Geht nach Thailand, haben sie gesagt. Ihr werdet es lieben, haben sie gesagt. Okay, habe ich gesagt. Ich hatte keinen Schimmer, wie sehr. Oh mein Gott, war das schön! Und, oh mein Gott, hat das was mit mir gemacht!
Die Vorbereitungen für den Urlaub fielen in die Vorweihnachtszeit. Eigentlich bin ich ein großer Verfechter davon, diese Wochen genau so verstreichen zu lassen, wie sie ursprünglich einmal angedacht waren. Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, will auch ich etwas zur Ruhe kommen und besinnlich werden. Den Höhepunkt der Glückseligkeit feiere ich dann mit meiner Familie an den Weihnachtsfeiertagen. Aber hätte hätte Herrentoilette. #realityknocksatdoor
Meine Familie und die besten Freunde sind mittlerweile in alle Winde zerstreut, weil sie den Weg gegangen sind, den ihnen das Herz vorgeschlagen hat. Das ist gut so, aber es macht die Vorweihnachtszeit auf einmal zum Organisationshöhepunkt des Jahres 2016 inklusive der ersten Reise nach Asien. Sagen wir es mal so: Ich war am Rande meiner Kapazitäten angekommen und mein Perfektionismus war mir dabei sicherlich keine große Hilfe. Wie viele Stricke kann ein Mensch zusammenhalten?
Zwischen den schlaflosen Nächten und den Fragen, wann ich wen in welcher Stadt treffen könnte – dabei ist optimales Routing natürlich ein Muss – und mit welchem Geschenk ich wem eine Freude machen könnte – sie sollten natürlich so persönlich sein wie möglich – fragte ich mich, ob man sich gegen Moskitos impfen lassen kann, auf welcher von den circa 60 thailändischen Inseln wohl ein Flughafen ist und welche Inhalte ich für meine Website eigentlich noch an den Start bringen muss, denn ich plane ja für Anfang des Jahres auch meinen ersten Release. And that better be BÄM!
Im Grunde genommen fasste der Dezember des letzten Jahres ganz gut zusammen, was ich seit Jahren fühle: Ich habe keine Zeit. Doch dann wurde mit einem Mal alles gut.
Irgendwie habe ich es geschafft, bis zum Ende des Jahres alle Zügel in der Hand zu halten und zu der Zufriedenheit meines erschöpften Ichs hat auch alles so funktioniert, wie ich es mir überlegt hatte. In einigen Momenten konnte ich Weihnachten und die Wiedersehen sogar sehr genießen. Dann war der Tag vor dem Abflug, den ich mir für letzte Besorgungen und das Packen frei gehalten hatte. Ich wechselte von der Überholspur auf die mittlere und kam langsam in Urlaubslaune. Das war hauptsächlich so ein Kribbeln im Bauch. Zwischen großen Schneeflocken huschte ich vorfreudig noch einmal zu dm, in die Apotheke und zu Globetrotter. Am Abend hatte ich alles beisammen und es überströmte mich ein weiteres Glücksgefühl, als dann auch die Flossen in den großen Koffer passten. Das war bis dahin nur eine Vermutung gewesen.
Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Bangkok landeten wir auf der Insel Koh Samui. Mir standen die Tränen in den Augen. Es war so schön. Auf einmal setzt dich einer im Paradies ab. Ich konnte es überhaupt nicht glauben. Die Luft war feucht, aber nicht stickig, sondern einfach nur warm. Die Sonne schien am blauen Himmel, die Palmen wedelten im Wind und die Blumen blühten in allen Farben. Mit einem Wort: Überwältigend! Eine Fähre, eine Taxifahrt und ein Wassertaxi später waren wir da. Am Bottle Beach auf Koh Pha-ngan. Die Reise war lang, über 24h von Wohnungstür zu Bungalowtür, und obwohl ich mir geschworen hatte, es nicht zu tun, bin ich nach der Ankunft am Nachmittag bei 27 Grad und Sonnenschein im dunklen Bungalow sofort bis zum Abendessen eingeschlafen. No Chance.
Der Plan für den Urlaub war, keinen Plan zu haben. Wenn wir das Bedürfnis entwickeln, irgendetwas zu tun, zu erkunden oder zu entdecken, dann werden wir uns umschauen, was es für Möglichkeiten gibt. Bis dahin: Strand, Meer, Thai Food, Hängematte und Cocktails. In beliebiger Reihenfolge. Ich hatte natürlich minimale Vorbereitung getroffen und für den Trip einen Itinerary gebastelt. Das ist ein Reiseplan, den ein Tourmanager für Bands erstellt, damit sie jeden Tag wissen, in welcher Stadt sie sind. Wo sie spielen, wo das Hotel ist, wann es Essen gibt und welcher Pressemensch um welche Uhrzeit für Interviews auf dem Treppenabsatz stehen wird. Neben den Hinreise- und Rückreiseplänen und den Infos zu Thailand, unserer Insel und unserer Unterkunft, befanden sich darin schon einige Vorschläge für Exkursionen. Schadet ja nichts, dachte ich mir. Better prepared than sorry. Zwinkersmiley.<
Zum Glück haben wir das alles sausen lassen. Von den zehn Tagen ließen wir an acht die Beine in der Bucht des Bottle Beach baumeln und es war großartig. An den anderen zwei Tagen haben wir uns einen Scooter geliehen, sind die Insel abgefahren – das ist problemlos in wenigen Stunden möglich – haben einen Schnorchelausflug an einen anderen Strand Slash andere Insel gemacht, uns ein bisschen in der „Hauptstadt“ Thong Sala unters Volk gemischt, Street Food gegessen und Freunde aus Berlin getroffen. Denn auch das ist in Thailand im Januar problemlos möglich.
