für den perfekten Look. Dass es mittlerweile so erschwinglich und so salonfähig ist, sich selbst Eingriffen zu unterziehen, hat seine Vorteile, klar. Aber die Art und Weise, wie es von solchen Leuten rübergebracht wird, ist für mich fragwürdig. Dass es sogar bei jungen Mädchen, die teilweise noch gar nicht ausgewachsen sind, das Gefühl auslöst, überhaupt nicht mit dem leben zu müssen, wie sie aussehen. Denn es gibt ja Wege, sein Aussehen mit verschiedenen größeren oder kleineren Schönheits-Eingriffen so zu ändern, dass man eine komplett andere Person sein kann. 

Natürlich gab es extreme Typveränderungen schon immer: Ich müsste nicht brünett sein, wenn ich nicht wollte. Ich könnte am ganzen Körper tätowiert sein und mir an allen erdenklichen und nicht erdenklichen Stellen Piercings stechen lassen oder mir Fettgewebe von meinem Po in mein Gesicht spritzen lassen, um “frischer” auszusehen. 

Aber mir persönlich wäre das vermutlich zu anstrengend, mich einmal umzukrempeln und jeden Tag alles dafür zu tun, dass ich nicht so aussehe, wie ich nunmal eigentlich aussehe. 

Aber mir persönlich wäre das vermutlich zu anstrengend, mich einmal umzukrempeln und jeden Tag alles dafür zu tun, dass ich nicht so aussehe, wie ich nun einmal eigentlich aussehe. 

Denn ja, natürlich will ich – trotz oder vielleicht gerade wegen meines feministischen Anspruchs – gerne gut aussehen. Nicht für jemand anderen, sondern für mich selbst. Ich mag es, mich schön zu machen. Aber so groß die Verlockung auch ist, will ich trotzdem ich bleiben. Und eines gibt es, das mir keiner nehmen kann: Die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. 

Als ich jung war, hatte ich die nicht. Da musste es immer noch besser gehen. Aber jetzt denke ich mir beim Blick in den Spiegel auch oft: Achja, so isses halt, so sehe ich aus. Und mit diesem Gedanken seinen Frieden zu machen, ist dann vielleicht doch noch ein bisschen geiler, als sich immer weiter an etlichen Körperstellen zu perfektionieren. Aber das ist nur meine Meinung. Und deine darf natürlich eine andere sein.

Headerfoto: Joeyy Lee (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt. ) Danke dafür!

LINDA hat an Heiligabend Geburtstag, kommt aus dem Rheinland, ist aber im Herzen Hamburgerin. Sie hat Literatur in Bonn und Hamburg studiert und mit einer Arbeit über die Liebe abgeschlossen. Für die Liebe ist sie auch nach Berlin gezogen. Bei im gegenteil liest sie deswegen auch Liebesbriefe und sorgt dafür, dass diese hübsch gemacht sind für dieses Internetz.

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