Ja, da trifft man mal einen Mann, der (scheinbar) alles hat: große Hände, guten Musikgeschmack, die gleiche Arbeitswut wie man selbst, Reiselust und dabei Humor und den sexy Wikinger-Look. Dann verbringt man ewig lange Wochen damit, ihn anzuschmachten, bevor man sich, nach fraulicher Initiative, endlich trifft, einen super Abend verbringt, erster Kuss im Schnee, Tage später im Bett, und dort auch ziemlich viel die nächsten Wochen. Wochen, die wie im Flug vergehen im Vergleich zu dem, was folgte: Wochen, in denen kurz und knapp auf meine Nachrichten geantwortet werden.
Und dann eine kurze Nachricht mit einer stumpfen Ausrede und dem O-Ton „Ich hab’s mir überlegt und wir sollten einfach nur Freunde bleiben. Ich hoffe, das ist okay für dich.“
Wieso Freunde bleiben, wenn man das vorher gar nicht war?
Nein! Das ist nicht okay für mich. Was glaubt er eigentlich? Freunde bleiben ist Bullshit. Da glaub ich nicht dran. Wir waren schließlich vorher auch keine Freunde. Ich bin mit niemandem befreundet, für den ich jemals auch nur einen einzigen Schmetterling im Bauch hatte.
Wieso hat er das nicht schon gesagt, als ich ihn gefragt habe, im Bett morgens früh um sieben! Stattdessen habe ich erst eine Gegenfrage bekommen, dann Sex zum Frühstück, weitere Kuscheleinheiten und an der Wohnungstür einen dicken Kuss, bevor er (verspätet) aufs Fahrrad zur Arbeit gesprungen ist.
Na ja, enttäuscht zu sein ist nie schön. Eines dieser Gefühle, die man echt nicht braucht im Leben.
Unterm Strich stand er halt einfach nicht genug auf mich. Das tut zwar erstmal weh, ist aber okay. Mein Herz hat schon wesentlich Schlimmeres überstanden. Das lästige, saure Gefühl, das viel länger weilt als die Enttäuschung, kommt eben durch die Art und Weise, wie er die Tatsache kommuniziert hat.
Er hätte es einfach sagen sollen. Ohne den Eiertanz drumherum. Einfach die Wahrheit.
Er hätte es einfach sagen sollen. Ohne den Eiertanz drumherum. Einfach die Wahrheit wie: „Nimm’s mir nicht übel, ich habe gerne Zeit mit dir verbracht und find dich toll, aber ich sehe nicht, dass in Zukunft mehr draus wird.“ Das hätte sich in dem Moment nicht besser angefühlt, aber aufrichtiger. So wie Freunde eben kommunizieren. Auf Augenhöhe. Nicht mit einer hingeklatschten Nachricht im Chat.
Er hat mich in einer der stressigsten Phasen meines Lebens erwischt, in einer Zeit, in der ich nur auf meine Arbeit fokussiert war, ansonsten komplett neben mir stand und größtenteils völlig am Ende meiner Kräfte und Nerven war. Der schlimmste Zeitpunkt, um einen interessanten Mann mit Verständnis und Haaren auf der Brust zu treffen.
Und statt einem warmen Körper im Bett neben mir hätte meine Seele auch genauso gut Zeit mit Freunden gebrauchen können. Verwirrend, dass ich da total selbstverständlich zwischen ihm und meinen Freunden differenziere, wo er doch meinte, wir sollten Freunde bleiben … und somit ja auch schon vorher hätten sein müssen?
Freunde bleiben, um noch mal Sex haben zu können?
Vielleicht ist es auch so, wie Nick von New Girl es schon in Staffel 3 prophezeit hat und Männer schlagen vor, Freunde zu bleiben, um im Nachhinein noch einmal eine Chance zum Knallen zu bekommen. Ich bin jetzt natürlich etwas voreingenommen, glaube allerdings nicht, dass er da tatsächlich langfristig auf mich angewiesen wäre.
Wie auch immer. Er hat mit der blöden „Freunde bleiben“-Floskel das anerkennende Bild, das ich von ihm hatte, ziemlich plötzlich verspielt. Wir hatten eine super Zeit, er sieht da keine Zukunft – no big deal. Die Größe ist nun mal, es dann auch so zu sagen, wie man es meint.
Und um es nochmal ganz deutlich zu machen: Meine richtigen Freunde, die, die auch ich so nenne, die machen nie mit einer Floskel Schluss. Sondern geradeaus so, wie sie es auch empfinden, mit der Wahrheit ins Gesicht.
Headerfoto: Eugenio Marongiu via Shutterstock.com! („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür.