Diagnose: Single!

Anspruchsvoll. Das scheinen fast alle Singles zu sein, denn der Klassiker unter den wilden Spekulationen, weshalb man denn noch immer Single sei, endet meist mit dieser Feststellung. Wenn anspruchsvoll bedeutet, dass man ein gewisses Maß an Respekt und Aufmerksamkeit an der eigenen Person erwartet, dann ist man wohl schuldig im Sinne der Anklage. Puh, Glück gehabt, doch noch einen Grund gefunden, wieso man „noch immer“ Single ist.

Auch ich gehöre zu den anspruchsvollen Menschen, oder anders formuliert, zu der Spezies Single. Es gibt durchaus Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Singles. Wenn eine Frau gefragt wird, ob sie vergeben sei und dies verneint, folgt meist ein bunt gemischter Blick aus Skepsis und Verwunderung, gepaart mit einer Prise Ungläubigkeit. Ich habe noch nie erlebt, dass einem Mann diese Frage gestellt wird und wenn doch, dann nicht mit dem leidenschaftlichen Enthusiasmus mit der sie Frauen gestellt wird.

Ja, das ist schon ziemlich übel, wenn man als Frau keinen Mann an seiner Seite hat. Deshalb kann sich das Gegenüber auch kaum im Zaun halten mit Analysen wie das denn sein könne. Die Diagnose ist also schnell gestellt. Unheilbar krank. Diagnose: Single!

Man wird oft gefragt, weshalb man denn Single sei. Das ist interessant. Ich frage Pärchen für gewöhnlich nicht, weshalb sie eine Beziehung führen. Wieso auch? Und wieso werden wir gefragt, weshalb wir Single sind? Ist daran etwas falsch? Single-Frauen wird damit suggeriert, dass in einem Bereich ihres Lebens etwas nicht stimmt. Ganz schlecht, wenn man dann noch über 30 ist.

Die Gesellschaft setzt voraus, dass es der Wunsch einer jeden Frau ist, stets und ständig in einer Beziehung zu leben. Es ist ein stillschweigender Anspruch, der an Frauen gestellt wird. Jede männliche Person, egal ob es ein Bekannter, der beste Freund oder ein Arbeitskollege ist, wird als potenzieller Kandidat gesehen. Nicht von dem Single selbst, nein. Andere Arbeitskollegen oder der Bekanntenkreis fragen dann gerne: „Ist der nicht was für Dich?“  Es mag eine gut gemeinte und vielleicht auch ernsthaft interessierte Frage sein, doch irgendwann geht sie sicher jedem Single auf die Nerven. Denn auch wir Singles können einfach nur Freundschaften mit männlichen Personen pflegen, ohne dabei stets den Scan auf „Potenzial für mehr“ durchzuführen. Man mag es nicht glauben, aber es gibt durchaus weitere wichtige Dinge in unserem Leben. Freundschaft ist zum Beispiel eines davon. Aber ja ja, ich weiß, unheilbare Krankheit und so.

Männern, die Single sind, wird anders begegnet. Entweder werden sie kaum danach gefragt oder sie ernten verständnisvolle Blicke. Da heißt es dann nicht: „Was? Du bist immer noch Single?“ Männer hören dann Dinge wie: „Klar, Du willst Dich jetzt erst mal in Ruhe auf Dich konzentrieren. Mach Dir keinen Stress mit einer Freundin, Du hast schon genug Stress.“ Generell wird die Tatsache, dass ein Mann Single ist, gar nicht bis weniger bewertet als bei einer Frau.

Nochmal zu meinem Krankheitsbild, das sicherlich auch dem einen oder anderen weiblichen Single ähneln wird. Ja, ich bin Single. Wünsche ich mir einen Partner? Natürlich wäre es schön, mit jemandem mein Leben zu teilen. Mit jemandem, der zu mir passt und sich dasselbe wie ich wünscht. Eine Beziehung. Muss ich auf die Intensivstation, wenn ich nicht sofort einen Partner finde und mein Single-Dasein beende? Nein, denn Single zu sein, ist für mich keine Krankheit. Es ist eher eine Kur. Eine Kur, auf der ich mich völlig auf mich besinnen kann. Herausfinden kann, wer ich wirklich bin und was ich mir wünsche. Eine Kur, auf der ich vollkommen frei sein kann und mich dem Druck und den Erwartungen der Gesellschaft entziehe, um durch und durch entspannt zu sein. Ist das einfach? Nein! Denn es gibt nichts Schwierigeres, als sich selbst wirklich vollkommen zu lieben. Auch wenn es abgedroschen klingen mag, weil man es in jedem Beziehungsratgeber liest, stimmt es.

Erst wenn man sich selbst liebt und annimmt, ist man in der Lage, eine erfüllte und gesunde Beziehung zu führen. Und um auf die Frage zurückzukommen: „Wieso bist Du Single?“ Ganz einfach: „Weil der Richtige eben noch nicht da war!“

Nina macht sich tagsüber Gedanken um die Zufriedenheit der Kunden einer großen Airline. Abends denkt sie über die Zufriedenheit nach, die man idealerweise in Beziehungen erreichen sollte. Ihr Portfolio reicht von dramatischen und herzzerreißenden Liebesgeschichten bis hin zu vielen gewonnen Erkenntnissen. Die 30er-Marke geknackt zu haben, hat auch viele gute Seiten.

