Vor über einem Jahr hat uns ein Single erklärt, was Poetry Slam ist und warum er das so geil findet. Alt wie wir sind, haben wir das zunächst ganz merkelgerecht als Neuland abgetan und uns nicht weiter damit beschäftigt. Bis uns irgendwann auffiel, dass sehr viele Menschen positiv davon sprechen, in ihrer Freizeit regelmäßig Slams besuchen und dann kam diese Julia Dingsbums und auf einmal haben alle drüber geredet. Als wir neulich in der Schweiz waren, dachten wir uns dann: Warum eigentlich nicht den hellsten und heißesten Stern des örtlichen Poetry Slam-Himmels treffen? Irgendwas muss doch da dran sein an diesem ganzen Geslamme, wenn alle drüber reden. Laurin Buser ist nicht einfach nur der Nachwuchsstar des Slam-Business, er rappt auch, schauspielert, moderiert und kann wahrscheinlich auch Hunde frisieren. Der Mann ist einer von diesen Alleskönnern und lebt in Basel. Wie gut, dass wir da vorbeigefahren sind!
Laurin, stell Dich doch kurz mal vor, damit wir alle wissen, wer Du bist.
Ja gerne. Meinen Namen habt ihr ja, oder? Ich bin 23 Jahre alt und seit viereinhalb Jahren freischaffend als Slam Poet, Rapper und Schauspieler unterwegs.
So viel Kunst auf einmal. Geil. Wie kam es dazu?
Ich mache das seit ich 15 bin. Ich bin damals einfach zu einem Slam gefahren, weil Bekannte meinten, dass das was für mich wäre. Ich bin aufgetreten, Zweitletzer geworden und dachte mir: Das ist doch mal ein Anfang. Ungefähr sechs Monate später bin ich dann U20-Schweizmeister geworden.
Krass. Glückwunsch. Merkst Du Dir diese ewig langen Texte auswendig?
Ja. Am einfachsten ist es, wenn sie sich reimen oder einen Rhythmus haben. Zum Glück habe ich mit dem Merken gar kein Problem. Auf einem Slam trägt man ja auch nur fünfminütige Texte vor, das geht alles. Wenn ich alleine auf der Bühne stehe und zwei Stunden Programm füllen muss, dann ist das schon was anderes. Mein aktuelles Programm Elektrisch ist eine Art Stück, das hat was theatralisches. Da sind auch fließende Übergänge und ich habe musikalische Elemente dabei. So elektronischen Kram. Oder ich verbinde Texte und Sounds. Da wird nicht nach jedem Stück Pause gemacht und geklatscht, da wollte ich was Zusammenhängendes machen.
Poetry Slam scheint mittlerweile ja ziemlich cool zu sein und gar nicht mehr so nerdig und nischig, oder?
Nee, mann muss im Gegenteil gerade eher gucken, dass es nicht zur Proletik wird. Bei Slams ist das Publikum schon mehrheitlich ein Studentenpublikum in unserem Alter. (Wie höflich von ihm, er ist ja nur 10 Jahre jünger als wir.)
Ist Slam besonders kritisch, schlau, emotional? Warum sollen wir da hingehen?
Es gibt Leute, die sprechen über Gefühle, es gibt Leute mit Raptexten, es gibt politische Meinungen und völlig banale Themen. Es ist immer ein lyrisches Event, das sich durch den Wettbewerb definiert. Für das Publikum ist das besonders wichtig, weil es entscheiden darf, wer gewinnt. Ich bin mir sicher, dass darin auch das Erfolgskonzept liegt. Am Ende geht es um Entertainment. Es ist ein Unterhaltungsformat mit Slammern, die Bock haben zu performen. Man kann natürlich einen Scheiß-Text durch eine geile Performance hochziehen und andersrum einen guten Text durch eine Scheiß-Performance kaputt machen.
Bewertest Du das Julia-Engelmann-Ding positiv?
Die Frau hat den Zahn der Viralität getroffen. Rein textlich gesehen repräsentiert sie alleine nicht die komplette Vielfalt des Poetry Slams, aber für die Szene war ihr Erfolg natürlich super. Es ist halt wichtig, was wir jetzt daraus machen.
