Drei Kilo zu früh, 1000 Tonnen zu gefühllos

Da war sie. Die Zahl auf der Waage. Sie ist gemein, frech und absolut ehrlich. Da steht sie, jeden Morgen und lächelt mir ins Gesicht. Sie zeigt mir auf, dass mein Leben derzeit nicht in den Bahnen verläuft, wie ich es gerne hätte. Denn mein Körper hält alles fest, was er kriegen kann, hat unbegründete Hungerattacken und sportlich wäre da auch noch einiges rauszuholen.

Ich werde traurig, wenn ich diese Zahl sehe und konnte mich bis vor kurzer Zeit nicht motivieren, dies zu ändern. Doch dann deine Nachricht. Ja, zu etwas war sie gut. Du bist in der Nähe und würdest gern vorbeikommen. Nach den verfickten Monaten bin ich nur ein kurzer Pitstop? Eine kleine Durchsicht, um danach weiterzureisen? Und nicht mal ohne Umweg, ohne weitere Emotionen?

Wow, dachte ich mir. Das Date kommt ersten drei Kilo zu früh und zweitens 1000 Tonnen zu gefühllos. Ich beschloss, auf das Angebot nicht einzugehen, die Arbeit vorzuschieben – wie man es immer tut. Ja, als Assistenz hat man ja auch unglaublich viele abendliche Termine, Meetings. Das kann schon einmal dauern und ist dann natürlich genau der richtige Grund für eine Absage.

Doch so sehr wie ich zehn Stunden über meine Antwort an dich nachdachte, ernüchterte mich dann auch deine Antwort: „Alles gut.“ Mehr nicht. That‘s it. Wahrscheinlich, weil du schon ein anderes Mädchen in der Nacht besuchst. Eins, das nicht gerade drei Kilo vorschiebt. Eins, das versteht, wenn man seine Gefühle abschotten kann.

Die Fettschicht um mein Herz hat mich vor weiterem bewahrt.

Denn ich kann es nicht. Und vielleicht sind die drei Kilo gar nicht so sehr das Schwere auf meinen Hüften. Vielleicht sind sie auch genau richtig momentan, weil sie mich vor dir beschützen. Wie lustig, denke ich. Die Fettschicht um mein Herz hat mich vor weiterem bewahrt.

Und seitdem ich so darüber nachgedacht habe, verschwindet auch mein Hunger. Denn irgendwie ich es sehr ernüchternd, sehr erleuchtend. Du bist in mein Leben gekommen ohne Vorwarnung und gehst jetzt mit einem für mich großen Abschied.

Auf ins Fitnessstudio – die Fettschicht um mein Herz wird jetzt abtrainiert. Kilo um Kilo, Erkenntnis um Erkenntnis.

Antonia Field. Mit kurz vor 30 ändert sich bei ihr gerade alles. Neue Wohnung, wahrscheinlich sogar WG. Sie liest, schreibt, reist, weint, lacht, rennt, arbeitet. Und nebenbei ist sie auf der Suche nach sich selbst. Es fühlt sich an wie die Suche im Heuhaufen. Doch diese definiert sich in Form von Bars, Männer, Seminaren und Vorträgen. Langen Nächten und verschlafenen Tagen. Dieser Text erschien zuerst hier.

Headerfoto: Frau mit rotem Pulli via Shutterstock.com! („Gedankenspiel„-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

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