Die Macht der Worte – Wie Tinder vorgaukelt, unsere Sehnsüchte erfüllen zu können

Tinder ist schon lange die Plattform der einsamen Seelen. Jeder sucht doch nur ein bisschen Nähe, ein bisschen Mitgefühl, ein bisschen Empathie eines anderen Menschen. Wir fühlen uns allein im Strudel des Alltags. Tinder soll’s retten. 

So viele Geschichten, die sich dort entwickeln, jeder kann eine erzählen und doch werden viele gar nicht erst zur Wirklichkeit. Alles ist zusammengefasst in einem großen Spinnennetz voller Lügen, voller Verzweiflung und voller Sehnsüchte nach einem Partner aus den ganzen Schauspielern, der am Ende beweist: Die Liebe auf Tinder gibt es doch.

Tinder ist schon lange die Plattform der einsamen Seelen. Wir fühlen uns allein im Strudel des Alltags. Tinder soll’s retten.

Die Suche ist etwas Lästiges geworden, wollen wir doch alle nicht stehen bleiben, lieber rasen mit der Zeit, den Halt und Boden verlieren. Doch das Einzige, was wir wirklich verlieren, sind wir selber. Wir vergessen, wer wir sind und verstricken uns in eine emotionale Abhängigkeit, ja fast schon eine Sucht gegenüber dieser Internetplattform.

Auch ich selber habe mich verloren in eine Emotion, die nur durch Wörter geprägt war. Meine Angst, ich könnte niemandem genügen, war größer als die Liebe zu mir selber.

Virtuelle Worte – ehrliche Gefühle

Doch da war SIE. Ein Mensch, den ich so noch nie kennengelernt hatte. Sie wickelte mich mit ihrer verspielten, chaotischen Art in einen bunten Strudel aus Worten ein, sie zog mich in ihren Bann und ich konnte an keiner Haltestelle aussteigen. Sie war anders, aber sie war genauso einsam und auf der Suche nach etwas Irrealem, was am Ende dann doch real werden sollte.

Mir war bewusst, dass es von Grund auf dazu verurteilt war zu scheitern, da ich mich selber schon viel früher (vor ihr) in den sozialen Medien der Welt verloren habe, ein Sog aus Perfektionismus. Überall wird so viel Wert darauf gelegt, perfekt zu sein, was wir Menschen nun mal nicht sind.

So schön diese Geschichte auch hätte werden können zwischen uns, wurde sie dennoch von mir zerschlagen. Sie war über Wochen hinweg mein täglicher, virtueller Begleiter durch den Alltag, wir teilten uns alles mit, wir zauberten einander ein Lächeln ins Gesicht. Ein Lächeln, das ich sehnlichst vermisst hatte. Sie gab mir Hoffnung und ich gab ihr ein besseres Gefühl. Doch waren es alles nur geschriebene Worte.

Worte können durch das Internet unsere Herzen anrühren, doch die Anonymität ist viel zu groß, gerade deshalb lassen sich so leicht Wolkenschlösser gemeinsam erträumen.

Diese Worte übereinander waren so ehrlich. Denke ich daran  zurück, durchfährt mich noch immer ein Schauer der Gefühle, entstanden nur durch geschriebene Nachrichten.

Ja, es geht. Worte können durch das Internet unsere Herzen anrühren, doch sind sie immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Die Anonymität ist viel zu groß, gerade deshalb lassen sich so leicht Wolkenschlösser gemeinsam erträumen. Die von einen auf den anderen Tag zerplatzen können, da wir es als etwas Unverbindliches mit uns tragen. Dennoch geben uns eben auch diese Worte eine gewisse Stabilität, sie halten uns warm in unserer eigenen Seifenblase.

Am Ende dieser Geschichte bleibt die unbefriedigte und unendliche Traurigkeit zurück, der Schrei nach der Wahrheit. Wir kennen uns nicht, wie auch, es waren nur unsere Worte, die miteinander agierten, als würden wir uns über Ewigkeiten kennen.

Irgendwann platzt das erträumte Luftschloss, denn die Realität sieht anders aus

Ich muss zugeben, ich habe mich verliebt in unsere Tagträume – und auch ein wenig in Dich. Du gehst nun in Dein normales Leben zurück, wirst versuchen, die Enttäuschung aus Deinem Kopf zu verbannen, komme was wolle. Genau so schätze ich Dich ein. Du bist ein Freigeist, Du kannst Menschen mitreißen und hast mir so viel vermittelt.

Viel zu groß ist Dein Frust über diese unehrliche, aber doch emotionale Abhängigkeit zu mir. Man, was haben wir uns in diesen Nächten den Schlaf geraubt, bis das böse Erwachen eintraf, genauer genommen traf es Dich wie ein Schlag. Der Typ, den Du kennenlernen wolltest, baute all die Unterhaltungen nur auf Lügen auf, es waren alles nur Luftschlösser.

Nun sitzt genau dieser Kerl hier und verarbeitet dieses Gefühlschaos für Dich. Denn Du warst sein Fels im Alltag, wäre er nicht dran erstickt, wärst Du es wohl immer noch mit einem Eimer mehr Ehrlichkeit und Respekt.

Ari möchte anonym bleiben, da er lieber im dunklen agiert. Dennoch ist er ein lebensfroher Mensch, der sich gerne mit Freunden umgibt und ungern alleine ist.

Headerfoto: Andrii Podilnyk via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Egal wie oft man schreibt, oft bleibt die Antwort aus oder der Kontakt wird unvermittelt abgebrochen. Mit den wenigen Frauen mit denen ich bei Tinder tatsächlich zu tun hatte, war man der ersatzweise beste Freund und Hobbytherapeut. Mir sind daraus sogar einige Freundschaften geblieben, weil ich niemanden hängen lassen wollte.

    Aber all diese Probleme sind ernüchternd. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Menschen die einen Partner suchen diesen entweder nur als Spielzeug benutzen weil man hübsch aussieht, oder als Therapeut für seinene Seelischen Verwundungen.
    Wie es einem selbst dabei geht spielt eine geringe Rolle, oft mangelt es dabei auch an Empathie oder auch die Kraft Hilfe aufzubringen. Es ist schade, dass man für Freunde oder Partner nicht mehr als ganzer Mensch eine Rolle spielt, sondern nur siguläre Funktionen erfüllt.

    Was erwartet man da selbst? Mitgefühl, das stimmt. Aber wer sich einlässt zu fühlen, der nimmt Schmerz in kauf. Das wollen viele auch nicht.
    Deshalb lügt man teilweise, keiner will die leise Chance an Mitgefühl oder Empathie verlieren, die sich da bietet. Wer Mut hat ignoriert das, aber wer sich so gibt wie er ist, wird nicht glücklich.
    Ich versuche ja den zu geben der ich sein möchte. Das kostet Kraft, ist aber keine Lüge, aber oft fühlt man sich dem so fern, weil andere einem das nicht glauben.

    Das große Problem, Vorurteile, Angst und Feigheit. Die zu Lügen Unglaube und dergleichen führen.
    Was erwartet man dann? Vertrauen, Mitgefühl und Mut, eine Chance ohne Urteile. Aber das ist schwer, je öfter man verletzt wird, je stumpfer die eigene Empfindung wird.

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