Von Narzissen und Gänseblümchen – wo die Liebe entsteht

Die Narzisse ist ohne Frage eine schöne Blume. Nach außen strahlt sie etwas ganz Besonderes aus. Ihre Schönheit, Großartigkeit und ihre Macht kommen besonders gut zur Geltung, wenn sie sich an Orten wie einer Bühne oder in einer Chefetage platziert. Von dort aus kann sie den Zuspruch und die Bewunderung ihrer Untertanen und Anhänger genießen.

Dabei wird Kritik stets abgelehnt, denn diese entspricht nicht ihrem perfekten Selbstbild. Oder genauer gesagt, der idealisierten Vorstellung von sich selbst, die nicht beschädigt werden darf, da sonst das morbide Gerüst des Glanzes und der Großartigkeit in sich zusammenfällt.

Gefühle von Mangel und Ablehnung musste die kleine Narzisse abwehren, um psychisch zu überleben.

Im Inneren der Narzisse spielt sich jedoch das Gegenteil ab. Das liegt daran, dass man sie als kleines Blümchen hat links liegen lassen und ihr nicht gespiegelt hat, wie einzigartig und liebenswert sie ist. Diese unerträglichen Gefühle von Mangel und Ablehnung musste die kleine Narzisse abwehren, um psychisch zu überleben. Sie legte sich einen Schutz zu, der sich in Großartigkeit und Schönheit präsentiert.

Ihre natürlichen Schwächen konnten nicht integriert werden. Es bleibt nur das Selbstbild der perfekten Narzisse. Und jeder, der dieses Bild angreifen möchte, wird abgewertet – als eine nach außen projizierte, abgespaltene Fehlerhaftigkeit ihrer selbst. Ihr überzeichnetes Selbstbild von Großartigkeit muss fortwährend genährt werden, da sie sonst mit ihrem inneren Schmerz in Berührung kommt.

Wie ein Junkie verkauft das Blümchen seine Seele und macht alles, was die Narzisse von ihm erwartet.

Die Narzisse glänzt vorherrschend in der Bewunderung der Anderen. Nährt sich von dieser und schöpft daraus ihren (Selbst-) Wert. Doch wer sind eigentlich die Bewunderer der Narzisse?

Es sind die Gänseblümchen. Sie hoffen, von der Narzisse gesehen, beachtet und geliebt zu werden. Dadurch erhoffen sie sich, etwas von ihrem Glanz zu erhaschen.

Das Gänseblümchen selbst denkt oft, es wäre hässlich. Denn ähnlich wie die Narzisse hat es, als es klein war, nicht genügend Anerkennung seiner selbst erfahren. Seine Strategie zum psychischen Überleben war jedoch nicht das Größenselbst, sondern die Fähigkeit, sich anzupassen und das zu tun, was andere von ihm erwarten. Dadurch erhielt es ein Quäntchen an Aufmerksamkeit und Zuspruch.

Das wahre Gefühl von Selbstliebe blieb ihm allerdings verwehrt, wodurch es ständig auf den Zuspruch von außen angewiesen ist. Besonders das Lob einer so großartig wirkenden Narzisse gibt dem Gänseblümchen das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

Doch auch der Glanz der Beachtung verfliegt so schnell, egal wie sehr sich das Blümchen anstrengt. Es braucht fortwährend mehr – mehr von dieser Beachtung. Denn sonst droht es zu verkümmern. Wie ein Junkie verkauft das Blümchen seine Seele und macht alles, was die Narzisse von ihm erwartet – gibt ihm ständig Bewunderung und Zuspruch – als ein Tauschgeschäft, um ein wenig zu bekommen, um gerade so zu überleben.

Tu dir Gutes, aber begegne auch deinen Dämonen.

Doch ich sag dir was, liebes Gänseblümchen, auch wenn es dir sonst keiner gesagt hat: Du bist wunderschön! Fange an, die Liebe in dir – in deinem Herzen – zu spüren und an dich zu glauben. Das, was du meinst, von der Narzisse zu bekommen, ist etwas Gehaltloses, nur schön verpackt. Es dient dem Zweck, aus dir ihre Bewunderung zu schöpfen und selbst irgendwie zu überleben. Wie ein Parasit nährt sie sich an dir und wird niemals satt.

Gibst du ihr nicht mehr, was sie braucht, lässt sie dich fallen und sucht sich eine neue Quelle der Bewunderung. Und in dir entsteht erneut das Gefühl, nicht um deiner selbst geliebt zu werden. Um aus diesem Teufelskreis zu gelangen, musst du lernen, auf dich selbst zu hören, die ernst zu nehmen mit all deinen Wünschen, Bedürfnissen und Grenzen. Tu dir Gutes, aber begegne auch deinen Dämonen.

Sowie die Narzisse ihren Unzulänglichkeiten begegnen muss, musst auch du deinen Mangel annehmen. Ja, das ist schmerzhaft und dennoch der einzige Weg zur Heilung deiner inneren Verletzungen und die Möglichkeit, zu einem authentischen Gefühl von Liebe und Selbstwert zu gelangen.

Du wirst andere nicht mehr benutzen müssen, um zu überleben. Das Gefühl von Liebe entsteht in dir selbst und du kannst anderen wunderschönen Blumen begegnen, um gemeinsam mit ihnen zu wachsen.

Kristina ist 27 Jahre alt, Single und vor vier Jahren für ihr Psychologiestudium nach Hamburg gezogen. Im Schreiben und Malen kann sie ihre Gefühle ausdrücken. Wenn sie abschalten will, hört sie gute Musik und tanzt. Beim Feiern findet man sie in den Elektro-Clubs Hamburgs.

Headerfoto: Mädchen auf Blumenwiese via Shutterstock.com. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Eine nette Umschreibung von „narzisstischem Missbrauch“ <3

    Besonders wenn man das aus der Sicht der Geburtsblumen sieht.

    Mein Narzisst ist im Monat "März" geboren, also Narzisse.
    Ich, der komplementäre Part dieser Geschichte, im "April", das Gänseblümchen. 🙁

    Lg

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