Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung – Was du für die Inklusion tun kannst

Vor dem Gesetz ist jeder Mensch gleich. Das ist einer der wichtigsten Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland, der als solcher aber nicht ausreicht, wenn die Realität immer wieder das Gegenteil beweist.

Am 5. Mai ist Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, um auf dieses Ungleichgewicht innerhalb unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen, zu sensibilisieren und Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden.

Der damalige „Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ wurde 1992 von den Interessenvertretungen für Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) ins Leben gerufen und findet seither jedes Jahr statt. Das Ziel: Gleichberechtigte Teilhabe aller, Selbstbestimmung und Würde.

Warum brauchen wir so einen Tag?

Natürlich ist der 5. Mai „nur“ ein Symboltag, d.h. er dient dazu, Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das in unserer Gesellschaft noch nicht genug Beachtung findet. Es ist sehr wichtig, dass die Beachtung ab dem 6. Mai aber nicht wieder aufhört, dass wir langfristige und nachhaltige Möglichkeiten finden, unsere Gesellschaft gleichberechtigt und barrierefrei zu gestalten.

Wir erleben immer wieder Fälle, in denen Menschen mit Behinderung Gewalt, Missbrauch, Beleidigungen und Diskriminierung ausgesetzt sind. Diese werden in den Medien häufig als „Einzelfälle“ bezeichnet, was sie aber nicht sind.

Wir erleben immer wieder Fälle, in denen Menschen mit Behinderung Gewalt, Missbrauch, Beleidigungen und Diskriminierung ausgesetzt sind.

Zuletzt in Potsdam, wo vier Menschen mit Behinderung in einer Einrichtung getötet wurden. In den Medien fallen Wörter wie „Erlösung“ und „Überforderung“ – krasse Verharmlosungen. Interviewt werden zu dem Thema die Pfleger:innen, Politiker:innen und die Polizei, aber Statements von Menschen mit Behinderung sind kaum präsent. Der Ableismus lebt.

Deine Stimme für Inklusion

Ableismus, also die Ungleichbehandlung und Diskriminierung eines Menschen aufgrund seiner Behinderung, ist für viele ein täglicher Kampf. Darum ist es super wichtig, dass sich nicht nur einzelne Personengruppen für Gleichstellung einsetzten, sondern möglichst alle Menschen. 

Ableismus ist die Ungleichbehandlung und Diskriminierung eines Menschen aufgrund seiner Behinderung.

Wichtig dabei ist außerdem Abledsplainig in jedem Fall zu vermeiden! Abledsplaining (äquivalent zu beispielsweise auch Mansplaining) beschreibt eine bevormundende Erklärung für einen Aspekt der Behinderung von jemandem, der selbst aber nicht die gelebte Erfahrung hat, behindert zu sein. Also beispielsweise wenn ein Mensch ohne Behinderung über einen anwesenden Menschen mit Behinderung spricht, diesen aber nicht mit ins Gespräch einbezieht. Dadurch wird jener betroffenen Person die eigene Stimme genommen und sie wird unsichtbar gemacht.

Abledsplaining beschreibt eine bevormundende Erklärung für einen Aspekt der Behinderung von jemandem, der selbst aber nicht die gelebte Erfahrung hat, behindert zu sein. 

Jedes Jahr wird ein anderes Motto für den 5. Mai gewählt, das auf einen besonders relevanten Aspekt oder ein zu wenig beachtetes Problem hinweist. Der Protesttag 2021 steht unter dem Motto: „Deine Stimme für Inklusion – mach mit!

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch unabhängig von Aussehen, Behinderung, Sprache oder Herkunft natürlich mit dazu gehört und ein gleichwertiger Teil unseres Miteinanders ist.

In Abgrenzung dazu steht die Integration, bei der einzelne Gruppen nur in sich geschlossen einen Platz in der Gesellschaft zugeteilt bekommen. Leider sprechen wir zwar oft von Inklusion, haben es strukturell aber meist mit integrativen Mechanismen zu tun.

Leider sprechen wir zwar oft von Inklusion, haben es strukturell aber meist mit integrativen Mechanismen zu tun. Diese systematische Aussortierung muss aufhören.

