Simon | 28 | München/Berlin/Gotha

„So komische random Dinge sind voll mein Ding.“

Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich traurig, nicht in einer Thüringer Kleinstadt zu wohnen. Gotha. Dort wohnt nämlich unser Single Simon in einer Altbauwohnung mit Fischgrätenparkett. Hach, davon kann man in Berlin nur träumen. Macht nichts. Unser Premiumsingle bummelt nämlich das ganze Jahr über durch Deutschland und wo bietet sich da ein Treffen besser an als in der brodelnden Hauptstadt?

Die Sonne heiß vom Himmel, die Morgenbrise flüstert verheißungsvoll und wir treffen uns im Körnerpark im verwunschenen Teil von Neukölln. Simon kommt uns mit Wollpulli und Skateboard entgegen. Ja, aber hallo!

Wir setzen uns ins Café Zitrone und Simon spendiert eine Runde Kaffee. Die Antwort auf die Frage nach dem bisherigen Verlauf seines Lebens stellt sich als etwas komplexer heraus: Der junge Mann hat einfach schon sehr viel erlebt! Fast könnte man denken, ein 40-Jähriger sinniert über sein Leben, wäre da nicht sein spitzbübisches Lächeln und sein guter Style.

Aber von vorne: Aufgewachsen ist Simon im schönen Königstein im Taunus. Da ist er dann auch zur Schule gegangen, auf ein privates, katholisches Gymnasium. Sehr gediegen, sehr behütet. Fast ZU behütet! Und so entschließt sich Klein-Simon irgendwann, er brauche mehr Aufregung und Abwechslung in seinem Leben und wechselte auf die Gesamtschule nach Kronberg. Die Freunde von damals hat er immer noch. Lange ausgehalten hat er es da trotzdem nicht.

Als er in der 12. Klasse durch Zufall erfahren hatte, dass man auch aufs Abi pfeifen kann und stattdessen seine Fachschulreife mit einem Praktikum erreicht, ist er voller Eifer aus der Schule aus- und bei Nitro und später dann bei ARMEDANGELS eingestiegen. Armed Angels? Jaaaa, genau. DAS Fair Fashion-Label in Deutschland. Sehr beachtlich in seinem Gespür für Marken, der junge Mann.

Ob er viel von denen lernen konnte? Oh ja! Ob er ein guter Praktikant war trotz seiner zarten 17 Jahre? Jein. Simon lacht: „Ein bisschen hat es wohl genervt, dass ich in meiner Mittagspause durch die Läden getingelt bin, um meine eigenen Sachen zu verticken.“

Unser Simon hatte nämlich schon früh ein Gespür für Trends. Stellt ihn euch vor als den coolen Dude, der, mit Al Gores Eine unbequeme Wahrheit untern Arm geklemmt, über den Schulhof schlendert und schon seine eigenen Caps und T-Shirts designt. Mit politischer Message. Das Logo war eine schmelzende Schneeflocke, auf den T-Shirts war ein Pinguin in einer Pfütze zu sehen: Damit wollte er auf den Klimawandel aufmerksam machen. Die Idee zündete. Kaum einer an seiner Schule, der die Caps nicht trug und sogar ein paar Läden in München und Köln nahmen sie in ihr Sortiment auf.

Mit 18 Jahren kam dann der ersehnte Startschuss. Unser Jung-Entrepreneur gründete zusammen mit seinem Vater die Firma: Freund & Freund GbR (Danke an Simons Papa für diesen coolen Nachnamen, by the way) und launchte sein erstes, eigenes Label: SIMON & ME. Somit begann für ihn ein großes Abenteuer.

Arbeit, Leidenschaft und Leben eng verwoben, aber auch auf eine sehr schöne Weise: Viele Menschen gingen aus und ein, er konnte sich kreativ austoben, Berlin spüren, sich weiterentwickeln und eröffnete sogar seinen eigenen Laden in Berlins Bergmankiez. Fun Fact: Penny Skateboards hat er da auch verkauft. Bevor es cool war. Wirklich. Und: Er konnte mit einem Purzelbaum zur Arbeit kommen. Wer kann das schon von sich behaupten?

Zwischendurch kam dann mal der Versuch am Studium. Wiesbaden, Business Administration. Klingt genauso kacke, wie es dann auch war. Seine Worte. Der Spaß dauerte auch nur zwei Wochen an, dann hat er zum Glück gleich erkannt, dass ein Studium in Amsterdam viel besser passt. „Fashion and Branding“ am Amsterdam Fashion Institute, bei dessen Aufnahmeprüfung er „mindestens passiv stoned“ war. Aha! Geile Zeit war es. Aber besonders wegen der Menschen, der Stadt, der Erfahrungen, der Eindrücke. Das Studium hingegen war eher Quatsch.

