„Eine schöne Analogie für die Vergänglichkeit des Lebens: Den Ort, an dem ich geboren bin, gibt es schon gar nicht mehr.“
Back in the days als Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt hieß und die Grautöne der Plattensiedlungen im Fritz-Heckert-Gebiet sich nicht voneinander unterscheiden ließen, erblickte Ronny 1981 das Licht der Welt. Ich komm aus Karl-Marx-Stadt, Baby. Original Ostler. „Wenn du aus Chemnitz kommst und deine Kinder Peggy und Ronny nennst, ist eigentlich auch alles klar“, lacht er. Aber immerhin wurde er mit einem schönen Nachnamen gesegnet.
Den Neubaublock aus Kindheitstagen gibt es nicht mehr, Karl-Marx-Stadt ist sowieso Geschichte und die Erinnerungen an die DDR verblassen, aber dafür kann sich Ronny noch lebhaft an die Familien-Wochenenden im Erzgebirge erinnern. Die Eltern sind leidenschaftliche Skifahrer und Ronnys 9 Jahre ältere Schwester fiebert den winterlichen Wettbewerben in den Oberwiesenthaler Bergen entgegen. Wenn die Familie nicht gemeinsam im Skiurlaub oder zum Windsurfen unterwegs ist, basteln die Herren des Hauses am Modellflugzeug und lassen es auf dem kleinen Flugplatz steigen. Der Traum eines jeden kleinen Jungens. „Wenn ich früher einschlief, habe ich mir vorgestellt, dass ich später mal Skilehrer werde oder mit dem Gleitschirm fliege.“
Nach der Scheidung der Eltern verschlägt es Ronny als Früh-Teenager weg von den Bergen ins flache Muldental nach Machern. Wohin? Genau, eine halbe Stunde Autofahrt von Leipzig entfernt. Vor allem mit einer ganz besonderen soziokulturellen Begebenheit hat Ronny am Anfang echt zu kämpfen: „Das war gar nicht so leicht. In Chemnitz musste ich nie Fußball spielen, aber auf dem Dorf gehört das einfach dazu“, erzählt der frühere Klassenkasper lachend. So haben ihn seine Freunde immer beschrieben. Kein Bock auf Fußball, stattdessen lieber vor dem Computer abhängen und Monkey Island zocken, heißt es in den 90ern.
Doch mit der Pubertät kommt die Liebe zur handgemachten Musik, zu verqualmten Proberäumen und, wie sollte es in diesem Jahrzehnt auch anders sein, zur Technoszene mit vielen illegalen Partys, groß angelegten Raves und der Leidenschaft zur Vinyl-Platte. Die „Stunde Null“ auf Energy mit Mad Max sind ein fester Bestandteil des Wochenendes. Genauso wie die mitgeschnittenen Kassettentapes, die noch immer beschriftet im Regal liegen. Noch bis heute erweitert Ronny seine Plattensammlung und verstaut sie dekorativ in seinem gemütlichen Wohnzimmer. Zu seinen Lieblingsplatten zählen eigentlich alle Alben der britischen Electronica Band Autechre.
Während Ronny in den Untiefen seiner Sammlung stöbert, umkreisen uns die Damen des Hauses. Die beiden Wellensittiche MiMo und Fliffis teilen sich fröhlich zwitschernd die Wohnung mit dem Musikfreak und haben ihren festen Platz in seinem Leben eingenommen. Wenn ihr Ronny trefft, dann fragt ihn doch mal nach der unterhaltenden Namensgeschichte der Wellensittich-Ladies „Frau Grün“ und „Frau Blau“.
Nach dem Theologie- und Philosophie-Studium (das auch schon wieder mehr als 11 Jahre her ist), fünf Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni und einem Job im Plattenladen zieht es Ronny an den Stadtrand von Leipzig. Hier in Leipzig-Wahren ist der Auenwald nicht weit entfernt, der Trubel der Stadt nicht ganz so groß und die Weiße Elster fließt entlang des Gartens. Der Rückzug in die Natur spricht für ihn und den besten Kirmeskuchen der Stadt. Schließlich bekommt er genügend Abwechslung und spannende Projekte in seinem Arbeitsalltag im Berufsbildungswerk Leipzig. Er unterrichtet für die Einrichtung der Diakonie Religion, Theologie, hält Gottesdienste ab, gibt spirituelle Seminare für Mitarbeiter und hat zudem als Inklusionsbeauftragter immer ein offenes Ohr. Ziemlich cool! Gebärdensprache beherrscht er auch.
Was mindestens genauso cool ist, sind seine verschiedensten Bandprojekte, in denen er aktiv spielt, wie zum Beispiel die Postrock-Metal-Band Mantiquttair. Ähnlich wie auf gute Musik steht Ronny auf Frauen, die mehr als nur schwarz oder weiß im Leben sehen. Die die Graustufen dazwischen erkennen und dem Leben ganz offen entgegenblicken. „Ein Faible für die Tiefendimensionen des Lebens besitzen …“, beschreibt es Ronny ziemlich treffend. Ein wirkliches Erwartungsbild gegenüber der Damenwelt gibt es aber nicht, denn Schubladendenken gehört nicht zu seinem Wesen. Er beschreibt sich selbst als Feminist, der an die Befreiung, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung menschlichen Wesens glaubt und diese in seiner Arbeit und im alltäglichen Leben unterstützt, so gut er kann.
Wenn Ronny nicht gerade an der Diakonie für Hör- und Sprachgeschädigte arbeitet, sich ein gutes Buch zu Gemüte führt, fürstlich badet (das macht er wirklich gern), die neuesten Theateraufführungen ansieht, heimlich Parfüm-Flacons sammelt oder mit einem seiner Fixie-Fahrräder durch die Leipziger Lande radelt, nicht zu vergessen das Skifahren, dann serviert er dir gern den besten Kirmeskuchen der regionalen Landbäckerei, mit frisch aufgebrühtem Kaffee und weiß ein belebendes, tiefgründiges Gespräch unglaublich zu schätzen.
Ein Mann mit vielen, schönen Worten oder wie Sven Väth sagen würde „Gute-Laune-Mensch“ mit der Vorliebe zum genüsslichen Leben und Ästhetik. Gute vegetarische Pasta-Gerichte kann er außerdem noch kochen (Ja, Ronny ist seit vielen Jahren Vegetarier, weil ihm Fleisch einfach nicht schmeckt.) und dich mit einem selbst zusammengestellten Musik-Tape überraschen. Keine Sorge, das passende Gerät zum Abspielen hat er bestimmt auch.
Ran an die Kassettenrekorder, Ladies! Für alle Leipziger: Haltet doch mal im veganen Restaurant Zest oder Kapitaldruck-Buchladen nach Ronny Ausschau. Da, wo die schönen Dinge sind, da ist auch er. Watch out!
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