 

Headerfoto: Mallory Johndrow via Unsplash License! („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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11 Comments

  • Ich pflichte viel m bei. Aber eines muss ich loswerden: ich glaube, ich habe mich mit meinen fast 35 (Single) um einiges mehr gefunden, als viele meiner Nicht-Single-Freunde/Bekannte. Das Single-Dasein, also die „Krankheit“ hat mich vielleicht auch ein paar Mal mehr hinschauen lassen. Schließlich will man ja herausfinden, woher dieses „Defizit“, die Unfähigkeit eine Beziehung einzugehen kommt 😉 Meinen Dauer-Beziehungs-Freunden ist diese Suche erspart geblieben. Ich bezweifele aber, dass sie alle weniger zu finden haben. Sie haben nur noch nicht die Notwendigkeit dazu gesehen, danach zu suchen, denn sie sind ja kerngesund.

    Ich habe aber das Gefühl, dass je mehr ich mich finde und an mir selbst wachse, desto schwieriger wird es, einen Partner auf Augenhöhe zu finden. Desto klarer ich weiß, was ich mir von einer Beziehung wünsche, desto weniger gebe ich mich zufrieden mit einer Hauptsache-Beziehung-Beziehung. Es macht manchmal Angst zu sehen, dass mich mein 5-Jähriges Single-Dasein innerlich mindestens 10 Jahre hat reifen lassen. Blöderweise stehe ich nämlich nicht auf Mäbner Ü-45.

  • Toller Beitrag, Danke! Und es hört nicht auf, wenn man dann doch (wieder) in einer Beziehung ist. Es ist absolut spannend, wie sehr man über den Beziehungsstatus definiert wird. Ich habe früher als Single ständig solche Fragen gehört, gerade jenseits der 30 😉 Aber als ich dann in einer Beziehung war, hörte ich ständig, ach wie schön es doch sei, dass ich in einer Beziehung sei und nicht alleine durch die Welt reise. Als ob ich vorher es nicht genossen hätte, alleine zu reisen. Oder als wäre ich ich erst jetzt wirklich glücklich. Vielleicht sollten wir mal lieber anfangen zu fragen, ob das Gegenüber eigentlich glücklich ist? Egal ob als Single oder in einer Beziehung? Oder einfach mal übers Wetter sprechen 😉

  • Wunderschöner Beitrag!
    Ich denke ebenfalls, dass das Single-Dasein keine Krankheit sei, sondern eher wie du sagtest eine andere Art „Kur“. Man freut sich über kleine Dinge, die einen Selbst vorantreiben. Diese Erfolgserlebnisse sind zwar unbezahlbar, aber man möchte sich diese doch auch eines Tages mit jemanden teilen, oder nicht? Es sollte auch nicht so schwer sein geeignete Partner zu finden, vorallem findet man reichlich potenzielle Partner in unserem heutigen Internetzeitalter, nicht wahr?

  • Wirklich, on point!
    Nach zwei Absätzen stellte ich mir die Frage „Warum will ich überhaupt eine Beziehung?“.
    Da wurde mir gerade eben so klar, dass ich selbst so wirklich keinen richtigen „Grund“ für eine Beziehung habe. Es war eher wie so ein vorgezeichneter Weg.
    Ich hasse es auch, wenn ich Menschen neu kennenlerne und die Frage kommt „Wieso hast du denn keine Freundin?“ – trockene Antwort „Erstens homo, zweitens finde ich keinen, der genauso bekloppt in der Birne ist, drittens jeht dich dit eijentlich janischt an.“ (Ja, Berliner).
    Dieses Frage-Diagnose-Ding ist wirklich eine Frechheit, mit der häufiger Frauen konfrontiert werden. Aber als Homo ist die Frage genauso unlustig, da du direkt zu einem Outing gezwungen wirst (zumindest empfinde ich das so).
    Wenn andere davon reden, sich selbst zu finden, möchte ich ihnen ihre derzeitigen geografischen Koordinaten auf ihre Handfläche schreiben. Die meisten tun so, als wäre das etwas, das man zusammen mit dem Gewürzstreuer im Schrank findet. Am besten ist aus meiner Sich immer noch „Hirn aus, Herz an und los geht’s.“. Einfach mal auf das Gefühl hören.

  • Liebe Nina,

    ich verstehe dich, und doch ist es nur teilweise richtig. Ich bin seit einigen Jahren single, und selbst in meinem – größtenteils männlichen – Umfeld, nehme ich ganz klar wahr, das auch dort das einwirken-wollende fördern gegeben ist. Das ist ganz sicher kein rein webliches Problem, das ist ein gesellschaftliches Problem.

    Single-sein ist zur Abnormalität geworden, und das gilt für alle Geschlechter. Schließlich können nicht nur Frauen mit der Krankheit infiziert sein. 😉

    Alles Gute!

  • Netter Artikel. Aber dieses „ich muss mich selbst wirklich finden“…ich schwöre, ich kann’s nicht mehr hören. Zumal von einer Ü30-jährigen. Man liest es in jedem 2. Artikel. Wann habt’s Ihr aeuch denn mal gefunden? Pardon…WIRKLICH gefunden?

    • Ich bin 27 und habe gerade erst angefangen mich zu finden. Wenn das andere schon mit 20 geschafft haben, ist das bewundernswert. Aber manche brauchen eben länger. Und jeder sollte sich dafür soviel Zeitnehmen, wie er braucht.

  • Es gibt wirklich schlimmere Dinge im Leben als sich rechtfertigen zu müssen ob man Single ist oder nicht. Dazu zählen tatsächliche Krankheiten wegen deren man sich rechtfertigen muss. Zudem gibt es auch genug männliche Singles die sich für ihr „Single-Dasein“ Negatives anhören müssen.

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