Für den Möbelhersteller Vitsœ arbeitete Simon ein Jahr lang in London (auch hier der rote Faden, denn das Label setzt auf Nachhaltigkeit und Ästhetik), bis es ihn ins Millionendorf München verschlug. Shortbread gegen Brezn, Pubs gegen Boazn. Hier arbeitete er noch ein bisschen für den Möbelhersteller, um irgendwann auf seinem abendlichen Nachhauseweg stehen zu bleiben und nachdenklich die Akademie der Künste zu betrachten.

Warum eigentlich nicht bewerben? Gedacht, getan. Und die Talentnase wurde auch direkt genommen! Andere Nasen werden hier sicherlich grün vor positivem Neid. Aber er hat‘s halt einfach drauf, der Simon und ein Händchen für Kreatives. Gut, dass das die Akademie gleich erkannt hat!

Somit ging‘s zu Ende mit seinem Label. Kleidung, Modesign und other fancy stuff wichen Kunst und Kultur. Doch die Frage um den Wert des Konsums ging weiter. Für Simon nur konsequent. Konsum kritisieren, aber gleichzeitig ein Teil der Modeindustrie sein? Ein Paradoxon in sich. Kunst will nichts, Kunst manifestiert sich und stellt unangenehme Fragen. Kunst kann sich ausdrücken ohne Kompromisse. Das ist, was Simon wollte.

Ihr könnt euch nun entspannt zurück lehnen, wir sind der Gegenwart angekommen. Die Kunst also. Simon ist an sich schon ein bisschen ein Kunstwerk. Da haben wir seine Uniform, dunkler Wollpulli, dunkelblaue Hose (für unser Porträt hat er mal eine Ausnahme gemacht), dunkle Schuhe, eine Mütze. Da haben wir seine ästhetische und gleichsam durchdachte Ausstattung. Seine radikale Entscheidung zum Verzicht und zum Umzug in ein unbekanntes Städtchen, raus aus den aufregenden Großstädten.

Weg von dem, was alle machen. Hin zum Ausprobieren. Wie hat er es so schön treffend ausgedrückt? „Ich bin froh über alles, was ich nicht habe.“ Warum dieser Verzicht? Es entspannt emotional, es schont Ressourcen, es ist einfach verantwortungsvoller. „Es macht auch ein bisschen Spaß, Dinge so zu machen, wie ich sie für richtig halte.“

München, Köln, Berlin, Amsterdam, London. Hui, da kann einem ja fast schwindlig werden. Welche Stadt hat ihm denn jetzt so am besten gefallen? Simon lacht. Schwer zu sagen. Alle Städte haben ihre Zauber, hielten wunderbare Menschen für ihn bereit, intensive Erfahrungen, Lernmomente. Berlin sei manchmal zu viel, München manchmal zu langweilig, Amsterdam dafür die perfekte Mischung.

Was ihn denn so interessiert? Vielleicht lässt es sich für den Anfang mit Anti-Konsum beschrieben. Alles, was Überfluss, Verschwendung negiert, um langsam auf die Essenz des Lebens stoßen zu können. Alles, was voran geht, visionär ist, alles, was Veränderung bedeutet, Verbesserung, mehr Substanz, weniger Gedankenlosigkeit.

Ist unser Besitz das, was wir sind? Wie viel braucht ein Mensch? Was ist Geld und was macht es mit uns? Vor allem, wenn es ist nicht da ist. Die Negation der Negation, sozusagen. Möchte man ein bisschen in Simon hinein fühlen, lohnt es sich (eigentlich lohnt es sich in jedem Fall!) seine Kunstwerke zu betrachten.

Da gibt es eine Website, die 24h Videomaterial abspielt und alle fünf Räume seiner Wohnung in München abbildet: Einen Tag lang nonstopp gefilmt. Oder das Projekt, in dem er all seine Gegenstände sorgfältig dokumentiert. Beeindruckend. Bewusst sein, bewusst mit Besitz umgehen. So der Gedanke dahinter.

Berührend dagegen die Dokumentation, bei er mit vielen verschiedenen Menschen Kleidung getauscht hat: Seinen Signature Look gegen ihre Alltagskleidung. Kleider machen Leute? Oder machen Leute Verkleidungen?