Das fängt im Kindergarten an, wenn Kinder mit Behinderung in extra dafür vorgesehene Einrichtungen geschickt werden, mit dem Argument, so deren Bedürfnissen besser gerecht zu werden. Danach landen sie in der Regel in Förderschulen, später häufig in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, wo sie weiterhin von der Gesellschaft abgeschirmt und extrem schlecht bezahlt werden. Diese systematische Aussortierung muss aufhören.

Dadurch werden weniger Menschen mit Behinderung geschützt, sondern vielmehr die Mehrheitsgesellschaft und zwar davor, sich nicht weiter mit dem Thema Behinderung auseinander setzten zu müssen.

Vor allem, weil dadurch weniger die Menschen mit Behinderung geschützt werden, sondern vielmehr die Mehrheitsgesellschaft und zwar davor, sich nicht weiter mit dem Thema Behinderung auseinander setzten zu müssen.

Inklusion braucht Aktion

Raul Krauthausen beschreibt sich als „Inkluencer“, ist Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und versucht für mehr Bewusstsein zu sorgen: „Ich möchte so gerne laufen, wie du fliegen können möchtest. Aber nur weil du nicht fliegen kannst, gehst du auch nicht jeden Abend weinend ins Bett.“ Krauthausen betont, dass Menschen mit Behinderung keinen Trost brauchen. Was sie dringend benötigen, ist Offenheit, Empathie und eine barrierefreie Welt, an der sie teilhaben können.

Ich möchte so gerne laufen, wie du fliegen können möchtest. Aber nur weil du nicht fliegen kannst, gehst du auch nicht jeden Abend weinend ins Bett.

Es gibt etliche Möglichkeiten, sich für eine gleichberechtigte Teilhabe zu engagieren. Ein erster wichtiger Schritt ist eigene, vielleicht bevormundende Vorurteile zu hinterfragen und abzulegen. Außerdem gibt es viele tolle Initiativen und Einrichtungen wie Selbsthilfe- und Interessensvereine, Inklusionsbüros, Politische Vereinigungen (wie Brand New Bundestag), Arbeitskreise und einzelne Aktivist:innen, die sich für Barrierefreiheit stark machen und sich über Unterstützung freuen. Wenn ihr euch sprachlich unsicher sein solltet und euch gerne intensiver mit Formulierungsperspektiven und Perspektivwechseln auseinander setzten möchtet, können wir euch Leidmedien empfehlen. Dahinter steckt ein diverses Team aus Medienschaffenden die auch Redaktionen beraten.

Auf der Plattform change.org finden sich regelmäßig Petitionen, schaut da mal rein! Im Moment läuft dort beispielsweise eine Petition von Raul Krauthausen und Constantin Grosch von #BarrierenBrechen, die ein Ende der Diskriminierung und Barrierefreiheit fordern.

Wie viele Menschen mit Behinderung habt ihr in eurem Umfeld? Leider haben viele Menschen keinen oder kaum Kontakt zu Personen mit Behinderung, obwohl fast 10 Prozent der Deutschen mit einer Schwerbehinderung leben.

Leider haben viele Menschen keinen oder kaum Kontakt zu Personen mit Behinderung, obwohl fast 10 Prozent der Deutschen mit einer Schwerbehinderung leben.

Umso wichtiger ist es, die eigene Bubble mal zu verlassen und sich mit dem Thema grundsätzlich auseinanderzusetzen. Als Einstieg möchten wir deswegen ein paar tolle Menschen erwähnen, die über Social Media wichtige Aufklärungsarbeit leisten und Vielfalt verkörpern: Laura Gehlhaar, Luisa L’Audace, Raul Krauthausen, Annalisa Weyel, Tabea und Marian von notjustdown, Anastasia Umrik, Latifa von penguinonwheels oder Ninia LaGrande. Es gibt noch unzählige andere tolle Accounts und Menschen im Netz – folgt ihnen einfach allen.

Bleibt dran, bleibt offen und lasst uns als Gesellschaft lernen, Vielfalt zu leben!

Headerfoto: Zachary Kyra-Derksen via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

Nika liebt das Meer und frischen Wind in ihren Segeln. Besonders angetan haben es ihr außerdem Schweden und das Schreiben über aktuelle Themen, irrwitzige Gedanken und aufrichtige Gefühle, vor allem natürlich für die Redaktion von im gegenteil. An einem perfekten Geburtstag gibt es bei ihr Nudelsuppe von ihrem Opa und Vanillepudding von ihrer Oma.

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