Am Ende wird abgerechnet

Ich blute dieser Tage, dieser Wochen – ach nein, dieser Monate, das vergangene Jahr. Und nein, es ist auch nicht mein gesamter Organismus oder andere daraus entspringende Ferkeleien, sollte das hier nun jemand annehmen. Es ist mein Herz. Ich brachte es selbst dazu.

Ich meine mich erinnern zu können, dass Alleinsein früher für mich kein Problem darstellte. Es war vielmehr ein Umstand. Einer, den ich gut ertragen konnte. Nicht immer. Aber besser als heute allemal.

Ganz sicher hat das damit zu tun, dass sich mein Bewusstsein für die Endlichkeit verändert hat und auch damit, dass all diese Dating-Karteileichen, die ich so mit mir rumschleppe, ihre Spuren hinterlassen haben. So tot sie auch zu sein scheinen, eine jede hat eine Narbe hinterlassen.

Wasted Youth

Nun ersetzt Narbengewebe nicht einfach so, was vorher war – es betäubt vielmehr die Stelle, die es überwuchert hat. Ich befürchte, bei mir ist schon einiges an Fläche draufgegangen.

Ich kann es aber auch nicht sein lassen. Anstatt Wunden abheilen zu lassen, stürze ich mich seit einiger Zeit von einem ins nächste Verderben. Für den Moment ist das gut. Ablenkung. Das Prinzip ist klar.

Also schaue ich am vergangenen Samstag sehr früh auf einem dieser unzähligen Kiez-Spielplätze in den sich in Wattebäusche zerfasernden Himmel und die Tränen laufen hinter meiner Sonnenbrille in ewigen Rinnsalen über mein Gesicht. Nicht jene Tränen, die man im letzten Moment runterzuschlucken vermag. Tränen, die das eigene Seelenheil bebend erschüttern und einen nicht merken lassen, dass das heiße Wasser einem die Haut verbrüht, während man weinend unter der Dusche steht.

Karmacoma

Vielleicht ist es ja auch nur mein Karma, das mich hier maßregelt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einem das eigene Dating-Verhalten in einer Art Rückkopplung irgendwann auf die Füße fällt. Und sei es nur, weil das unter all dem Narbengewebe betäubte Selbst gar nicht mehr in der Lage ist, etwas anderes zuzulassen.

Und, oh ja – ich habe mich schlecht verhalten. Ebenso wie man mit mir zuweilen so umgegangen ist. Zu Recht wahrscheinlich. Die Karteileichen haben mich wohl nicht alle in bester Erinnerung. Das trägt sicher dazu bei, dass aus einigen Narben regelrecht Geschwülste entstanden sind.

Manni Lux hat sie alle durch und wird doch nicht schlauer aus den Irrwegen der Großstadt. Berlin ist nicht der Anfang. Die Kälte an der Spree kennzeichnet den Höhepunkt eines Lebens, dessen Protagonistin vor wahrer Nähe schon immer geflüchtet ist. Ein echtes Sondermodell, das alle Klischees über das Singlesein in Berlin vereint. Mehr von Manni Lux gibt es (bald) auf Kind mit Fahne.

Headerfoto: Amadeo Muslimović via Unsplash.com. (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

imgegenteil_mannilux

1 Comment

  • „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einem das eigene Dating-Verhalten in einer Art Rückkopplung irgendwann auf die Füße fällt“

    Wenn es eine Rückkopplung dazu geben würde, wäre das doch eigentlich eine fantastische Sache! Jedenfalls soweit man sich anständig verhält 🙂 Eher glaube ich, dass man selbst die negativen Eigenschaften der Dating-Karteileichen annimmt. „Wie so mir, so ich dir“ – nicht bewusst, jedoch unterschwellig.

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