„Meine Kunst ist eine Einladung.“ Sorry für die vielen Zitate, Leute, aber es sind halt schon viele schöne Gedanken, die Simon so formuliert. Mit Yoko Ono hat er auch schon zusammen gearbeitet. Auf die etwas andere Art und Weise, aber das erzählt er am besten selbst.

Lieben fällt ihm leicht. Liebevoll und empathisch, so würden ihn seine Freund*innen beschreiben. Hat er erst mal jemanden gerne gewonnen, ob in der Liebe oder in der Freundschaft, so bleibt seine Zuneigung auf ewig. „Ich mag Menschen einfach.“ Wenn aus Zuneigung noch körperliche Intimität entsteht, dann ist das die Kirsche auf dem Lebenscocktail. Seine Freund*innen werfen ihm manchmal vor, sein Ebenbild zu suchen: offen dem Leben gegenüber, liebevoll zur Welt. Simon meint, das stimmt nicht ganz.

Aber dass es schon ganz geil wäre, wenn man dasselbe Weltbild teilt, dieselben Werte. Dass es bei beiden klar ist, die Ressourcen zu schonen, dass es noch mehr gibt im Leben als Geld verdienen, um Güter konsumieren zu können. Hört sich verständlich an.

Auch mag er, wenn Menschen für etwas brennen, eine Leidenschaft haben. Von der ließe er sich auch gerne anstecken. Irgendwie geistert ihm dann immer bei solchen Gedanken die Pferdezucht im Kopf herum. Jemand, der sich so leidenschaftlich für Pferde begeistert, für den Simon dann alles stehen und liegen lässt, um mit diesem Herzensmenschen auf einem Pferdehof zu leben und all die Sorgen und Freuden einer Pferdezucht zu teilen. Oder etwas anderes gerne auch. War nur’n Beispiel.

Seine Freund*innen würden übrigens noch ergänzen, dass unser Singleboy in Diskussionen und Lebensanschauungen zur Rechthaberei neigen würde. Aber nur bis man ihm vom Gegenteil überzeugen kann. Simon grinst. Er würde aktuell dran arbeiten.

Lieblingsessen? Pasta mit Pesto, Feta und Cherrytomaten. Musik? Lofi-Hiphop und elektronische Schmankerl. Solide Auswahl, lieber Herr Künstler. Feiern geht er am liebten ins Charlie oder Blitz in München und in Berlin ins Sisyphos und Kater Holzig, äh Blau, wie es mittlerweile heißt.

Trinken gerne im Goldenen Reiter, Alter Simpel oder Favorit-Bar (als Münchner Kindl kann ich diese Wahl nur loben), in Berlin in die Beuster Bar. Ähnliche musikalische Vorlieben hat er auch, das und das findet er zum Beispiel gut. Angehört wird es aber nur auf Soundcloud, Spotify sei halt einfach Mist.

Wer sich jetzt genauso hingezogen fühlt zu unserem Dreamboy, dem sei gesagt: Simon ist ein kleiner Europabummler, zum Arbeiten zieht er sich zwar gerne in seine Wohnung nach Gotha zurück, aber eine Beziehung kann er sich überall vorstellen. Freunde und Gelegenheiten hat er in den tollsten Städten genug. Let the love begin!

Kontakt

Leider ist Simon nicht mehr auf der Suche. Aber keine Sorge, mehr Porträts gibt es hier.

SOPHIA mag Sommer am Balkon, hitzige Debatten und Aperol Spritz für wenig Geld. Nach drei Gläsern davon benutzt sie meist das Igel-Emoji, um ihre Gefühle auszudrücken. In der Redaktion von im gegenteil kann sie sich endlich mit einer größeren emotionalen Bandbreite auseinandersetzen und ganz viel Liebe zeigen.
MONE wollte schon Fotografin werden, seit sie denken kann. Nachdem sie ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt hatte und Mediendesign studiert hat, kann sie ihrer Leidenschaft auch beruflich nachgehen: Jetzt arbeitet sie als Fotografin, Cutterin und Regisseurin und versucht stets, ihre feministischen Überzeugungen in ihre Arbeiten mit einfließen zu lassen. Bei Meer, Live-Musik, Hummus und Lichtreflexen, die auf Wasser brechen, geht ihr Herz auf. Bei Rote Bete eher nicht so. Sorry but not sorry. Am glücklichsten ist sie jedoch, wenn sie als rasende Reporterin auf einem E-Roller durch Berlin cruisen kann.

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