Mit jedem Tag, der ins Land ging, legte die Zeit einen Warp-Gang zurück und nach nicht einmal zwei Wochen hatte ich das Gefühl, bereits einen Monat dort zu sein. Ich fühlte mich endlos erholt und war glücklicherweise total bereit, wieder nach Hause zu fahren. Nur die Wärme würde mir fehlen. Und das Meer. Und das sorgenfreie in den Tag leben. Und das keine Verantwortung haben. Und das an nichts denken müssen. Okay, eine ganze Menge. Aber nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Und deswegen überlegten wir uns sicherheitshalber schon einmal unser Reiseziel für den nächsten Winter und alles war wieder halb so schlimm.
Zurück in Deutschland spielte ich das gleiche Spiel wie bei der Ankunft in Thailand. Ich schlief, was das Zeug hielt. Die 12 Stunden im Flieger, nach der Ankunft in Berlin den ganzen Nachmittag und, nur von einem Anruf unterbrochen, dann auch noch die ganze Nacht durch. Seitdem stehe ich jeden Morgen zwischen 4 Uhr und 6 Uhr auf. Das ist bis heute so, fast zwei Wochen später. Von einem Jetlag kann man da wohl kaum noch sprechen. Und deswegen gebe ich es jetzt einfach zu. Ehrlich gesagt, habe ich mir dieses frühe Wachwerden nach dem Jetlag einfach beibehalten.
Thailand hat etwas ganz Schönes mit mir gemacht. Es hat mir etwas in meinem Leben zurückgegeben, was ich lange vermisst habe: Das Gefühl, Zeit zu haben. Das Modewort entschleunigt, welches mein Textverarbeitungsprogramm nicht einmal kennt, trifft den Nagel auf den Kopf. Die etwas älteren Beschreibungen, die ich zumindest mit älteren Traditionen wie zum Beispiel dem Buddhismus verbinde, treffen es aber mindestens genauso gut: inneres Gleichgewicht, kontemplative Ruhe, in der Gegenwart leben, bei sich sein. Vielleicht ist es eine Seuche der Großstädter. Vielleicht geht es aber Dagmar und André, Freunde von meinen Eltern, die nach wie vor in der kleinen sächsischen Kreisstadt, wo ich meine Kindheit verbracht habe, die Stellung halten, auch so. Die Tage sind zu kurz und die Jahre vergehen wie im Flug. Und das finde ich, ehrlich gesagt, mehr als schade.
Früh um vier gibt mir die Zeit, entspannt in den Tag zu starten. Früh um vier gibt mir die Ruhe, die einem nur eine schlafende Welt geben kann. Früh um vier schenkt mir neue Ideen, einen Arbeitsvorsprung, einen kreativen Schub, ein Workout oder ein paar Stunden für mich. Was auch immer es gerade sein darf. Früh um vier macht mich ausgeglichen für den restlichen Tag. Früh um vier liebt mich und deswegen liebe ich früh um vier.
Realistisch betrachtet wird sich mein Alltag immer mal wieder zwischen die Zeit und mich stellen und vielleicht komme ich dann sogar erneut an den Punkt, an dem ich wieder völlig überarbeitet bin und trotzdem nichts zu Ende bekomme. Völlig verwirrt bin, aber trotzdem keine neuen Ideen habe und aus Zeitnot Verabredungen absage, obwohl ich dringend eine Pause nötig hätte. Everything possible. Aber jetzt weiß ich, wie ich diesem Hassle Abhilfe verschaffen kann. Jetzt weiß ich, wo ich die Zeit wiederfinde, wenn sie mir abhanden gekommen ist. Und mit ihr all ihre tollen Buddys, die mir so sehr ans Herz gewachsen sind. Ich werde dann einfach wieder zu dm gehen, in die Apotheke und zum Globetrotter. Die Flossen in den Koffer werfen und mich im Paradies absetzen lassen. Die Erde ist ein schöner Ort.
Headerfoto: Frau am Strand via Shutterstock! („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür.
Morgens um Vier ist die Welt noch in Ordnung. 🙂 Bin neugierig: Wann gehst Du denn ins Bett, um so früh wach zu sein?