Man muss am Ende des Tages selber darüber urteilen, was stimmt und was nicht. Davon sind viele Menschen überfordert.
Du hast ja mal einen Text über deine Generation geschrieben, die sich angeblich selbst hasst. Was geht da ab?
Der Text, in dem ich das sage, ist etwas älter. Der Grundgedanke war folgender: Ich habe beobachtet, dass wir permanent unzähligen Informationen ausgeliefert sind und so schnell wie nie auf eine riesige Nachrichtenflut zugreifen können. Man muss am Ende des Tages selber darüber urteilen, was stimmt und was nicht. Davon sind sehr viele Menschen überfordert. Woher soll man auch wissen, welche Nachricht viel Wahrheitsgehalt hat oder Trash ist? Dafür müsste man sich ausgiebig mit Themen beschäftigen. Oft ist man zu faul, um sich in seriöse Themen einzuarbeiten. „Soll ich jetzt Zeitung lesen, da steht eh nur Scheiße drin, das ist mir alles zu anstrengend.“ Irgendwie führt das ein bisschen zu Selbsthass. Wir können uns ja auch gegen nichts auflehnen. Unsere Eltern haben WhatsApp und sind cool. Wir haben kein biederes Feindbild, also lehne ich mich gegen mich selbst auf. Dieser Gedanke steckte hinter dem Text. Ob das nicht bei den Griechen schon genauso war, weiß ich auch nicht. Bin ich jetzt aber auch zu faul nachzuschauen. (Wir lachen. Alle. Doll.) Ich habe das Gefühl, dass wir in krassem Wohlstand leben. Die Frage ist: Macht man immer weiter und noch mehr Geld oder sagt man irgendwann „Stopp, ich habe ja jetzt die Zeit, zu hinterfragen, was abgeht“. Eben die Gier darauf, ein guter Mensch zu sein.
Was sind die Themen Deiner Texte?
Das Handy und die moderne Kommunikation zum Beispiel. Ich stelle es auf der Bühne mehr dar, als dass ich es direkt kritisiere. Ich spiele natürlich auch damit, dass ich Texte und Inhalte vortrage, die nicht ganz meine Meinung sind. Ich will zum Nachdenken anregen. Ich selbst bin schon ziemlich handysüchtig. Natürlich gibt es immer Menschen, die krasser sind. Aber man kann sich ja alles rechtfertigen: „Ich muss das ja, hier, aus beruflichen Gründen.“ Ihr versteht.
Hast Du schon mal online gedatet?
Ich hatte mal ein zweistündiges Experiment mit Tinder. Dann musste ich die App sofort wieder löschen, weil mir das nicht ganz so entspricht. Im Endeffekt geht es gegen meine moralische Meinung. Aber nur gegen meine, ich verurteile wirklich niemanden, der das nutzt.
Ansonsten kann man noch anmerken, dass es kein schwizerdütsches Wort für Problem gibt. Es geht uns also gut.
Wie lebt es sich so als Künstler in Basel?
Ich bin aus der Region, bin hier im Baselland aufgewachsen. Die Kunst hier ist eigentlich übersubventioniert. Scherz. Es ist wie überall: Man muss was dafür tun. Aber die Schweiz und ihre Stiftungen und Gelder sind schon sehr gut zu Künstlern. Würde ich jammern, wäre das auf völlig unangebrachtem Niveau. Ich lebe noch in Basel, weil es super gemütlich, sehr schön und mit gutem kulturellen Leben gefüllt ist. Es ist ein Dorf, ohne dorfig zu sein. Außerdem haben wir die Art Basel und Fasnacht. Und die Bürger sind ziemlich links. Liberal, links, was aber nicht heißt, dass hier nicht auch gleich die Bullen kommen, wenn man ein unangekündigtes Feuerwerk steigen lässt. Haha. Ansonsten kann man noch anmerken, dass es kein schwizerdütsches Wort für Problem gibt. Es geht uns also gut.
Wer ist der berühmteste Baseler?
Roger Federer natürlich. (Jule: „Wer ist das?“ Laurin und Anni: „Äh, der ungefähr berühmteste Tennisspieler der Welt!“)
Danke Laurin, wir gehen jetzt mal zum Poetry Slam. Voll Bock!